Wahlen in Israel:Netanjahu lehnt Palästinenserstaat ab

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Premierminister Benjamin Netanjahu besucht vor der Parlamentswahl die jüdische Siedlung Har Homa, im Osten Jerusalems. (Foto: AP)
  • Zur Parlamentswahl in Israel könnte es eng für Premier Benjamin Netanjahu werden.
  • Nun wirbt er um die rechten Wählern und warnt vor einer Teilung Israels. Außerdem sagt Netanjahu in einem Interview, mit ihm werde es keinen Palästinenserstaat geben.
  • Der Herausforderer des Premiers, Isaac Herzog pilgerte zur Klagemauer

Von Peter Münch, Tel Aviv

Erbittert ist in Israel bis zur letzten Minute um Wählerstimmen gekämpft worden. Premierminister Benjamin Netanjahu schwang sich dabei sogar zu einer Absage an die Zwei-Staaten-Lösung auf und erklärte unmittelbar vor der Parlamentswahl an diesem Dienstag in einem Interview, dass es mit ihm als Premierminister keinen Palästinenserstaat geben werde. Zuvor hatte er auf einer Großdemonstration in Tel Aviv vor einer Machtübernahme der Linken und einer drohenden Teilung Jerusalems gewarnt.

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Netanjahus aggressiver Schlussspurt zielt darauf ab, sich in letzter Minute als kompromissloser Führer der Rechten zu profilieren und den Rückstand von drei bis fünf Sitzen aufzuholen, den allen Umfragen zufolge die Zionistische Union von Isaac Herzog vor seinem Likud hat.

Der Premier widerruft seine Grundsatzrede von 2009

Netanjahu wählte dazu ein Interview mit dem Internet-Portal NRG, das dem amerikanischen Kasino-Milliardär Sheldon Adelson gehört, der neben Netanjahu auch die amerikanischen Republikaner mit hohen Geldsummen unterstützt. Auf die Frage, ob er als Regierungschef einen Palästinenserstaat verhindern würde, antwortete er: "Genau." Dies steht im Widerspruch zu seiner Grundsatzrede von 2009 an der Bar-Ilan-Universität, in der er sich zur Zwei-Staaten-Lösung bekannt hatte, die auch von den USA und den Europäern seit Langem gefordert wird.

Nun erklärte der Premier: "Ich denke, dass jeder, der Schritte unternimmt, um einen palästinensischen Staat zu ermöglichen und dafür Gebiete hergibt, diese Gebiete radikalen Islamisten für Attacken auf Israel überlässt." Mit dieser Formulierung lässt er sich angesichts zu erwartender internationaler Kritik das Hintertürchen offen, dass seine Absage an den Palästinenserstaat den Islamisten gilt, die dann - wie schon im Gazastreifen nach Israels Rückzug - die Macht an sich reißen würden.

Bei einem Wahlkampfbesuch in der Jerusalemer Siedlung Har Homa warnte er am Montag explizit davor, dass ein "Hamastan B in Jerusalem entsteht", wenn seine Herausforderer von der Zionistischen Union die Wahl gewinnen würden. Anders als er würden Herzog und seine Mitstreiterin Tzipi Livni dem internationalen Druck nachgeben, den Siedlungsbau einfrieren und Israel in den Grenzen von 1967 akzeptieren.

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Tiefe Gräben in der israelischen Gesellschaft

Eingeleitet worden war der Rechtsruck am Sonntagabend bei einer von einer Siedlergruppe organisierten Veranstaltung auf dem Tel Aviver Rabin-Platz. Diese war eine Antwort auf einen Anti-Netanjahu-Protest, der dort acht Tage zuvor abgehalten worden war. Nach offiziellen Schätzungen füllten jeweils mehr als 25 000 Demonstranten den Platz. Doch abzulesen war an diesen beiden Veranstaltungen, wie tief die Gräben in der israelischen Gesellschaft sind. Hier die säkularen Städter, die Sozialreformen und einen neuen Anlauf im Friedensprozess fordern. Dort die zumeist mit Bussen nach Tel Aviv transportierte Klientel der Rechten, die sich zur kompromisslosen Verteidigung Groß-Israels bekannte.

Netanjahu bediente die Erwartungen mit einer kategorischen Absage an jegliche Zugeständnisse bei Verhandlungen. "Solange der Likud regiert, wird es keine Rückzüge mehr geben", rief er. Seine Zugeständnisse ans Siedler-Publikum hatten allerdings die Konsequenz, dass er und der ebenfalls als Redner geladene Wirtschaftsminister Naftali Bennett sich auf dieser Veranstaltung gegenseitig die Wähler abzujagen versuchten. Dabei waren sie doch zusammengekommen unter dem Motto: "Vereinigt für das Land Israel".

Als Kontrapunkt pilgerte Isaac Herzog im Wahlkampffinale zur Jerusalemer Klagemauer. Nach altem Brauch steckte er dort ein Zettelchen mit einem sicher frommen Wunsch in eine Mauerritze. Zuvor hatte er das Grab seines Großvaters besucht, der Israels erster Chef-Rabbiner gewesen war. Dies war ein Signal an mögliche Koalitionspartner aus dem religiösen Sektor - und auch für Netanjahus Publikum hatte Herzog an der Klagemauer eine Botschaft parat. "Ich weiß, wie man Jerusalem und seine Bewohner schützt", sagt er, "nämlich durch Taten und nicht durch Worte."

© SZ vom 17.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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