Schuldenkrise:Schäuble hält versehentlichen "Grexit" für möglich

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  • Finanzminister Schäuble schließt nicht mehr aus, dass Griechenland den Euro-Raum verlässt. Das sagte er in einem Interview mit dem ORF.
  • Athen plant, dass die Sozialkassen dem Staat aushelfen - sie sollen ihr Guthaben nicht mehr bei kommerziellen Finanzinstituten, sondern der Zentralbank lagern.
  • Der griechische Regierungschef Tsipras trifft heute in Brüssel unter anderem mit EU-Kommissionschef Juncker zusammen.

Versehentlicher Grexit möglich

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hält einen ungeplanten Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone für möglich. Darin stimme er mit seinem österreichischen Amtskollegen Hans Jörg Schelling überein, sagte er in einem Fernsehinterview mit dem ORF. "Da ja die Verantwortung, die Möglichkeit, zu entscheiden was passiert, nur bei Griechenland liegt, und da wir nicht so genau wissen, was die Verantwortlichen in Griechenland tun, können wir es nicht ausschließen", sagte er.

Schäuble sagte, Griechenland könne nur dann weitere Gelder erhalten, wenn sich der Staat an die Vereinbarungen mit seinen Gläubigern halte. "Europa bleibt bereit, Griechenland zu helfen, aber Griechenland muss sich helfen lassen. Das Problem ist nicht dadurch zu lösen, dass man andere zu Sündenböcken macht."

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Von Cerstin Gammelin

Die griechische Regierung hatte sich zuvor formell beim Auswärtigen Amt in Berlin über angeblich beleidigende Äußerungen von Schäuble beschwert. Schäuble hätte seinen Amtskollegen Yanis Varoufakis als "naiv" bezeichnet. Varoufakis warf der Europäischen Zentralbank (EZB) zudem eine Politik vor, die Griechenland "die Luft zum Atmen nimmt".

Griechische Sozialkassen sollen dem Staat aushelfen

Derzeit ringt die griechische Regierung mit der EZB, der EU-Kommission und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) um deren Zustimmung zu ihren jüngsten Reformplänen. Davon hängt ab, wie schnell die Finanzminister der Euro-Länder ausstehende Hilfsgelder aus dem Rettungsprogramm freigeben. Die Regierung in Athen steht unter Druck, weil sie ihre Schulden weiter bedienen muss.

Angesichts des dringenden Finanzbedarfs will Athen die Sozialversicherungssysteme und andere staatliche Institutionen per Gesetz dazu bringen, ihr verfügbares Guthaben vorübergehend der griechischen Zentralbank und damit dem Staat zu überlassen. Am Donnerstag gab das Finanzministerium eine entsprechende Gesetzesinitiative bekannt: Die Einrichtungen sollen die Gelder nicht bei kommerziellen Finanzinstituten deponieren, sondern bei der Zentralbank. Dafür erhalten sie die Garantie, die Einlagen zu einem vorab verabredeten Zeitpunkt und Preis zurück zu bekommen.

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© Süddeutsche./dpa/Reuters/AFP/ratz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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