Lega Nord in Italien:Matteo gegen Matteo

Lega Nord in Italien: Ein versierter Populist: Lega-Nord-Chef Matteo Salvini auf einer Demonstration von Rechten in Mailand. Auf seinem T-Shirt: "Stoppt die Invasion".

Ein versierter Populist: Lega-Nord-Chef Matteo Salvini auf einer Demonstration von Rechten in Mailand. Auf seinem T-Shirt: "Stoppt die Invasion".

(Foto: Marco Bertorello/AFP)

Lega-Nord-Chef Matteo Salvini schwingt sich mit radikalem Gerede zum Anführer der italienischen Rechten auf. Und zu einem ernsten Widersacher des Premiers Matteo Renzi. Der Wettbewerb zwischen den beiden wird Italiens Politik in den kommenden Jahren prägen.

Von Oliver Meiler

Keine Stunde ohne neue Botschaft, keine verschenkte Minute. Das Mitteilungsbedürfnis des Mailänders Matteo Salvini ist so groß, dass er nicht nur viel redet, überall, auf allen Radio- und Fernsehkanälen, dabei mit Vorliebe laut gegen den Euro und Europa lärmt, gegen Einwanderer und den Islam. Der Parteichef der rechtspopulistischen Lega Nord findet sogar auch noch Zeit, rund um die Uhr zu posten und zu tweeten, Politisches, Banales, oft auch Denkwürdiges.

Den Euro nennt er ein "Verbrechen gegen die Menschheit" oder eine "kriminelle Währung". Bootsflüchtlinge, findet er, ließe man am besten einfach auf hoher See in ihren Booten sitzen: "In Italien ist kein Platz mehr für Immigranten, für keinen einzigen: basta!" Am Weihnachtsabend fragte er seine vielen Freunde auf Facebook, ob sie denn gerade essen oder fernsehen würden. Salvini gibt keine Ruhe.

Wenn man wollte, könnte man den ganzen Tag damit verbringen, ihm zuzuhören, zu folgen, ihn zu liken. Oder ihn eben nicht zu mögen. Und das tun bisher noch immer die meisten Italiener, trotz allen Erfolgs, den der 41-jährige Rechtspopulist und Provokateur in diesen Krisenzeiten hat.

Ignorieren kann man Salvini nicht

Nur ignorieren kann man ihn nicht, an diesem Samstag schon gar nicht. Für diesen Tag hat sich der Parteichef für seinen Auftritt gegen die Regierung eine der schönsten Bühnen im Land herrichten lassen: Piazza del Popolo, Rom, 15 Uhr.

50 000 Anhänger werden erwartet, vier Sonderzüge und 200 Busse sind unterwegs. Die meisten kommen aus dem Norden, dem Heimterrain der Lega, einige aber auch aus dem Süden, den neuen Jagdgründen der Partei. Nicht weit haben es die Nostalgiker Mussolinis, Salvinis Freunde von der "Casa Pound", einer römischen Vereinigung von Neofaschisten. Die Polizei befürchtet Ausschreitungen, wüste Zusammenstöße zwischen Faschisten und Antifaschisten, die gleichzeitig durch Rom marschieren werden. Für Salvini kann es nicht genug Schlagzeilen geben.

Auf der Bühne wird er wahrscheinlich wieder das T-Shirt tragen, mit dem er sich nun schon seit Wochen allenthalben zeigt: "Renzi a casa!", steht da drauf, "Renzi nach Hause!" Gemeint ist Matteo Renzi, der italienische Ministerpräsident. Denn ja, Salvini stanzt und druckt seine Vorstellungen gerne auch auf die Kleidung, wie eine wandelnde Litfaßsäule, als dünkte es ihn, das viele Reden, Posten und Tweeten reiche nicht aus für das große Duell.

Beide lernten von Berlusconi

Matteo vs. Matteo. Der Wettbewerb zwischen diesen beiden fast gleichaltrigen Aufsteigern, zwischen dem linksliberalen Renzi und dem rechtsradikalen Salvini, wird Italiens Politik in den kommenden Jahren prägen. Zunächst in der Propaganda, im Kommunikativen. Beide sind in den Berlusconi-Jahren aufgewachsen und politisch sozialisiert worden. Geprägt von der seichten Fernsehkultur aus Cologno Monzese bei Mailand, wo Silvio Berlusconis Konzern Mediaset seine Studios hat. Beide traten, als sie noch jünger waren, in dessen Quizsendungen auf. Es gibt Archivmaterial davon. Beide lernten sie von Berlusconi, wie man die Italiener für Politik gewinnt: mit Slogans, mit Show, mit Metaphern aus dem Fußball. Beide sind Meister darin.

Doch Renzi ist schon oben angekommen und stark. "Der andere Matteo", wie Salvini genannt wird, muss sich erst noch als Anführer der Rechten und als Oppositionschef durchsetzen. Vielen Bürgerlichen ist er zu extrem, den Zentristen sowieso.

