Deutsches Museum:Der Herr der Blitze

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Werner Osterrieder hört nach 21 Jahren in der Starkstromabteilung des Deutschen Museums auf. (Foto: Stephan Rumpf)
  • Werner Osterrieder ist seit 21 Jahren der "Herr der Blitze" im Deutschen Museum. Nun geht er in Rente.
  • Seine Starkstromvorfühungen gehören zu den beliebtesten Attraktionen im Museum.
  • Stephan Herrmann, ein junger Elektriker, wird Osterrieders Nachfolger in der Starkstromabteilung.

Von Martina Scherf, München

Licht aus, Spot an in der Starkstromhalle des Deutschen Museums. "Halten Sie sich jetzt besser die Ohren zu, es wird laut", warnt Werner Osterrieder. Dann drückt "Mister Eine-Million-Volt" einen Knopf und lässt einen gewaltigen Blitz von der Decke herabsausen. Wumm, mitten ins Wohnhaus, das in Flammen aufgeht. Die Zuschauer, zum Großteil Schüler, sind begeistert. Lauter Applaus. Gleich noch einmal, wumm, wieder entladen sich eine Million Volt, diesmal trifft es den Kirchturm der Modellanlage.

Werner Osterrieder ist der Herr der Blitze. Seit 21 Jahren lenkt er die Hochspannung in der Vorführungsanlage dorthin, wo er sie braucht. Er weiß fast alles über den Segen und die Gefahren der Elektrizität, und er liebt Blitze. "Wissen Sie, dass es drei verschiedene Arten gibt?", fragt er ins Publikum. Die Wolke-Wolke-Blitze, die man meist nur als Wetterleuchten wahrnimmt, die Wolke-Erde-Blitze, die am häufigsten vorkommen und uns staunen lassen oder Angst machen, und die ganz seltenen Erde-Wolke-Blitze. "So einen habe ich auch noch nie gesehen, da warte ich noch drauf, das in freier Natur zu erleben", sagt Osterrieder.

Popstar des Museums

In Zukunft wird er mehr Zeit für Spaziergänge haben, denn Werner Osterrieder geht in Rente. Schweren Herzens, das ist zu spüren. Die Starkstromvorführung gehört zu den beliebtesten Attraktionen des Deutschen Museums. Bis zu 400 000 Menschen sehen sie jedes Jahr. Täglich drei Mal drehte Osterrieder die Spannung so hoch, bis sie sich hoch über den Köpfen der Zuschauer mit einem gewaltigen Knall entlud. Er machte 300 000 Volt Wechselspannung in züngelnden, zischenden Flammen sichtbar und spaltete einen Holzstab mit elektrischer Ladung. Addierte man die Besucherzahlen seiner Show über die Jahre, könnte man ihn zu den Popstars zählen.

Davon ist der Herr mit seiner sonoren Stimme und dem schneeweißen Haar weit entfernt. Er ist ein echter Münchner, aufgewachsen in der Au, fast in Sichtweite zur Museumsinsel. Schon als Grundschüler war er oft dort. "Damals ist man in den Ferien nicht weit weggefahren, da gingen wir halt ins Museum", sagt er. Und später, als Teenager, traf man sich mit der Freundin im Bergwerk, da war es schön dunkel.

Osterrieders Technikbegeisterung begann, als er als Bub einen Baukasten für ein Radio geschenkt bekam. Seither bastelt er zu Hause Musikgeräte zusammen - heute allerdings hochwertige Verstärker für Stereoanlagen. In seinem früheren Beruf als Büromaschinenmechanikermeister entdeckte er dann im Umgang mit Lehrlingen sein Talent fürs Unterrichten. "Du darfst nicht autoritär sein, sondern du musst mit deinem Wissen überzeugen", sagt er.

Anekdoten statt Fachwissen

Elektrische Blitze züngeln bei der Hochspannungsvorführung um eine Glasplatte herum. (Foto: dpa)

Das galt auch im Museum. Nicht zu viel Fachwissen, das die Besucher ohnehin nicht verstehen, sondern lieber ein paar praktische Vergleiche aus dem Alltag oder eine Anekdote wie die vom Herrn Faraday, dem Erfinders des Faradayschen Käfigs: "Er setzte sich 1835 nicht gleich selbst in den Käfig, sondern erst ein Haustier, dann seinen Diener. Als die überlebten, unternahm er den Selbstversuch". Breites Grinsen bei den Schülern.

Heute setzt sich Stephan Herrmann in den Käfig, Osterrieders Nachfolger in der Starkstromabteilung. Er wird nach oben gezogen, dann heißt es wieder "Ohren zuhalten!", und schon tosen 270 000 Volt um den jungen Elektriker herum, der ganz entspannt von oben winkt. Er kann den Käfig sogar von innen anfassen, erklärt Osterrieder, denn die Spannung wird von einem elektromagnetischen Feld an seinem Äußeren abgehalten.

An der Vorführung hat sich in all den Jahren nicht viel verändert. Wohl aber am Publikum. "Die jungen Leute sind heute viel wissbegieriger", sagt Osterrieder. "Früher war es oft laut, wenn eine Schulklasse da war, da musste ich schon mal meine Stimme erheben." Heute wollten sie etwas lernen. Deshalb erklärte Osterrieder auch immer wieder die Zusammenhänge, wie sich das mit Volt, Ampere und Hertz verhält. Er wird das vielleicht auch in Zukunft tun, ganz privat.

"Ganz los vom Museum komme ich bestimmt nicht", sagt er. Und er hat auch schon eine Idee, wie sich der überspringende Blitz von der Kirche zum Wohnhaus wieder vorführen lässt. Der Draht wird nicht mehr hergestellt, deshalb konnte man den Versuch nicht mehr zeigen. "Ich habe es mit Klavierdraht probiert, das funktioniert genauso gut." Und sollte er je einen Erde-Wolke-Blitz sehen, dann wird er seinen Nachfolgern in jedem Fall sofort berichten.

© SZ vom 29.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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