Hamburger Wahlsieger Olaf Scholz:Der Fleißige triumphiert

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Olaf Scholz führt seine Hamburger SPD zum nächsten Wahlsieg. (Foto: REUTERS)
  • Der neue alte Bürgermeister Scholz ist von auffälliger Unauffälligkeit. Das sagt einiges aus über die reduzierten Erwartungen an die Politik und über die politischen Enttäuschungen der vergangenen Jahre.
  • Auch in anderen Bundesländern zeigt sich dieses Phänomen - die "Schule Merkel" prägt den Politikstil.
  • Wenn immer mehr merkelige Politiker regieren, wird die Sehnsucht nach Alternativen wachsen.

Von Heribert Prantl

Olaf Scholz steht für einen erfolgreichen neuen Politikertypus in Deutschland: Er gehört zu den Politikern, deren Leidenschaft die Leidenschaftslosigkeit ist. Wahrscheinlich hätte heute selbst ein Willy Brandt in Hamburg nicht so viel Erfolg wie Olaf Scholz. Der Wähler sucht nicht mehr nach den Leuten, die Visionen haben; er wählt die, die er für verlässlich und ordentlich hält.

Olaf Scholz verkörpert Verlässlichkeit; das ist sein Erfolgsrezept. Er ist nicht populistisch, er ist nicht markant, schon gar nicht ist er charismatisch. Er ist kein großer Redner, aber auch kein Sprücheklopfer; er ist von auffälliger Unauffälligkeit. Scholz ist ein ausdauernder politischer Arbeiter, der ohne Gehabe und ohne Eskapaden seine Arbeit macht. Das reicht für eine ordentliche Mehrheit; und das sagt auch einiges aus über die reduzierten Erwartungen an die Politik und über die politischen Enttäuschungen der vergangenen Jahre.

Der Wähler ist enttäuscht von denjenigen, die das Große versprochen und nicht gehalten haben; er misstraut daher den Inhalten und Programmen, er erkennt, dass sich die größeren Parteien in den wesentlichen Linien ihrer Politik nicht mehr unterscheiden. Der Wähler hält sich an persönliche Eigenschaften der Politiker - er mag es seriös und gediegen; und wer von der Seriosität gerade gelangweilt ist, greift zu einem der wechselnden flirrenden Angebote. Das kam diesmal in Hamburg von der flamboyanten FDP-Kandidatin Katja Suding.

Warum Scholz siegt, die CDU heult und die FDP noch Chancen hat

Persönliche Eigenschaften: Der Wähler in Brandenburg mag die bedächtige Art des Dietmar Woidke; der in Niedersachsen die brave Normalität des Stephan Weil. Der Wähler in Berlin liebt den büroklammerschmalen Michael Müller, der so überhaupt nichts Wowereitisches mehr hat. Der Wähler in Meck-Pomm hält sich an den netten Erwin Sellering und der in Bremen an den bescheidenen Jens Böhrnsen. Das alles sind SPD-Ministerpräsidenten, die über ihre Länder hinaus kaum bekannt sind; das macht den Wählern nichts aus: Wichtig ist ihnen, dass ihre Ministerpräsidenten unaufgeregt ihre Arbeit machen und umsichtig die Verwaltungsmaschinerie des Landes bedienen; die Wähler schätzen Politiker, die Hausmeister des politischen Betriebs sind. Wer im Amt ordentlich ist, bleibt im Amt.

Unter den Ordentlichen im Land ist Olaf Scholz der effizienteste. Einen Zweiten seiner Art brauchten die Wähler in Hamburg nicht - das erklärt die desaströse Niederlage der CDU und ihres sehr respektablen Kandidaten Dietrich Wersich. Die Bedürfnisse der Verlässlichkeit und Ordentlichkeit werden von Scholz wunderbar bedient. Und weil Scholz schon erprobt und bewährt ist, sah der Hamburger Wähler keinen Bedarf, dessen Gegenkandidaten von der CDU auszuprobieren. Man probierte lieber die AfD.

Die Wählerschaft ist auch in Zeiten, in denen die "Schule Merkel" den Stil der Politik prägt und in den Bundesländern immer mehr merkelige Politiker regieren, kein monolithischer Block. Ein kleinerer oder größerer Teil der Wählerschaft hat immer Lust auf Eskapaden und Alternativen - die von Regierungspolitikern und etablierten Parteien nicht befriedigt wird. Das erklärt den Erfolg der AfD, die ein versprengtes konservatives Bürgertum sammelt, das von CDU und SPD nicht gebunden wird. Das erklärt auch den Erfolg der FDP, der mit ihrer Kandidatin Suding ein fulminanter Kontrastwahlkampf zum Gediegenheitswahlkampf des Olaf Scholz gelungen ist. Suding hat ihrer Partei keine neuen Inhalte eingeblasen, aber sie hat die Tristesse weggeblasen. Das war ein spektakelhaftes Kunststück, vielleicht auch ein Hinweis darauf, dass es für die FDP ein Leben nach dem Tode gibt.

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Suding hat in ihrem Wahlkampf erklärt, es sei wichtig, "dass die Politik es schafft, für Aufmerksamkeit zu sorgen". Irgendeine Art von Aufmerksamkeit? Für eine Wiedergeburt der FDP ist das noch keine hinreichende Bedingung. Nach den Späßen der Westerwelle-FDP wird eine erneuerte FDP mehr bieten müssen als Glamour und Klamauk. FDP-Parteichef Christian Lindner versucht, in seiner Person die liberale Dreifaltigkeit - Genscher, Lambsdorff, Baum - zu verkörpern. Erst der Erfolg dieses Versuchs wird über die Zukunft der FDP entscheiden.

Der Ersatz demokratischer Gestaltung entweder durch effiziente Verwaltung oder gar durch bloßen Klamauk ist Kennzeichen der Postdemokratie. Lebendige Demokratie ist etwas anderes, nämlich die Beteiligung der Bürger an der Gestaltung der Gesellschaft. Wenn nun immer mehr merkelige Politiker regieren, wird die Sehnsucht nach Alternativen, nach Anderem und Anderen, nach Inhalten und Zukunftsentwürfen wachsen. Aber noch lebt das Land in der Merkel-Scholz-Zeit - mit den Einsprengseln Suding und Lucke.

© SZ vom 16.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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