Entscheidung der US-Aufsichtsbehörde FCC:Was Sie über Netzneutralität wissen sollten

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Demonstration für Netzneutralität vor dem Hauptsitz der FCC im vergangenen Jahr in Washington

(Foto: AFP)

Die US-Aufsichtsbehörde FCC stärkt die Neutralität des Internets und erfüllt damit Hoffnungen von Konzernen wie Google oder Netflix. Warum ein amerikanisches Gesetz für deutsche Internet-Nutzer wichtig ist.

Von Simon Hurtz und Matthias Huber

Was genau ist Netzneutralität?

Im Internet gibt es drei große Parteien: Nutzer, Inhalte-Anbieter und Netzbetreiber. Ein neutrales Netz transportiert alle Daten gleich schnell und in gleicher Qualität. DSL- und Kabelbetreiber unterscheiden nicht, welche Kunden welche Inhalte von welchem Dienstleister anfordern.

Ein konkretes Beispiel: Wenn ein Kunde der Deutschen Telekom einen Artikel auf der Homepage der Süddeutschen Zeitung liest, müssen diese Datenpakete genauso behandelt werden wie eine E-Mail oder ein Youtube-Video. Das World Wide Web funktioniert in dieser Betrachtungsweise wie eine Wasserleitung. Der ist es auch egal, aus welcher Quelle das Wasser kommt und ob es zum Duschen oder zum Blumengießen genutzt wird.

Was spricht gegen Netzneutralität?

Gegner der gesetzlich festgeschriebenen Netzneutralität sind die Netzbetreiber. Sie argumentieren, dass die weltweite Bandbreite seit Jahren steige und der Platz im Internet begrenzt sei. Wie auf einer normalen Straße komme es auf den Datenautobahnen irgendwann zum Stau. Um den teuren Ausbau der Leitungen zu finanzieren, wollen sie quasi kostenpflichtige Überholspuren einbauen: Wenn ein Anbieter möchte, dass seine Inhalte schneller bei den Kunden ankommen, müsse er dafür extra zahlen.

Außerdem gebe es Spezialdienste wie etwa die Telemedizin, die auf störungsfreie Hochgeschwindigkeits-Leitungen angewiesen seien. Deshalb müsse es erlaubt sein, bestimmte Daten zu bevorzugen. Ein weiteres Argument: Gerechtigkeit. Eine Minderheit beanspruche einen Großteil der Bandbreite. Gelegenheitsnutzer dürften nicht die Anschlüsse anderer Kunden querfinanzieren, die regelmäßig große Dateien aus Tauschbörsen herunterladen oder Online-Videotheken nutzen.

Außerdem hätten Nutzer meist die Wahl zwischen mehreren Anbietern. Wer mit dem Angebot seines Providers nicht zufrieden sei, könne jederzeit zur Konkurrenz wechseln. Der freie Markt sorge dafür, dass Netzbetreiber ihre Marktmacht nicht ausnutzen und im eigenen Interesse darauf verzichten würden, allzu hohe Aufschläge für schnelle Verbindungen zu verlangen.

Was spricht für Netzneutralität?

Die Befürworter der Netzneutralität nutzen oft den Begriff "Zwei-Klassen-Internet". Sie befürchten, dass es sich nur wenige Firmen leisten könnten, ihre Dienste und Inhalte bevorzugt behandeln zu lassen. Dann würden beispielsweise Youtube-Videos störungsfrei in HD laufen, weil Google den Netzbetreibern genug Geld dafür zahle - bei kleineren Konkurrenten reiche es nur noch für mittlere Auflösung, während Start-ups gar keine Chance mehr hätten und völlig ausgebremst würden. In einem nicht-neutralen Netz wäre der Status der heutigen Big-Player aus dem Silicon Valley zementiert.

Zugang zum Internet gehöre heutzutage zur Grundversorgung, der Breitbandausbau sei vorrangig eine politische Aufgabe. Statt diese Infrastruktur privatwirtschaftlichen Interessen zu überlassen, indem Netzneutralität aufgeweicht werde, müsse die Politik in eine bedarfsgerechte Versorgung investieren. Würden Krankenwagen durch Schlaglöcher ausgebremst, käme auch niemand auf die Idee, Privatstraßen für Rettungskräfte zu bauen, sondern würde stattdessen die Sanierung des Straßennetzes fordern.

Auch Datenschützer sind skeptisch: Wenn Netzbetreiber Inhalte unterschiedlich behandeln, müssten sie dafür alle Datenpakete im Detail analysieren, um zu unterscheiden, ob es sich um ein Netflix-Video - schnelle Weiterleitung, Netflix hätte im hypothetischen Fall schließlich bezahlt - oder einen Film von Maxdome handelt, die sich die Priorisierung nicht leisten können. Diese sogenannte Deep Packet Inspection (DPI) interpretieren Kritiker als einen Verstoß gegen das Kommunikationsgeheimnis.

Was die FCC vorhat und was das für Deutschland bedeutet

Was hat die FCC vor?

Tom Wheeler, Chef der US-Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC), möchte, dass das Internet "heute und künftig für alle Amerikaner" offen zugänglich bleibt. Anfang Februar hat er in einem Gastbeitrag für die amerikanische Wired die Vorschläge präsentiert, mit denen er sich nun durchgesetzt hat. Breitband- und Mobilfunk-Internetanschlüsse werden nun ähnlich wie Strom- oder Wassernetze als "öffentliche Versorgung" klassifiziert und reguliert. Die neuen Regeln verhindern, dass Internetprovider aus finanziellen Interessen bestimmte Datenpakete bevorzugen und Web-Angebote der Konkurrenz drosseln oder gar blockieren können.

Warum ist die Entscheidung der FCC für deutsche Nutzer wichtig?

Auch in Europa wird seit vielen Jahren über die Netzneutralität diskutiert. Im Dezember sprach sich Bundeskanzlerin Angela Merkel zwar für theoretisch neutrale Übertragungswege im Internet aus, forderte aber sogleich Sonderregelungen beispielsweise für Infrastruktur. Man brauche "das freie Internet und das für Spezialdienste", sagte sie. Auch auf EU-Ebene ringt das EU-Parlament, das eine Gleichbehandlung aller Daten im Netz fordert, mit mehreren Mitgliedsstaaten.

Da in Europa Internet-Dienstanbieter wie Google oder Netflix ein Millionenpublikum erreichen, hat die amerikanische Regelung großen Einfluss auf den europäischen Markt. Die Entscheidung in den USA kann deshalb auch in Deutschland und Europa Vorbildcharakter entwickeln. Kritiker warnen aber davor, ein besonders strenges amerikanisches Modell für Europa einfach zu übernehmen: Immerhin handelt es sich bei vielen großen europäischen Internetprovidern um ehemalige Staatskonzerne, die bereits jetzt stärker reguliert werden als die entsprechenden Firmen aus den USA.

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