Rosenmontagszug in Köln:"Et hätt noch immer jot jejange!"

In Braunschweig wird der Karnevalsumzug wegen Terrorgefahr abgesagt. Die Jecken am Rhein haben trotzdem keine Angst. Die Menschen feiern, rufen nach Kamelle. Erst als der Motivwagen zu "Charlie Hebdo" vorbeifährt, wird es still.

Von Jannis Brühl, Köln

Selbst die betrunkensten Verkleideten, die Piraten, Cowboys und Clowns, die den Kölner Rosenmontagszug säumen, verstummen, als der Charlie-Hebdo-Wagen die Straßen entlangfährt: die überlebensgroße Figur eines Karikaturisten, der inmitten abgehackter Buntstifte steht, die aus dem Boden ragen. Er wässert den einzigen Buntstift, der nicht zerstört ist, auf ihm steht: "Narrenfreiheit". Daneben liegt der Kopf eines vermummten Terroristen. Erst nach einigen Trauersekunden feiern die Jecken weiter. Überraschend hatten die Veranstalter den Anschlag auf die Satirezeitschrift in Paris doch noch mit einem Wagenmotiv kommentiert, nachdem sie ihn zunächst zurückgezogen hatten.

Dass der Karnevalsumzug in Braunschweig am Sonntag wegen konkreter Anschlagspläne abgesagt worden war, verschaffte den Zügen im Rheinland am Montag besondere Aufmerksamkeit.

Im Düsseldorfer Zug werden die Morde von Paris drastischer kommentiert. Ein Wagen zeigt einen kopflosen Mann auf der Flucht vor einem Maskierten, der ein bluttiefendes Schwert schwingt. Der Flüchtende trägt ein Charlie Hebdo-Magazin vor sich her, aus seinem offenen Hals schiebt sich eine Sprechblase: "Satire kann man nicht töten".

Rosenmontag Düsseldorf

Drastischer: Der Charlie-Hebdo-Wagen in Düsseldorf.

(Foto: dpa)

"Man kann sich das Feiern nicht verbieten lassen"

Es braucht mehr als eine Terrordrohung in Niedersachsen, um den Kölner vom "Zoch" fernzuhalten, wie der Umzug hier heißt. "Unheimlich" sei die Sache in Braunschweig, sagt ein junger Mann im Robin-Hood-Kostüm am Straßenrand. "Aber man kann sich das Feiern ja nicht verbieten lassen." Hunderttausende gehen in Köln und Düsseldorf auf die Straßen, tanzen in der Sonne und rufen nach "Kamelle!" - Süßigkeiten, die von den Zugteilnehmern in die Menge geworfen werden. Am Ende bleibt die größte Gefahr, von fliegender Zuckerware im Gesicht getroffen zu werden.

Zu verstärkten Sicherheitsmaßnahmen will sich eine Sprecherin der Kölner Polizei nicht wirklich äußern: "Die Sicherheitslage ist keine andere als in den vergangenen Jahren. Da gab es auch immer wieder Warnungen." Polizisten laufen vereinzelt im Zug mit, massive Präsenz ist aber nicht zu erkennen - abgesehen vom Trend unter jungen Männern, sich martialisch mit schwarzen Polizeiwesten mit dem Aufdruck "FBI" zu verkleiden.

Jecken ohne Angst

Der Kölner Charlie-Hebdo-Wagen sollte ursprünglich anders aussehen. In einer Facebook-Abstimmung hatte das Motiv gewonnen, auf dem der abgebildete Karikaturist den Bleistift in den Lauf des Gewehres in den Händen des Terroristen rammt. Daneben sollten Fotos der ermordeten Karikaturisten gezeigt werden. Nach Medienberichten über die angebliche Gefahr eines Anschlags auf den Wagen hatte das Festkomitee das Motiv zurückgezogen. Nun wurde es in anderer Version gezeigt.

Peter Krautscheid steht unter Strom, aber nicht wegen der Terrorgefahr. Er trägt die Verantwortung, dass in der Kölner "Bürgergarde Blau-Gold" alle gut sitzende Uniformen und Dreispitze mit weißen Perücken tragen. Braunschweig sei ein Thema in der Garde, sagt er: "Das ist natürlich übel hoch drei. Für Köln wäre eine Absage der Super-Gau." Aber solange der Zug laufen darf, ist er dabei: "Wir haben nur Angst vor schlechtem Wetter." Sonst werde es ungemütlich, fünf Stunden durch die Stadt zu laufen.

"Et hät noch immer jot jejange!"

Am Rhein ist der Karneval stärker verwurzelt als in Braunschweig, dort gibt es den Umzug erst seit 1979. Der Kölner Zug wurde zuletzt 1991 wegen des Golfkriegs abgesagt.

Jetzt bewahrheitet sich, was als "Paragraph 3 des Kölschen Grundgesetzes", auf dem rot-weißen Overall eines Karnevalisten mit Bommelmütze steht: "Et hätt noch immer jot jejange!" Es ist noch immer gut gegangen. Auch dieses Mal.

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