Volkshochschule Karlsfeld:Maschen im Umbruch

Volkshochschule Karlsfeld: Maxie Bantleon (re.) zeigt Alexandra Hessler und den zusehenden Online-Kursteilnehmern, wie man den Faden richtig auf die Nadel nimmt.

Maxie Bantleon (re.) zeigt Alexandra Hessler und den zusehenden Online-Kursteilnehmern, wie man den Faden richtig auf die Nadel nimmt.

(Foto: Vhs/Youtube)

600 Leute sitzen vor Bildschirmen und lernen bei Video-Tutorial und Chats, wie man Mützen selber häkelt. Sieht so die Zukunft der Erwachsenenbildung aus?

Von Gregor Schiegl, Karlsfeld

Wohin man auch schaut, alle hängen an der Nadel: die Hipster, die sich die Mützen selber häkeln, die "Knitting Natives", die schon seit Jahrzehnten Pullis und Schals stricken, oder Banden von Strick-Guerilleros, die Straßenlaternen und Bäumen maßgeschneiderte Ringelpullis verpassen. Stricken ist in, der Hype hält schon seit einigen Jahren an und scheint noch lange nicht abzureißen. Die VHS Karlsfeld hat diesen Trend für ein groß angelegtes Pilotprojekt mit den Volkshochschulen Duisburg, Hannover, Karlsruhe und Straubing genutzt und einen interaktiven Online-Kurs rund ums Stricken abgehalten, mehr als 600 Leute beteiligten sich. Das kostenlose Pilotprojekt startete mit einem Eröffnungstalk, danach gab es zwei Wochen lang Tutorials, Chat und Live-Stricken. "Eine tolle Geschichte", sagt VHS-Leiterin Daniela Niedermeier. Die Anleitungen kann man sich immer noch auf YouTube ansehen.

Der Strick-MOOC - MOOC steht für das Lernformat "Massive Open Online Course" - ist mehr als nur eine Spielerei der altehrwürdigen VHS in der bunten Welt des Internets. Die Erwachsenenbildung befindet sich im Umbruch, die alten Rezepte funktionieren oft nicht mehr. Das bekommt auch die VHS Karlsfeld zu spüren. 2003 fanden noch 551 Kurse statt, 2014 waren es nur noch 428, die Zahl der Teilnehmer ging in diesem Zeitraum von 4957 auf 3404 zurück. Karlsfelds Bevölkerung wuchs in diesen Jahren übrigens um etwa 1000. Was ist da los?

VHS-Leiterin Niedermeier macht eine wachsende Bindungsangst aus. Die Leute scheuten sich zunehmend, sich in länger andauernde Kurse einzuschreiben. Viele Kurse würden kurzfristig gebucht, nachdem sie wegen fehlender Anmeldezahlen schon abgesagt worden seien. "Die Anmeldemoral hat sich verändert." Das starre Kursangebot passt womöglich auch nicht mehr zum Zeitgeist, Angebote jederzeit und überall nach eigenem Gusto zu nutzen. Im Internet geht das. Dort stehen inzwischen zahlreiche Video-Anleitungen zur Verfügung - kostenlos. Für die Volkshochschulen eine Herausforderung. "Ich will das Internet nicht verteufeln", sagt Daniela Niedermeier, sie will die Chancen ausloten, Präsenz- und Online-Termine konzeptionell miteinander zu verknüpfen. "Blended Learning" nennt sich das.

Im Hauptausschuss des Gemeinderats stößt die Experimentierfreude auf Zustimmung. "Wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen", sagt SPD-Fraktionssprecherin Hiltraud Schmidt-Kroll. Also warum nicht Stricken am Laptop lernen? Nur Finanzreferent Holger Linde (CSU) merkt skeptisch an, ob die VHS mit ihrem Gratis-MOOC nicht am Ende selber an dem Ast säge, auf dem sie sitze. Tatsächlich sollen künftige VHS-MOOCs kostenpflichtig sein. Das Pilotprojekt hat der Volkshochschulverband kräftig bezuschusst, damit die Karlsfelder VHS nichts draufzahlen musste. Für den Betrieb 2015 benötigt sie dennoch wie jedes Jahr einen Zuschuss der Gemeinde, diesmal etwa 113 000 Euro.

Der Kanal "vhsStrickMooc" mit seinen Strick-Tutorials ist auf YouTube abrufbar. Informationen zur Volkshochschule inklusive Kursprogramm gibt es auf vhs-karlsfeld.de.

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