Streit über Naturschutz im Steigerwald:Der Staat klagt gegen sich selbst

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Dutzende alter Buchen wachsen im Steigerwald bei Ebrach in Oberfranken. (Foto: dpa)
  • Seit Jahren fordern Naturschutzverbände und einige Bürger einen Nationalpark im Steigerwald.
  • Die Forderung konnten sie gegen die zahlreichen Gegner nie durchsetzen. Ex-Landrat Günther Denzler hat das Gebiet deshalb als einen geschützten Landschaftsbestandteil ausgewiesen.
  • Diese Entscheidung wird von Seiten der Bayerischen Staatsforsten als rechtswidrig angesehen. Jetzt wollen sie Klage einreichen.

Von Christian Sebald, München

Der Streit um den Naturschutz im fränkischen Steigerwald wird zu einem Fall für die Gerichte. Nach Informationen der SZ hat der Aufsichtsrat der Bayerischen Staatsforsten entschieden, Klage gegen das Schutzgebiet "Der Hohe Buchene Wald im Ebracher Forst" einzulegen, das der Bamberger Ex-Landrat Günther Denzler (CSU) ausgewiesen hat. Der Beschluss ist einzigartig. Denn damit klagt der Freistaat quasi gegen sich selbst. Die Staatsforsten sind als Unternehmen ein Teil des Staates, das Landratsamt Bamberg, dessen Chef Denzler war, ist es in seiner Funktion als untere Staatsbehörde auch. Experten wie Jochen Schumacher vom renommierten Institut für Naturschutz und Naturschutzrecht sprechen von einer "grotesken Situation".

Der Streit um die uralten Buchenwälder im Steigerwald tobt seit Jahren. Naturschutzverbände und zahlreiche Bürger der Region fordern einen Nationalpark und die Einstufung der Wälder als Weltnaturerbe. Und zwar nicht nur wegen der zum Teil 300 Jahre alten Baumriesen im Steigerwald, sondern auch wegen der einzigartigen Artenvielfalt. So kommt hier beispielsweise der beigefarbene Igel-Stachelbart vor. Das ist ein Baumpilz, der nur in besonders urwüchsigen Wäldern gedeiht.

Viele Einheimische gegen Schutzpläne

Bislang sind aber nicht nur die Forderungen nach einem Nationalpark gescheitert, sondern auch die Bemühungen um mehr Naturschutz in der Region, die zu den strukturschwächsten in Bayern zählt. Der Grund: Viele Einheimische sind strikt gegen jegliche Schutzpläne. Allen voran der Anti-Nationalpark-Verein "Unser Steigerwald" mit Innenstaatssekretär Gerhard Eck (CSU) an der Spitze.

Eck und seine Anhänger, zu denen vor allem Waldarbeiter, Förster, Sägewerker und Bauern zählen, befürchten nur Nachteile - bis dahin, dass angeblich Schwammerlsuchen untersagt wäre, wenn der Naturschutz ausgeweitet werde. Die Staatsregierung versicherte den Gegnern stets, dass gegen ihren Willen kein Nationalpark eingerichtet wird.

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Im April 2014 ergriff dann der damalige Landrat Denzler die Initiative. Er war von Anbeginn Verfechter eines Nationalparks. Kurz bevor er 2014 aus Altersgründen aus dem Amt schied, wies Denzler das 775 Hektar große Schutzgebiet "Der Hohe Buchene Wald" als sogenannten geschützten Landschaftsbestandteil aus. Hinter dem juristisch-bürokratischen Unwort verbirgt sich die einzige Art von Schutzgebiet, das ein Landkreis selbst erlassen darf. Denzler entschied sich auch deshalb für den Alleingang, weil alle vorherigen Versuche gescheitert waren, die Staatsregierung für das Projekt zu gewinnen, um mit ihr gemeinsam mehr für den Naturschutz im Steigerwald zu tun.

Natürlich tobten die Nationalpark-Gegner. Aber auch die Waldbesitzer und Förster überall im Land übten massive Kritik an Denzler. Ihre Furcht: Andere Landräte könnten es dem CSU-Mann gleichtun und nun ein Schutzgebiet nach dem anderen ausweisen. Also machten sie Druck auf die Staatsregierung, damit diese das Denzlersche Schutzgebiet kassiert. Das ist rechtlich aber schwierig. Der Jurist Denzler hat die Verordnung offenkundig so ausgeklügelt formuliert, dass sie nicht einfach wieder rückgängig gemacht werden kann. Nun will die Staatsregierung dafür sogar das bayerische Naturschutzgesetz ändern.

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Schutzgebiet sei rechtswidrig

Offenbar bauen die Staatsforsten aber nicht mehr auf die Staatsregierung. Das Staatsunternehmen hat seit Monaten ein Gutachten in Händen, das zu einer Klage rät. Das Schutzgebiet sei rechtswidrig ausgewiesen worden, schreibt die Münchner Kanzlei "Seufert Rechtsanwälte" darin, allein schon wegen seiner Größe. Bayernweit gebe es 1600 geschützte Landschaftsbestandteile, im Schnitt sei ein jeder nur 4,3 Hektar groß. Außerdem gehe es in der Verordnung von Denzler eher um einen Nationalpark als um einen geschützten Landschaftsbestandteil. Damit habe der Ex-Landrat seine Kompetenzen überschritten, die Verordnung sei rechtswidrig.

Zugleich machen die Juristen auf einen angeblichen Millionenschaden aufmerksam. Die vormaligen 775 Hektar Wirtschaftswald hätten 16,7 Millionen Euro an Wert verloren. Hinzu kämen 200 000 Euro Ertragseinbußen pro Jahr, weil die Staatsforsten dort kein Holz schlagen dürften. Diese Verluste sollen den Ausschlag für die Klage gegeben haben. Würden sie das Schutzgebiet akzeptieren, so die Sorge der Forst-Aufsichtsräte, könnten sie womöglich für diese Verluste verantwortlich gemacht werden.

© SZ vom 17.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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