BR-Film über Veronica Ferres:Heldin in der eigenen Aufstiegssaga

Lebenslinien Veronica Ferres

Zum Klischee erstarrt: Veronica Ferres mit ihrem Vater.

(Foto: BR)

Zwischen Bratkartoffeln und Apfelkuchen zeigt eine BR-Dokumentation die Schauspielerin Veronica Ferres verdächtig unkritisch. Der Film bettelt um Wärme - und reißt die wirklich spannenden Fragen nur an.

Von Cornelius Pollmer

Februar 1999, die Dietl-Satire Late Show kommt heraus, in der Schlusssequenz sitzt Veronica Ferres in einer von Thomas Gottschalk moderierten Talkshow. Sein Liebstes im Fernsehen? Ganz klar Tierfilme, sagt Gottschalk. Ferres, beipflichtend: "Die sind so menschlich!" Januar 2012, Hajo Schumacher ist bei Markus Lanz zu Gast, es geht um Flucht und Vertreibung nach dem Krieg. Schumacher sagt, seine Generation kenne die Flucht so: "Veronica Ferres übers Haff, ein Gesichtsausdruck."

13 Jahre liegen zwischen Film- und Fernsehmoment. Man wüsste nun gerne, wie die wuchtbrummkreiselige und durchaus selbstironische Schauspielerin Veronica Ferres erstarren konnte zu ihrem eigenen Klischee und wie sich zwischen ihr und der Kritik ein so gewaltiges und gegenseitiges Unverständnis herausbilden konnte, mit einem beachtlichen Wert auf der nach oben offenen Til-Schweiger-Skala. Für das Porträt Es muss doch mehr geben im Leben hätten Jörg Seewald und Stefanie Illinger diesen Fragen nachgehen können. Dass sie sich anders entschieden haben, ahnt man schon nach weniger als drei Minuten. Da behauptet Seewald in eitelkeitseitriger Selbstüberschätzung, er werde Ferres in diesem Film "so nahekommen, dass der Mensch hinter dem Star sichtbar wird."

Tatsächlich haben Seewald und Illinger eine Doku gedreht, die eher so geraten ist, wie viele sich eine typische Rolle von Veronica Ferres vorstellen - etwas unbeholfen, im Kern verdächtig unkritisch, mit einer zuweilen anstrengend stilisierten Aufstiegsgeschichte. Wenigstens beginnt der Film mit wertvoller Nähe, im Elternhaus in Solingen. Als Kinder seien sie im Kohlehaufen herumgeklettert, erinnert sich Ferres, und sie erinnert sich auch daran, wie sie und ihre Brüder von Mitschülern als "Menschen zweiter Klasse" beschimpft wurden.

Doku? Mondamin-Movie!

Und dann? Gibt es viel heiße Luft. Die Flucht der Ferres von zu Hause, Magersucht, Geierwally und der fortwährende Kampf gegen was auch immer im Weg zu stehen scheint - das alles wird erzählt, wie man es nicht einmal im Presseheft formulieren sollte. Der Film bettelt zuweilen um Wärme, Kartoffeln werden gebraten, Apfelkuchen wird gebacken. Das macht die Doku zu einem Mondamin-Movie, der ein bisschen zu sehr nach Glutamat schmeckt. Wirklich spannende Fragen wie jene nach dem Widerstreit von Ruhm und privatem Reichtum reißt der Film hingegen nur an.

Die Leistung der Doku besteht womöglich darin, den Mythos Ferres nicht erklären zu können - und ihn genau deswegen zu nähren. Der wahrhaftigste Moment ist denn auch einer aus dem Archiv. 1998 bekommt Ferres die erste Goldene Kamera, bei der Dankesrede hört man im Zittern ihrer Stimme Beschwerlichkeit, aber auch Ergriffenheit von sich selbst. Es ist ein starker, echter Moment - und bezeichnenderweise einer, in dem Ferres nicht als Schauspielerin auftritt. Sie bricht die Rede übrigens ab, zur Begründung sagt sie einen Satz, der sich gelegentlich auch beim Publikum ihrer Filme einstellt: "Ich fürchte, ich bin gerührt."

Veronica Ferres - Es muss doch mehr geben im Leben, Bayerisches Fernsehen, Montag, 21 Uhr.

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