Machtkampf in Baden-Württemberg:Rote Beißlust

Nils Schmid beim SPD-Landesparteitag in Singen

Die Rolle des Juniorpartners wurmt ihn: der SPD-Landesvorsitzende Nils Schmid beim Parteitag in Singen

(Foto: dpa)
  • 2016 wird in Baden-Württemberg gewählt. Am Wochenende hat sich Nils Schmid als Spitzenkandidat der SPD bestätigen lassen.
  • Schmid zeigte sich in seiner Rede als bissiger Wahlkämpfer, der vor allem in Richtung der CDU austeilt.
  • Immer wieder versuchte sich Schmid in der Vergangenheit jedoch auch gegenüber dem Koalitionspartner, den Grünen, zu profilieren.
  • Das grün-rote Regierungslager liegt in aktuellen Umfragen gleichauf mit der CDU, die SPD wiederum zwei Prozentpunkte hinter den Grünen.

Von Josef Kelnberger, Singen

Eine Katastrophe, diese grünen Ideologen. Machen die Kinder mit ihren Schulreformen kirre, lassen Einbrecher ungestraft laufen und das Geld schmeißen sie mit vollen Händen zum Fenster hinaus. So verbreitet es die CDU auf allen Kanälen, ein Jahr vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg. Der Witz ist: Die betreffenden Ministerien werden von Sozialdemokraten geführt. Auch deshalb wohl hat sich Nils Schmid am Wochenende bei der Nominierung zum Spitzenkandidaten 2016 laut zu Wort gemeldet. Hat die CDU einen "Verein verbitterter alter Männer" genannt, die das Land als ihren Privatbesitz betrachteten und nun zurückzwingen wollten in ihr System von "Filz und Vetternwirtschaft".

Schwarze, schaut her, sollte das heißen: Die SPD ist euer Gegner, und allen voran ich, Nils Schmid, 41, der stellvertretende Ministerpräsident, Wirtschafts- und Finanzminister, SPD-Vorsitzender, Vertreter eines jungen, bunten, fortschrittlichen, gerechten Baden-Württemberg. Dass sich außer dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und dessen Herausforderer Guido Wolf ein Dritter um das höchste Amt im Lande bewirbt - die Botschaft geht leicht unter im Kulturkampf, den die CDU mit den Grünen führt.

Vertrackte Situation für Schmid und seine Partei

An manchen Stellen seiner Rede in der Singener Stadthalle wirkten die Genossen fast erschrocken von der Beißlust ihres Chefs. Zum Beispiel, als er es als Verdienst für sich reklamierte, dass Uli Hoeneß ins Gefängnis wanderte. Weil nämlich er, Schmid, ein Steuerabkommen mit der Schweiz verhindert habe. Spärlich plätscherte der Beifall.

Doch hinterher gaben ihm die Delegierten mit einer Zustimmung von 93 Prozent Rückendeckung, dabei hatte Schmid das Amt, das er anstrebt, kein einziges Mal benannt: "Ministerpräsident". Auch die Begriffe "Kretschmann" und "Grüne" mied Schmid im Übrigen konsequent. Seine Rede vermittelte den Eindruck, als werde Baden-Württemberg allein von der SPD regiert. Man könnte von Realitätsverleugnung sprechen. Es ist aber auch eine vertrackte Situation für Schmid und seine Partei.

Hier Vaterfigur Kretschmann, dort Streberjurist Schmid

Das grün-rote Regierungslager liegt in den Umfragen gleichauf mit der CDU, die SPD wiederum zwei Prozentpunkte hinter den Grünen. Alle Prognosen sagen derzeit: Falls die Grünen hinter der SPD landen, also Schmid vor Kretschmann - dann heißt der Sieger CDU. Das größte Pfund, mit dem die Koalition wuchern kann, ist die Beliebtheit Kretschmanns. Weil Schmid wieder mit den Grünen koalieren will, hätte es also eine gewisse Logik, würde er die eigenen Ambitionen aufgeben. Dazu kann es noch kommen, sollten die Umfragen kurz vor der Wahl eindeutig gegen ihn sprechen. Bis dahin wird Schmid alles tun, das Bild zu korrigieren, das nach wie vor im Land gepflegt wird: Hier Vaterfigur Kretschmann, dort Streberjurist Schmid.

Schmid und Kretschmann wollen sich nicht auf Kosten des jeweils anderen profilieren, so lautet die Absprache. Die Versuche Schmids, sich an Kretschmann vorbei zu profilieren, sorgen aber immer wieder für Gereiztheiten. Kretschmann war irritiert, als Schmid mit seiner "schwarzen Null" vorpreschte, als Schmid zu Gesprächen über einen "Schulfrieden" einlud, und auch vorige Woche wieder, als Schmid mit einer sehr unternehmerfreundlichen Position in die Gespräche über eine Erbschaftsteuer ging. Im Staatsministerium spricht man von taktischem Geplänkel, in der SPD halten sie den Ministerpräsidenten bisweilen für mimosenhaft.

Wirtschaftliche Stärke und seine türkischstämmige Frau, damit will Schmid punkten

Zur Regierungskrise taugen solche Verstimmungen noch lange nicht. Im Gegenteil, die Arbeit in der Koalition funktioniert weitgehend reibungslos. Das liegt auch an den hohen Steuereinnahmen, die es möglich machen, die offenen Flanken mit viel Geld abzudichten. Mehr Lehrerstellen, ein neues Programm für innere Sicherheit, kein Problem. Schmid kann sich trotzdem vermarkten als Minister, der dreimal in der Legislaturperiode die "schwarze Null" hinbekommen hat.

Wirtschaftliche Stärke und solide Finanzen, damit will Schmid punkten. Zur Marke Schmid sollen außerdem gehören: Familie und Bildungsgerechtigkeit. Am Samstag hat er deshalb sein erstes großes Wahlversprechen abgegeben: garantierte Ganztagsbetreuung für Kinder vom ersten Geburtstag bis zum letzten Schultag. Offensiv verwendete er in seiner Rede auch seine türkischstämmige Ehefrau, als Beleg für seine weltoffene Gesinnung. Gemeinsam mit ihr ließ er sich bejubeln.

Nils Schmid und seine Tülay wären, ohne Fukushima kurz vor der Wahl 2011, das erste Paar des Landes. Wie tief der Stachel noch sitzt, dass ihm beim historischen Machtwechsel am Ende nur die Rolle des Juniorpartners zufiel, weiß nur Schmid selbst. Dass er sich für einen ziemlich guten Ministerpräsidenten hält, ist ihm unschwer anzusehen.

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