Amnesty-Report zur Lage auf der Krim:Entführung, Folter - keine Ermittlungen

Amnesty-Report zur Lage auf der Krim: Ende Februar geraten Krim-Tataren und russische Unterstützer in Simferopol aneinander.

Ende Februar geraten Krim-Tataren und russische Unterstützer in Simferopol aneinander.

(Foto: AP)
  • Einem Amnesty-Bericht zufolge wurden seit der Annexion der Krim sieben Menschen entführt. Mindestens ein Oppositioneller sei umgebracht worden.
  • Besonders hart trifft es die Krimtataren. Drei Entführungen hat die Menschenrechtsorganisation selbst dokumentiert.
  • Auch Medien der Krimtataren werden den Bericht zufolge vom Staat boykottiert.

Keine Ermittlungen zu verschwundenen Krimtataren

Ein Jahr nach der Annexion der Krim durch Russland hat Amnesty International eine verheerende Bilanz der Menschenrechtslage vorgelegt. Mindestens sieben Menschen seien entführt worden, ihr Schicksal sei unbekannt, heißt es in dem Bericht (Download). Mindestens ein entführter Oppositioneller sei später tot aufgefunden worden. Die neue Regierung habe keine sichtbaren Ermittlungen durchgeführt, erklärte die Menschenrechtsorganisation.

"Die Haltung der De-facto-Regierung und ihrer russischen Meister lässt sich leicht zusammenfassen: '"Gib dich zufrieden, verschwinde oder halt den Mund'", sagte Amnestys Direktor für Europa und Zentralasien, John Dalhuisen, bei der Vorstellung des Berichts.

Das Verschwinden von drei Krimtataren hat die Menschenrechtsorganisation selbst dokumentiert:

  • Reschat Ametow, ein 39-Jähriger, der sich auf seiner Facebookseite immer wieder kritisch über die aktuelle Situation der Krimtataren geäußert hatte, wurde demnach während einer Demonstration im vergangenen März verschleppt. Eine Video zeigt, wie Männer in grüner Uniform ihn zu einem Auto bringen. Dem Bericht zufolge wurde seine Leiche später mit Folterspuren aufgefunden. Bisher sei niemand zur Rechenschaft gezogen worden.
  • Der 19-jähriger Isljam Dschepparow und der 23-Jährige Dschedet Isljamow wurden vergangenen September von Unbekannten in schwarzen Uniformen entführt. Ein Verwandter soll die Polizei alarmiert und anschließend mit Vertretern der Krim-Regierung gesprochen haben. Doch bisher gebe es keine Fortschritte bei den Ermittlungen, so Amnesty

"Die De-facto-Regierung sagt uns, sie ermittele in allen Fällen von Verschleppungen und Folter", sagte John Dalhuisen. "Aber wir haben dafür keinen einzigen konkreten Nachweis."

Medien der Krimtataren werden gezielt überprüft

Um Medien zum Schweigen zu bringen, werde ein "Klima der Angst" geschaffen, schreiben die Amnesty-Aktivisten weiter. Vor anderthalb Monaten seien 30 bewaffnete und maskierte Mitglieder einer Spezialeinheit in die Büros des Tataren-Senders ATR eingedrungen, hätten den Sendeabbruch erzwungen und Dokumente der vergangenen elf Monate beschlagnahmt.

Die Nachrichtenagentur der Krimtataren, QHA, habe bis heute keine neue Lizenz erhalten. Es gebe derzeit offenbar nur wenig Motivation in der internationalen Gemeinschaft, Russland zur Rückgabe der Krim an die Ukraine zu drängen, sagte Dalhuisen. "Aber sie sollte doch mindestens mehr Druck auf Russland ausüben, damit die Rechte aller Bürger der Krim respektiert werden."

Ein Jahr nach der Krim-Annexion

Auf der Krim wird in dieser Woche mit großem Pomp der erste Jahrestag der Angliederung an Russland gefeiert. Moskau hatte die Halbinsel am 18. März 2013 ungeachtet internationaler Proteste annektiert, nachdem sich die Bevölkerung zuvor in einem umstrittenen Referendum mehrheitlich für den Beitritt ausgesprochen hatte. Zwei Wochen zuvor hatte Staatschef Wladimir Putin russische Spezialtruppen auf die Krim geschickt.

Linktipp:

Wenn Sie mehr über die Situation der Krimtataren erfahren wollen, lesen Sie diese Reportage von SZ-Korrespondent Julian Hans.

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