Bayerns Ministerpräsident Seehofer:Ruppiger Regent

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Seit der Landtagswahl 2013 läuft es für ihn nicht mehr so rund: Ministerpräsident Horst Seehofer (Foto: dpa)
  • Horst Seehofer hat seit seiner Rückkehr nach Bayern im Jahr 2008 Politik betrieben: In der ersten Legislaturperiode war das sehr erfolgreich, seit Herbst 2013 läuft es nicht mehr rund.
  • Der Ministerpräsident kämpft mit mehreren Projekten - jüngst setzte ihm die Debatte um einen neuen Konzertsaal in München zu.
  • Die Folge: Seehofers Regierungsstil wird immer ruppiger

Von Frank Müller, München

Horst Seehofer wird oft als ein Mann der Bauchpolitik beschrieben: einer, der aus der Laune heraus nach Gefühl entscheide. Daran ist einiges wahr. Mindestens ebenso stark ist der Ministerpräsident allerdings ein Mann des ausgefahrenen Unterarms. Die Art, wie Seehofer in dieser Woche im Landtag die ihm lästige Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause einfach wegschob, wird in Erinnerung bleiben.

Seehofer bildete einen akkuraten 90-Grad-Winkel zwischen rechtem Ober- und Unterarm, fuhr letzteren horizontal aus und schob ihn nach rechts mitsamt der dort auf ihn einredenden Bause, die ihn unbedingt in den Plenarsaal zitieren wollte. Seehofers Handbewegung war eine, mit der man einen Tisch abräumen könnte. Oder auch eine Grünen-Politikerin, einen Konzertsaal oder gleich die ganze verdammte Energiepolitik. Unterarm raus und weg damit.

Man kann es nachvollziehen, einerseits. Sich einmal Luft machen, nicht nur im übertragenen Sinne, sondern ganz konkret. Andererseits häuft sich der Eindruck, dass es auch wichtigste Dinge sind, die der Regierungschef einfach mit ausgestrecktem Arm abzuräumen bereit ist. Es ist Seehofers Art, "basta!" zu sagen. Einer muss es ja tun.

Widerstand stachelt ihn nur an

Schon lange hat Seehofer allerdings für ein Machtwort nicht mehr so viel Kontra bekommen wie für das zur Münchner Konzertsaaldebatte in dieser Woche. Doch wenn Seehofer Widerstand spürt, stachelt ihn das nur an. Es ist dann wie beim Armdrücken auf dem Volksfest.

Dabei trifft die Kulturrevolte Seehofer schwer. Vor allem weil sie mit den harschen Worten der Weltklasse-Geigerin Anne-Sophie Mutter ein Aushängeschild hat, das sich auf einmal gegen ihn wendet - obwohl er doch so gerne in die Kultur-Elite Eingang finden wollte. Auf Mutter und einen Besuch bei ihr in der Künstlergarderobe hatte sich Seehofer bei seinen Konzertsaalplänen gerne berufen. Nun stellt sie sich hin und wirft ihm Wortbruch vor.

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Der Fall trifft Seehofer auch, weil er ein empfindlicher Gegenschlag beim Versuch ist, sein eigenes Denkmal zu bauen. Horst Seehofer ist ein Mann, der - politisch gesprochen - allmählich seine Dinge ordnet. Der sein politisches Vermächtnis sucht. Als solches hätte sich ein Jahrhundert-Saal für die Landeshauptstadt geradezu aufgedrängt. Doch nach Jahren der Debatte sieht sich der Ministerpräsident vor einer misslichen Situation. An die beste Lösung, einen Neubau, glaubt er nicht mehr angesichts der vielen Probleme über die Jahrzehnte. Also wählt er die zweitbeste, die immer noch besser ist als keine.

"Geht nicht - geht doch - ist die beste Lösung"

Doch nach außen würde er das so nie sagen. Wo Seehofer draufsteht, muss laut Selbstverständnis nämlich immer die allerbeste Lösung drinnen sein. "Leuchttürme" will er schaffen, Weltniveau halten, das 21. Jahrhundert verkörpern. Wenn ihm einer erklärt, warum er auf dem falschen Dampfer sei, fährt Seehofer wieder seinen Arm aus, aber auf etwas andere Weise. "Wissen Sie", sagt er dann etwas altväterlich, legt seine Hand auf die Schulter seines Gegenübers und drückt ihn millimeterweise nach unten. "Wissen Sie, wer wie ich seit 40 Jahren in der Politik ist, der hat das alles schon hundert Mal erlebt."

Seehofer macht das gern, es gehört zum Machtinventar. Es gibt Menschen, denen er schon seine Hand im Landtag auf die Schulter legte, die das regelrecht hassen. Der Ministerpräsident lässt dann seine Hand extra lang dort und ergeht sich in recht unterhaltsamen Anekdoten: Wie er sein Leben lang Kurs gehalten habe, immer. Bei der Kopfpauschale im Gesundheitswesen, bei der Mütterrente, bei der Pkw-Maut. Gern spricht er davon, dass die Durchsetzung seiner Wünsche im Drei-Stufen-Prozess verläuft: "Geht nicht - geht doch - ist die beste Lösung."

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:Irgendwie, irgendwer, irgendwann

Horst Seehofers Ankündigung hört sich klar an: Er will 2018 als CSU-Chef und Ministerpräsident aufhören. Dasselbe sagte er schon vor einem Jahr, dazwischen klang er aber auch schon anders. Ob sein Mix aus klarer Ansage und Verwirrung ans Ziel führt? Sicher ist da nur eines.

