Ungarn:Orbán droht ein neuer Medienkrieg

Viktor Orban

Viktor Orbán hat schon einige Medienattacken überstanden. Doch dieses Mal hat er einen mächtigen Gegner.

(Foto: dpa)
  • In Ungarn ist ein öffentlicher Streit zwischen Ministerpräsident Viktor Orbán und dem Medienunternehmer Lajos Simicska entbrannt.
  • Der Konflikt entzweit die Medienbranche. Mehrere Chefredakteure sind bereits zurückgetreten.
  • Orbáns Regierung droht massiv an Ansehen zu verlieren.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

"Totaler Krieg" in Ungarns Medienbranche

In Ungarn ist ein Medienkrieg ausgebrochen, der die Regierung massiv zu beschädigen droht - und wenn man einer der Kriegsparteien, dem Medientycoon Lajos Simicska, glaubt, dann ist es ein "totaler Krieg". Simicska war lange einer der wichtigsten Partner und Financiers der Regierungspartei Fidesz. Seit Viktor Orbán 2010 zum zweiten Mal an die Macht kam, hat der Unternehmer von seinen hervorragenden Kontakten in die Regierung enorm profitiert. Etwa 40 Prozent aller Ausschreibungen, bei denen EU-Gelder in Ungarn vergeben wurden, soll er mithilfe seiner Leute im Machtapparat gewonnen haben. Nun folgt der Stimmungswechsel: Simicska hat angekündigt, Orbán vernichten und eine "Diktatur" beenden zu wollen. Er bezeichnet den Premier öffentlich als "Wichser" und spricht davon, dass es ihn nicht wundern würde, wenn er selbst wegen seiner Kampfansage demnächst einem Attentat zum Opfer fallen würde.

Die Medienbranche in Ungarn, die sich in Orbán-Freunde und Orbán-Feinde teilt, ist seither in Aufruhr. Ein Journalist der linken Zeitung Nepszabadsag sagte der SZ, das Ganze sei eine "Mischung aus Trashporno und Seifenoper auf ungarische Art". Peinlich geworden sei die Sache, weil Viktor Orbán offenbar seinem Langzeit-Freund Lajos Simicska "einmal zu viel auf die Füße getreten ist".

Was ist geschehen?

Die Orbán-Regierung hatte zuletzt massive Irritationen ausgelöst, weil sie eine Werbesteuer für Medienunternehmen erfunden hatte. Das größte, der zu Bertelsmann gehörende RTL-Klub, hätte demnach 50 Prozent Steuern auf sein Werbeaufkommen zahlen müssen. Kurz vor dem Besuch von Kanzlerin Angela Merkel vergangene Woche wurde nachverhandelt, nun soll die Mediensteuer gesenkt und einheitlich bei 5 Prozent festgelegt werden. Gut für RTL-Klub, aber schlecht für Simicska, dessen Zeitungen und Radiostationen nun mehr zahlen müssten. Am Freitag sagte Simicska daher dem linken Blatt Nepszava, dieser Vorschlag sei ein "weiterer Anschlag auf die Demokratie". Einer Online-Zeitung sagte er, es gehe ihm nicht um Geld, sondern um die Machtfülle Orbáns, der mit einem Schulterzucken im Land alles entscheiden könne.

Simicskas Chefredakteure sind zurückgetreten

Simicska flippte aus, als er kurz darauf hörte, dass die Führungsriege seiner wichtigsten Medien zurückgetreten war, darunter die Chefredakteure von Magyar Nemzet, des Senders Hir-TV und von Radio Lanchid. Ihr Argument, wie es in ungarischen Medien kolportiert wird: Gewissensgründe. Der gewöhnlich gut informierte Blogg hungarianspectrum will wissen, dass man nicht "gegen Viktor Orbán arbeiten" wolle. Danach bekam der Medienzar einen Wutanfall. Simicska, von dem es kaum Fotos gibt und der Interview bisher ablehnte (zwei Anfragen der Süddeutschen Zeitung hat er nicht beantwortet), gab nun Interviews ohne Ende, brüllte in jedes Telefon Beleidigungen gegen den Premier, gegen dessen Russland-Politik, gegen seine Machtfülle. Er übernahm kurzerhand selbst die Chefredaktion bei Hir-TV und drohte, die Berichterstattung nun kritischer und politischer zu machen. Regierungskritischer, also.

Das sind die Gründe für den Aufruhr

Der renommierte Kulturwissenschaftler Peter György, der an der Universität Elte lehrt, sagte der SZ, in diesem Krieg gehe es zum Teil um persönliche Enttäuschung, zum Teil um finanzielle Gründe. Simicska habe Orbán jahrelang unterstützt, aber dieser Bruch habe sich schon vor Monaten angekündigt. Auch andere Medien in Ungarn hatten berichtet, dass dem Premier der Monopolist Simicska zu einflussreich geworden sei und dass umgekehrt der Medienunternehmer überlegt hatte, selbst bei Nachwahlen in einem Kommunalparlament gegen Fidesz anzutreten. Sollte sich dieser Kampf der Giganten ausweiten, so György, dann könne das ein Fanal für die Regierung Orbán sein. "Simicska war ein Mitglied des Clubs, der Familie. Wenn er so über Orbán redet, dann will er einen richtigen Skandal".

Für Orbán könnte die Sache aus einem anderen Grund problematisch werden: RTL-Klub hatte im Streit um die Werbesteuer seine kritische Berichterstattung intensiviert; das hatte Orbán umgehend Stimmen gekostet. Nun, da die Bertelsmann-Tochter befriedet werden soll, dürfte der Gegenwind aus Simicskas Medien zunehmen.

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