Konservative und Islam:Ja nichts verändern

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Kreuz gegen Kopftuch: Demonstration der islamkritischen Bewegung Legida in Leipzig (Foto: dpa)

Der klassische Konservative begrüßt muslimische Einwanderer als Glaubende. Der doktrinäre Konservative aber benutzt Kultur als Kampfbegriff - und wird unruhig, wenn er seinen Weihnachtsmarkt in Gefahr wähnt.

Ein Kommentar von Gustav Seibt

Am Mittwoch twitterte der Philosoph Norbert Bolz einen Aphorismus: "Dass der Islam ein Teil Deutschlands sei, ist entweder eine Banalität (es gibt Muslime in Deutschland) oder eine Kapitulationserklärung." Da würde man gern erwidern: "Allgemeine Begriffe und großer Dünkel sind immer auf dem Weg, entsetzliches Unglück anzurichten." Das ist von Goethe, und es passt zum Elend der Frage, ob nun "der Islam" oder "nur" die Muslime zu Deutschland gehören.

Der CSU-Politiker Peter Gauweiler kannte die Sentenz von Bolz wohl noch nicht, als er in einem Zeit-Gespräch mit dem AfD-Politiker Alexander Gauland sagte: "Der Islam gehört so viel und so oft zu Deutschland, wie es Menschen dieser Religion bei uns gibt, die zu Deutschland gehören wollen und sich dabei alle Mühe geben."

An dieser Bruchlinie scheiden sich zwei Spielarten des konservativen Denkens. Der klassische Konservative, der ein zustimmendes Verhältnis zur Religion hat, schaut auf die einzelnen Menschen und ist bereit, Zuwanderer nicht nur als Arbeiter und Steuerzahler zu begrüßen, sondern auch als Glaubende und Betende. Proteste gegen die Islamisierung des Abendlandes? Gauweiler: "So kann unser Herr Jesus die Sache mit dem Abendland nicht gemeint haben."

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Angebliche Rücksicht auf Muslime

Der doktrinäre Konservative redet wie Bolz oder wie Gauland, für die "Kultur", "Identität", "Deutschland" zu kriegerischen Begriffen werden, die von konkreten Umständen absehen. Bemerkenswerterweise sind sich die abstrakten, identitären Konservativen in ihrem kulturkämpferischen Impetus einig mit laizistischen Liberalen wie Monika Maron und Henryk M. Broder, die schon unruhig werden, wenn sie das Gerücht hören, dass in Kreuzberg Weihnachtsmärkte zu "Wintermärkten" umbenannt würden, angeblich aus Rücksicht auf die Muslime.

Der Streit um diese Falschmeldung war das Einzige, das aus dem umstrittenen Dialog von SPD-Chef Gabriel und den Pegida-Leuten an die Öffentlichkeit drang. Der SPD-Vorsitzende wettete ein Bier darauf, dass es nicht stimme: "Ich trinke ein großes Bier, da seien Sie sicher."

Abendländer und ungläubige Altliberale sind sich darin einig, dass die Anwesenheit von Muslimen nur akzeptabel ist, wenn sie kein Jota in Deutschland verändert, und sei es ein Brauchtums-Jota wie Kreuzberger Weihnachtsmärkte. Man möchte diesen Intellektuellen Robert Gernhardts wundervollen Essay über die "Taverne Wachtelstubb" empfehlen, der in den Achtzigerjahren die Kulturgeschichte der mittelmeerisch-deutschen Symbiose ins Bild brachte, oder Martin Mosebachs Roman "Die Türkin" aus dem Jahr 1999, der auch vom muslimischen Leben in Deutschland handelt.

Der Islam hat die deutsche Hochkultur erreicht

Aber der Katholik Mosebach ist eben ein frommer Mensch, der eine große Nähe zu seinem muslimischen Kollegen Navid Kermani empfindet. Die freundschaftliche Verbindung dieser beiden Autoren könnte in einem künftigen Rückblick den Moment bezeichnen, von dem aus sich die Anwesenheit des Islam auch in der deutschen Hochkultur datieren lässt.

Kermani hat soeben eine Aufsatzsammlung vorgelegt, die zu zwei Dritteln von klassischer deutscher Literatur handelt und dabei doch nie die Perspektive des muslimischen Autors verleugnet ("Zwischen Koran und Kafka. West-östliche Erkundungen", C. H. Beck). Da geht es um Lessing, Goethe, Kleist, sogar Wagner, und auch um Martin Mosebach. Wer sie liest, wird dem identitären Gerede nichts mehr abgewinnen können: Die kulturelle Identität ist der falsche Kampfplatz für die realen Probleme der Integration.

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© SZ vom 31.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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