Jens Spahn:CDU-Experte nennt Pflege-TÜV "Desaster"

Lesezeit: 2 min

CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn will den Pflege-TÜV abschaffen. (Foto: dapd)
  • Das Noten-System für Pflegeheime hat laut CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn "gar nichts gebracht". Er fordert die Abschaffung.
  • Trotzdem solle der Medizinische Dienst der Krankenkassen die Heime weiterhin testen und die Ergebnisse veröffentlichen, fordert er im SZ-Interview.
  • Die Schuld für das Versagen des heutigen Pflege-TÜVs sieht Spahn bei den Interessengruppen.

Von Guido Bohsem, Berlin

Dem umstrittenen Pflege-TÜV droht das Aus. In einem Interview der Süddeutschen Zeitung plädierte der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn dafür, das Notensystem für die Pflegeheime wieder abzuschaffen. Ergebnis und bürokratischer Aufwand passten nicht zusammen, sagte er. "So, wie das heute läuft, ist es einfach nur ein Desaster." Das System der Pflegenoten habe "bei maximalem Aufwand und Ärger nichts, aber auch gar nichts gebracht". Wenn etwas nach so vielen Jahren nicht funktioniere, "dann sollten wir es einfach einmal streichen", sagte Spahn, der auch dem CDU-Präsidium angehört.

Der Pflege-TÜV wurde eingeführt, um Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen die Wahl eines Heims oder ambulanten Pflegedienstes zu erleichtern. Durch ihn sollen sie die Qualität der Einrichtung beurteilen können. Dazu wird aus einer Überprüfung des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse (MDK) eine Gesamtnote gebildet. Bei den Heimen kontrolliert der MDK etwa 60 verschiedene Punkte und bewertet sie in unterschiedlicher Gewichtung. Kritiker führen an, dass die Heime in diesem System zu leicht eine schlechte Bewertung bei der eigentlichen Pflege durch gutes Abschneiden beim Speiseplan oder den Freizeiteinrichtungen wettmachen könnten. Die damit verbundene Bürokratie binde zudem ein Übermaß an Kräften.

Spahn schließt sich nun diesem Urteil an. "Der enorme bürokratische Aufwand ist bei den Pflegekräften zu Recht verhasst", sagte er. Sie müssten jeden Tag sehr viel an Dokumentation ausfüllen und nachweisen, um damit ein "unbrauchbares Nonsens-Ergebnis" zu erreichen. So habe fast jede Einrichtung die Note eins, was Spahn für unrealistisch hält: "Es glaubt doch kein Mensch, dass die Heime in Deutschland alle gleich gut sind." Erst kürzlich habe in Bonn eine Einrichtung wegen eklatanter Mängel schließen müssen, die laut Pflege-TÜV die Note eins gehabt habe.

Pflegeheime
:Kontrolle, bitte

Die Einführung von Noten für Pflegeheime war eine riesige Enttäuschung. Und doch hatte sie auch ihr Gutes: die Kontrollen, die den Noten vorausgehen. Dadurch hat sich einiges gebessert. Wichtiger als Prüfer wäre aber eine ganz andere Sache.

Kommentar von Nina von Hardenberg

Kontrollen sollen weitergehen

Die Schuld an dem Desaster Pflege-TÜV trägt nach Spahns Worten die sogenannte Selbstverwaltung im Bereich der Pflege. Die Verbände der Pflegeeinrichtungen und die Kassen hätten den Auftrag gehabt, sich auf ein Konzept zu verständigen, das beide Seiten akzeptieren könnten. Das sei nicht gelungen. Die Noten seien vielmehr ein klassisches Beispiel für das Versagen der Interessensgruppen, die im Gesundheitswesen mit der Umsetzung von politischen Vorgaben beauftragt würden. Spahn schlug vor, künftig zwar auf die Pflegenoten zu verzichten, die regelmäßige Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) aber beizubehalten. "Der MDK kontrolliert die Heime ja weiterhin." Vielleicht müsse man dann einfach die Prüfungsberichte in verständlicher Form veröffentlichen.

Die erste Stufe der von der Koalition geplanten Pflegereform ist Anfang des Jahres in Kraft getreten. Spahns Parteifreund, Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, arbeitet derzeit die zweite Stufe aus. Ziel ist es, Menschen mit geistigen Erkrankungen wie zum Beispiel Demenz künftig genauso zu behandeln wie Pflegebedürftige mit körperlichen Gebrechen. Die Reform soll noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten.

Folgen des Mindestlohns
:Wenn Pflege zu Hause teuer wird

Mehr als 150 000 Pflegekräfte aus Osteuropa versorgen in Deutschland legal oder illegal alte Menschen, die nicht ins Heim wollen. Auch für sie gilt von 2015 an der Mindestlohn - das wird für viele Familien zum Problem.

Von Thomas Öchsner

Lesen Sie das Wortlautinterview mit Jens Spahn in der Mittwochausgabe der Süddeutschen Zeitung - gedruckt oder in der digitalen Ausgabe.

© SZ vom 04.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: