Griechischer Finanzminister:Warum Varoufakis den Finger gezeigt hat

Griechischer Finanzminister: Günther Jauch konfrontiert Yanis Varoufakis in der Talk-Sendung mit der fraglichen Szene vom Subversive Festival 2013 in Zagreb

Günther Jauch konfrontiert Yanis Varoufakis in der Talk-Sendung mit der fraglichen Szene vom Subversive Festival 2013 in Zagreb

(Foto: Screenshot: ARD/SZ.de)
  • Griechenlands Finanzminister hat Ärger mit einem alten Video. Darin zeigt er Deutschland den Mittelfinger.
  • Ausgestrahlt hat es Günther Jauch in seiner Sendung, allerdings ohne den Kontext ordentlich zu erklären. Der ist weniger deutschenfeindlich, als es auf den ersten Blick scheint.
  • Varoufakis hat allerdings die Zuschauer nicht aufgeklärt. Stattdessen behauptet er, dass das Video gefälscht sei und dass er den Mittelfinger nie gezeigt habe - obwohl offizielle Aufnahmen ihm widersprechen.

Von Bastian Brinkmann

Yanis Varoufakis schüttelt den Kopf. Da sieht es noch so aus, als wolle er Günther Jauch nur zurechtweisen, dass das Zitat aus dem Kontext gerissen ist. Mehr als fünf Millionen schauen zu, wie der griechische Finanzminister zum ersten Mal live im deutschen Fernsehen redet. Die Runde diskutiert, ob Griechenland seine Schulden zurückzahlen kann. Varoufakis schlägt sich in der Sendung gut, bekommt Applaus - doch heikel wird für ihn eine Rede, die er 2013 auf einer Konferenz gehalten hat.

Jauch zeigt einen Ausschnitt (hier im Video ab 25:45), in dem Varoufakis über die Euro-Krise spricht. Darin sagt er, Griechenland solle sich für insolvent erklären. Und Deutschland den Mittelfinger zeigen.

Das ist der Kontext des Mittelfinger-Videos

Was Jauch verschweigt: Varoufakis spricht in dieser Aufnahme aus dem Jahr 2013 darüber, wie die griechische Regierung im Januar 2010 hätte handeln sollen (hier im Video ab 40:20). "Mein Vorschlag war, dass Griechenland sich einfach für insolvent erklären sollte, innerhalb der Euro-Zone, im Januar 2010", sagt Varoufakis. "Und es sollte Deutschland den Finger zeigen und sagen: Ihr könnt das Problem jetzt alleine lösen."

Der Zeitpunkt, auf den sich Varoufakis bezieht, ist wichtig. Denn im Januar 2010 hatte Griechenland noch Schulden wie andere Staaten auch: bei weltweit agierenden Banken, großen Versicherungen und Rentenkassen. Das sind die Vermögensverwalter, die man "Finanzmärkte" nennt. Ihnen will Varoufakis nichts zurückzahlen, denn sie hätten leichtsinnigerweise Griechenland zu viel Kredit gegeben und sich somit verzockt. Kredite können eben platzen. Wenn das deutsche Banken in Not bringt, müsse sich eben Deutschland selbst darum kümmern. Mittelfinger.

Wenige Wochen nach dem Januar 2010 bekommt Griechenland das erste Hilfspaket (hier eine Chronologie). Es beinhaltet Notkredite aus öffentlicher Hand, vom Internationalen Währungsfonds und von den Euro-Partnern. Mit vielen Milliarden ist Deutschland dabei. Diese Verpflichtungen, wiederholt Varoufakis auch explizit bei Jauch, wolle er unbedingt zurückzahlen.

Er wirft Jauch vor, auf eine Fälschung reingefallen zu sein

Nur korrigiert Varoufakis nicht den Kontext, in den Jauch das Zitat stellt. Vielleicht hat er in der Kürze oder wegen der Übersetzung aus dem Deutschen ins Englische auch gar nicht richtig mitbekommen, was und wie er zitiert wird. Er sitzt nicht im Studio, sondern in Athen, ist per Bildschirm zugeschaltet.

Statt das Publikum aufzuklären, dementiert Varoufakis, dass das Video überhaupt echt sei. Er behauptet selbstbewusst, dass der Ausschnitt eine Fälschung sei. Erstaunlich. Denn Jauch zeigt einen Ausschnitt des offiziellen Videos der linken Konferenz, auf der Varoufakis gesprochen hat - das Subversive Festival 2013 in Zagreb, Kroatien. Warum sollten die Macher, die mit Varoufakis sympathisieren, ein Video ihres Gasts manipulieren - und dann stolz auf Twitter posten? Zumal eine Sprecherin des Festival der SZ bestätigt: "Wenn wir das Video veröffentlicht haben, ist es auch echt."*

Die Glaubwürdigkeit von Yanis Varoufakis ist vielleicht das wichtigste Kapital, das die griechische Regierung derzeit noch besitzt. Er verhandelt mit den Euro-Finanzministern, wie die Misere zu lösen ist. Von seinem Geschick hängt ab, ob sich die elende Lage der Griechen verbessern wird - und ob die deutschen Steuerzahler das Geld zurückbekommen, das die Bundesrepublik Athen geliehen hat.

Und was heißt das jetzt für die Schuldendebatte?

Wer Varoufakis' Fake-Vorwurf selbst für gefälscht hält, könnte nun beginnen, auch hinter andere Aussagen des Finanzministers Fragezeichen zu setzen. Seine Kritiker könnten nun zweifeln: Wie glaubwürdig kann jemand noch die griechische Haushaltlage beschreiben, der bei einer Lappalie wie einem Mittelfinger-Gruß auf einem Festival vielleicht nicht bei der Wahrheit bleibt?

Zum Beispiel in dem Streit, ob Griechenland jetzt eigentlich pleite ist oder nicht. Ist Athen hoffnungslos überschuldet? Oder schafft es das Land, seine Kredite in den kommenden Jahrzehnten zurückzahlen?

Darüber diskutieren Ökonomen, für beide Seiten gibt es Argumente. Allein die oft zitierte Höhe der Staatsschulden ist nicht relevant. Sie lag zuletzt bei rund 175 Prozent der Wirtschaftsleistung. Zum Vergleich: Japan liegt deutlich über 200 Prozent - und keiner diskutiert, ob Tokio morgen pleite ist. Entscheidend ist vielmehr, ob Griechenland es schafft, eine solide Wirtschaft aufzubauen.

Pleite oder nicht: Varoufakis legt sich bei Jauch fest. Griechenland könnte alles zurückzahlen, wenn die Sparauflagen das Land nicht weiter erdrosseln würden. Die jetzigen Engpässe seien nur ein "unbedeutendes Liquiditätsproblem". Das muss er als Finanzminister auch sagen. Würde er eingestehen, dass ihm das Geld ausgeht, würden die Finanzmärkte das Land sofort fallenlassen.

Überprüfen kann Varoufakis' Aussage zur Tragfähigkeit der griechischen Schulden derzeit niemand. Die Euro-Partner haben gerade erst angefangen, die griechischen Zahlen zu kontrollieren. Unabhängig sind natürlich auch diese Prüfungen nicht - die Kreditgeber sind die wichtigsten Mitspieler Griechenlands, keine neutralen Beobachter.

*Anmerkung der Redaktion: Das Zitat der Sprecherin des Festivals, auf dem das Varoufakis-Video entstanden ist, wurde um 14.15 Uhr ergänzt.

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