Neue Kontrolle in Jobcentern:Vier Augen sehen mehr als zwei

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  • Seit Jahresbeginn gilt bei den Jobcentern der Bundesagentur für Arbeit und den Kommunen ein neues Vier-Augen-Prinzip: Wird zum Beispiel Geld an einen Hartz-IV-Empfänger überwiesen, muss dies ein zweiter Mitarbeiter überprüfen.
  • Die Personalräte der Jobcenter halten davon wenig.
  • Es gebe viel zu wenig Personal, um diese Richtlinie im Alltag tatsächlich umsetzen zu können - und außerdem keinen Anlass für die neuen Kontrollen.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Es geht um Steuergeld

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) ist eine der größten Geldverteilungsmaschinen im Land. 2014 zahlte sie für die mehr als 300 Jobcenter, die die BA gemeinsam mit den Kommunen führt, knapp 15 Milliarden Euro an Hartz-IV-Empfänger aus. Gut 20 Millionen Hartz-IV-Bescheide verschickt die Behörde im Jahr. Schon lange wird deshalb in den Jobcentern nach dem Motto gearbeitet: "Vier Augen sehen mehr als zwei."

Bei bestimmten Auszahlungen, zum Beispiel bei einer Überweisung von einmalig mehr als 2500 Euro, soll stets ein Mitarbeiter prüfen, ob der Kollege die Leistung zuvor richtig berechnet hat, bevor das Geld transferiert wird. Es geht ja um Steuergeld. Trotzdem gibt es wegen des Vier-Augen-Prinzips jetzt Ärger. Hintergrund ist eine neue Arbeitsanweisung der Bundesagentur: Soll Geld an Hartz-IV-Empfänger fließen oder sind zahlungsrelevante Eingaben in die EDV, wie etwa eine neue Bankverbindung, nötig, muss seit 1. Januar generell ein Zweiter über die Arbeit seines Kollegen schauen. Die Personalräte der Jobcenter halten davon jedoch gar nichts.

Für eine korrekte Umsetzung fehlt die Zeit

In einem offenen Brief an zahlreiche Bundestagsabgeordnete klagen sie darüber, dass durch das erweiterte Vier-Augen-Prinzip die Belastung "in einigen Bereichen über den Rand des Zumutbaren" steige. Schon jetzt reiche die Ausstattung mit Personal in weiten Teilen nicht aus. Uwe Lehmensiek, Bundesvorsitzender der Jobcenter-Personalräte, sagt: "Das Vier-Augen-Prinzip korrekt umzusetzen, geht gar nicht, weil die Zeit dafür fehlt, die Berechnung einer Leistung durch eine zweite Person eingehend zu prüfen." Stichproben, bei denen wirklich geprüft werden könnte, hält er für ein effektiveres Kontrollinstrument.

Die Bundesagentur und das Bundesarbeitsministerium sehen dies genau umgekehrt. Um die gesetzlich vorgeschriebenen Kontrollen zu erfüllen, stand die BA nach Einführung einer Software vor der Wahl, das Vier-Augen-Prinzip in der neuen Form zu verankern oder mehr Stichproben einzuführen. Ihr Ergebnis: Die Stichproben sind noch arbeitsaufwendiger, sie hätten es nötig gemacht, 760 Vollzeitkräfte neu einzustellen. So sind es jetzt nur 400, die befristet eine Stelle in einem Jobcenter bekommen, um den Mehraufwand zu decken.

Bei den Kontrollen geht es um die "Kassensicherheit". Genau das verstehen die Personalräte in den Jobcentern allerdings nicht. In ihrem Brief stellen sie die Frage, warum dies überhaupt erforderlich sei: "Gibt es Hinweise auf flächendeckenden Betrug durch die Mitarbeiter, die die Erschwerung der Arbeitsbedingungen rechtfertigen würde?"

Der Chef der Personalräte weiß nur von Einzelfällen, in denen Mitarbeiter in betrügerischer Absicht Zahlungen manipuliert oder Geld an Hartz-IV-Bezieher ausgezahlt haben, die es gar nicht gibt. "Wir haben keine Hinweise darauf, dass es in den Jobcentern zu Betrug in großem Stil kommt", sagt auch Brigitte Pothmer, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen und fordert: Anstatt neue Vorschriften zu veranlassen, sollte die Bundesregierung lieber daran arbeiten, das Hartz-IV-System wie geplant zu entbürokratisieren.

© SZ vom 04.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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