Die jüngsten Umfragen zu den Wahlabsichten der Italiener zeigen aber, dass seine neu positionierte Lega Nord Berlusconis Forza Italia abhängt - 16 zu elf Prozent. Viele politische Fachleute deuten dies als Zeichen für eine nachhaltige Trendwende.

Es ist gerade besonders leicht, das rechte Lager Italiens aufzumischen. Fragmentierung und Konfusion sind weit fortgeschritten, die Figuren verbraucht. Und Berlusconis Ära dämmert nach mehr als 20 Jahren wohl unweigerlich dem Ende entgegen, gezeichnet von Skandalen, politischen Verirrungen und natürlicher Abnützung. Salvini möchte ihn beerben.

Lega Nord in Italien: Viel Rauch in Mailand: Anhänger der Lega Nord demonstrieren gegen Einwanderer.

Viel Rauch in Mailand: Anhänger der Lega Nord demonstrieren gegen Einwanderer.

(Foto: Marco Bertorello/AFP)

Salvini war fasziniert von Umberto Bossi

Ideologisch kommt er aber aus einer anderen Ecke. Mit 17 Jahren trat Salvini, der aus einem gutbürgerlichen Elternhaus kommt und ein klassisches Gymnasium besuchte, der Lega Nord bei.

Er war fasziniert vom Gründer und Tribun der Partei, von Umberto Bossi, der mit Lokalfolklore und mittelalterlichen Riten das Narrativ für eine neu zu gründende Nation schusterte: Padanien, das Fantasieland entlang dem Fluss Po, vom Piemont über die Lombardei ins Veneto, diente ihm als Antithese zu Italien - geschäftig, verlässlich, angeblich frei von Mafia und Korruption. Sehr ernsthaft war das Projekt der Abspaltung zwar nie, doch es befeuerte in vielen Norditalienern den Stolz auf ihre Scholle.

Mit 20 war Salvini schon Mailänder Gemeinderat, arbeitete für die Parteizeitung La Padania, dann war er Direktor von Radio Padania, dem Parteiradio. Sein Geschichtsstudium beendete er nie. Es gab Zeiten, da fand Salvini, man müsste in der Mailänder U-Bahn Abteile für "ursprüngliche Lombarden" und solche für Zugewanderte einrichten, Restitaliener inklusive.

Im vorigen Herbst reist Salvini nach Nordkorea - und fand dort alles gar nicht so schlimm

Als Bossi vor zwei Jahren die Parteileitung wegen einer Serie von Finanzskandalen aufgeben musste, rückte Salvini nach. Eine stattliche Mehrheit der Basis wählte den Europaabgeordneten zum neuen Generalsekretär. Es war eine düstere Zeit für die Lega Nord, denn sie war auf ein Rekordtief gefallen: auf vier Prozent bei den Parlamentswahlen 2013. Man fragte sich, ob die Partei den Sturz Bossis überhaupt überleben würde.

Doch Salvini verordnete der Lega einen abrupten Wandel, behalten wollte er nur die alte Fremdenfeindlichkeit und das Poltern gegen die Europäische Union. Von Sezession dagegen war fortan keine Rede mehr. Die Partei sollte ihre Wähler nicht mehr nur im Norden suchen, sondern überall im Land, selbst im oft vermaledeiten Mezzogiorno. Salvini reiste dorthin, ließ sich mit Eiern bewerfen, beharrte aber auf der gesamtnationalen Strategie. Könnte er, würde er wohl den Parteinamen ändern - in Lega Nazionale vielleicht.

Vorbild ist der französische Front National

Für die Metamorphose ließ sich Salvini vom französischen Front National inspirieren. Er ist ein Fan von Marine Le Pen. Sie wiederum sagt von Salvini, er sei eine "bemerkenswerte Persönlichkeit". Unlängst fuhr Salvini als Gast zum Kongress des Front National und wurde wie ein Star gefeiert. Auf der Piazza del Popolo soll nun eine Videobotschaft Le Pens gezeigt werden.

Beide teilen auch die Verehrung für Wladimir Putin, den anderswo geächteten russischen Präsidenten, man bekundet sie ganz offen. Für Le Pen und Salvini ist Putin ein Opfer des Westens, und die Sanktionen sind des Teufels. Von Le Pen ist bekannt, dass sie Geld aus Russland erhält. Salvini sagte einmal, er beneide sie darum. Viel mehr Harmonie geht nicht. Salvini arbeitet an einem Klon des Front National.

Im vergangenen Herbst reiste er nach Nordkorea, aus Neugierde, wie er sagte, und fand dort alles gar nicht so schlimm. "Ich blieb fünf Tage, Internet und Handy funktionierten nicht - das war eine unbezahlbare Erfahrung. Sie allein war die Reise wert." Und die Italiener hörten und sahen mal fünf Tage nichts vom anderen Matteo, keinen Slogan, kein Post, kein Tweet, keine Denkwürdigkeit.

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