Kommentar von Frank Müller

So hat Seehofer seit seiner Rückkehr nach Bayern im Jahr 2008 Politik betrieben. In der ersten Legislaturperiode war das sehr erfolgreich. Seehofer schaffte das seltene Kunststück, seine CSU aus einer Koalitionsregierung mit der FDP wieder an die Alleinregierung zu bringen. Niemand anderes in der CSU hätte das fertiggebracht, sein Erbe für die Partei ist damit schon überreich.

Was unter Seehofer schiefläuft

Ganz anders sieht es aus mit dem, was er Staat und Gesellschaft hinterlassen will. Hier läuft es seit Seehofers Wiederwahl im Jahr 2013 bemerkenswert unrund. In praktisch allem, was er seitdem in Bayern angefasst hat, kommen zweit- und drittbeste Lösungen heraus.

Das Land verlor den Mut bei der Reform seiner Gymnasien und ihren ungeliebten acht Jahrgangsstufen. Es verzettelt sich gerade bei einem großen Straßenbauprojekt in Oberbayern, der B 15 neu. Es weiß nicht, ob es eine dritte Startbahn am Münchner Flughafen will. Es bekommt den Nahverkehr in seiner Landeshauptstadt nicht auf die Reihe. Es lässt Flüchtlinge in kalter Nacht im Freien schlafen. Und, das war das andere bayerische Großthema in dieser Woche: Es hat keine Ahnung, wie es seinen Atomausstieg bewerkstelligen will.

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Der zuständigen Ministerin Ilse Aigner blieb in dieser Woche nichts mehr übrig, als vor dem Problem zu kapitulieren und es Horst Seehofer als Chefsache zu übereignen. Jenem Horst Seehofer, der große Teile des Problems überhaupt erst verursacht hat: dadurch, dass er mit Rekordtempo aus der Kernkraft aussteigen wollte und danach fast alle Ersatzlösungen - Windkraft, Wasser, Stromtrassen - zu Teufelszeug machte.

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Immer ist es dasselbe Prinzip. Erst erklärt sich der Freistaat großmäulig und geradezu streberhaft zur Weltspitze in diesem oder jenem Punkt. Dann dreht sich der Wind, man muss in die andere Richtung. Doch weil man zuerst schon sehr weit in die eine gelaufen war, ist es nun doppelt anstrengend, sich in die Gegenrichtung zu bewegen. Seehofers bayerische Amtszeit ist voll von diesen Zick-Zack-Bewegungen. Sie werden mühsamer. Geht ihm nun die Kraft aus? Er wird dünnhäutiger, mancher Auftritt bizarrer, etwa seine Klage, er fühle sich vom BR behandelt, "wie ein infiziertes Geschöpf, mit dem keiner in Berührung kommen soll".

Seehofers Minister kennen seine Abkanzelungen

Kräftezehrend ist sein Regierungsstil in jedem Fall. Der folgt immer demselben Prinzip: Seehofer entdeckt - der Bauch! - ein Thema, das aus seiner Sicht eine kritische Masse der Bevölkerung umtreibt. Er setzt sich drauf, macht Vorgaben, mischt sich ein, springt mit seinen Ministern um, als wären es persönliche Referenten. "Gemäß den vom Ministerpräsidenten bestimmten Richtlinien der Politik führt jeder Staatsminister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung gegenüber dem Landtag", heißt es in der Verfassung. Davon kann inzwischen immer weniger die Rede sein.

Als Kunstminister Ludwig Spaenle in dieser Woche dem Landtag zu Seehofers neuester Volte beim Konzertsaal berichtete, klang es fast schon nach Kapitulation: "Die Aufgabe des Kunstministers ist es, Alternativen vorzubereiten, die Entscheidung ist dann eine politische." Als Wirtschaftsministerin Ilse Aigner ebenfalls in dieser Woche die Ergebnisse ihres Energiedialogs verkündete, hatte Seehofer ihr lange reingeredet, was dabei auf keinen Fall herauskommen dürfe. Ihr blieb nur noch übrig, ein Nicht-Ergebnis zu verkünden und sich dafür in den Medien als weiter geschwächte Kronprinzessin vorführen zu lassen.

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Finanzminister Markus Söder weiß auch genau, wie es ist, wenn Seehofer dazwischengrätscht. Er wurde von Seehofer im September eine Woche lang drangsaliert, nur weil Söder sich öffentlich über Themen geäußert hatte, für die er direkt zuständig ist: etwa über die kalte Progression und den Länderfinanzausgleich. Auch Söder lässt das seitdem bleiben.

Seehofer führt solche Abkanzlungen mutwillig herbei, es ist Teil seines Machtprinzips. Ein wichtiges Kabinettsmitglied, das die Taktik schon oft mitbekam, sitzt in dieser Woche in einer ruhigen Minute da und wird sehr nachdenklich. Das könne so nicht mehr lange gut gehen. Andererseits: Bislang ging es gut für Seehofer, auch weil er in Berlin bayerische Erfolge heraushandeln konnte. Wenn sich das bei der Energiewende wiederholt, wird er es als Bestätigung werten. Wenn nicht, dann wird er wieder den Arm ausfahren.

© SZ vom 07.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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