CIA-Folterbericht:Grüne werfen Bundesregierung "unglaubliche Ignoranz" vor

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Die USA weigern sich, Deutschland die vollständige Fassung des CIA-Folterberichts zu übergeben. Die Bundesregierung wehrt sich nicht dagegen. Rechtsausschuss-Chefin Künast ist sauer - es geht schließlich auch um Fälle, die Deutschland betreffen.

Von Robert Roßmann, Berlin

Renate Künast ist richtig sauer. Es ist ja nicht so, dass sie die Sachzwänge und Nöte nicht kennen würde, denen Regierende oft ausgesetzt sind. Die Grünen-Politikerin war selbst Bundesministerin. Aber in diesem Fall findet sie die Zurückhaltung der Regierung einfach skandalös. "Diese Ignoranz gegenüber massiven Menschenrechtsverletzungen ist unglaublich", schimpft Künast. Es gehe hier immerhin um "Folter an deutschen Staatsangehörigen". Aber die Regierung wolle "einfach zur Tagesordnung übergehen".

Das ist selbst aus dem Mund einer Oppositionsabgeordneten eine ungewöhnlich harsche Klage. Um was geht es da?

Am 8. Dezember hatte der Geheimdienstausschuss des US-Senats einen Bericht über die Folterpraxis der CIA veröffentlicht, allerdings nur zum Teil. Der gesamte Bericht umfasst mehr als 6000 Seiten. Veröffentlicht wurde jedoch nur die 499 Seiten starke Zusammenfassung - und selbst in dieser wurden noch viele Stellen geschwärzt. Zu den von der CIA als "erweiterte Verhörmethoden" verharmlosten Folterpraktiken zählen unter anderem simuliertes Ertrinken, Schlafentzug oder tagelanges Liegen in Holzkisten. In dem Bericht geht es auch um den Fall des deutschen Staatsbürgers Khaled El-Masri, der von der CIA entführt und gefoltert wurde.

Die Grünen forderten die Bundesregierung deshalb umgehend auf, sich in den USA darum zu bemühen, dass der gesamte CIA-Bericht dem Bundestag zur Verfügung gestellt wird. Schließlich sei davon auszugehen, dass in dem Bericht weitere Fälle mit einem Bezug zu Deutschland aufgeführt seien. Die Grünen denken dabei etwa an die Zwischenlandung von Flugzeugen in Deutschland, "in denen sich rechtswidrig festgenommene oder verschleppte Menschen befanden, um sie Verhören der CIA zuzuführen".

Um zumindest die Taten aufklären zu können, die einen Zusammenhang zu Deutschland haben, benötige der Bundestag den ganzen Bericht, so die Grünen. Selbstverständlich werde das Parlament dabei etwaige Vorgaben der USA zur Geheimhaltung beachten.

Am 17. Dezember war dann Generalbundesanwalt Harald Range zu einem Gespräch im Rechtsausschuss des Bundestags. Dessen Vorsitzende ist Künast. Dabei versicherte Range den Abgeordneten, er werde sich um eine vollständige Fassung des CIA-Berichts bemühen.

Am 30. Januar debattierte der ganze Bundestag über den Antrag der Grünen. Für die Unionsfraktion beklagte der Abgeordnete Frank Heinrich, dass bisher nur ein kleiner Teil des CIA-Berichts veröffentlich worden sei. "Man bekommt Angst, wenn man sich vorstellt, was auf den restlichen Seiten oder unter diesen geschwärzten Stellen des Berichts noch verborgen sein könnte", sagte Heinrich. Seine Fraktion verlange deshalb "eine vollständige Aufklärung" von den USA. Gerechtigkeit beginne mit dem Aufdecken der Wahrheit. Insofern stimme er dem Anliegen des Grünen-Antrags zu, sagte Heinrich. Doch dann machte der CDU-Abgeordnete eine Volte. Er verwies auf den Auftritt des Generalbundesanwalts im Rechtsausschuss. Da dieser sich bereits um den vollständigen CIA-Bericht bemühe, erübrige sich der Grünen-Antrag, sagte Heinrich.

Regierung will nur "zu gegebener Zeit erwägen", wie sie auf die Weigerung der USA reagiert

Die Rednerin der SPD argumentierte ähnlich. Angelika Glöckner sagte: "Wir als Parlamentarier wie auch die Bundesregierung müssen den USA deutlich machen, dass wir Menschenrechtsverletzungen in keinem Fall hinnehmen". Insofern sei sie "dankbar" für den Antrag der Grünen. Allerdings sei es "Sache des Generalbundesanwalts, hier tätig zu werden". SPD und Union lehnten den Antrag deshalb mit Verweis auf Ranges Engagement ab.

Künast hat deshalb beim Generalbundesanwalt nachfragen lassen, wie es um seine Bemühungen steht, auf die Union und SPD so viel geben. Das Ergebnis ist ernüchternd. Statt Range antwortete jetzt das Justizministerium der Rechtsausschuss-Vorsitzenden. "Herr Generalbundesanwalt Range hat Ihre Anfrage an das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz weitergeleitet", schreibt Staatssekretär Christian Lange darin an die "Sehr geehrte Frau Vorsitzende". Er könne mitteilen, dass die US-Regierung "klargestellt" habe, sie werde "einer Freigabe des vollständigen CIA-Berichts nicht zustimmen". Es werde "zu gegebener Zeit zu erwägen sein, welche Folgen sich aus der eindeutigen Haltung der amerikanischen Regierung ergeben werden".

Es ist genau dieser Satz, der Künast so empört. Dass die Bundesregierung die Weigerung der USA so lapidar hinnehme, sei unglaublich, findet Künast. "Zu gegebener Zeit zu erwägen - wollen die warten, bis alle Taten verjährt sind", fragt die Grüne. Sie erwarte von der Bundesregierung schon aus Selbstachtung "deutlich mehr Nachdruck".

© SZ vom 18.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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