Nordkorea:Das Regime und das Mädchen

Yeonmi Park

Das Regime von Nordkorea beschimpfte sie als "Giftpilz": Park Yeon-mi in Südkorea

(Foto: Caseylartigue / CC-by-sa-4.0)

Wenn eine junge Frau vom Leben und Leiden in Nordkorea erzählt, hört die Welt zu. Doch an einigen Details ihrer Geschichte gibt es Zweifel.

Von Esther Widmann

Park Yeon-mi ist 21 und studiert Strafrecht in Seoul. Sie postet gerne Fotos von sich auf Twitter - genau wie viele andere junge Frauen ihres Alters. Allerdings sind andere 21-Jährige in der Regel nicht Gegenstand von 20-minütigen Videos, in denen die Regierung von Nordkorea sie als "Menschenrechtspropagandapuppe" und "auf einem Haufen menschlichen Mülls gewachsenen giftigen Pilz" bezeichnen.

Park Yeon-mi ist aber eben auch nicht irgendeine 21-Jährige. Sie ist in Nordkorea geboren, sie ist von dort geflohen - und seit etwa einem Jahr engagiert sie sich öffentlich und fordert Freiheit für ihr Heimatland.

Durch eine Fernsehsendung, in der nordkoreanische Flüchtlinge von ihren Erlebnissen erzählen, erlangt sie in Südkorea Bekanntheit. Internationale Medien werden auf sie aufmerksam und machen die zierliche Person zum Star unter den Überläufern: So zart und doch so stark. Auf YouTube haben Hunderttausende Videos von ihren Auftritten gesehen, seit sie im Oktober 2014 auf dem Treffen der NGO One Young World im traditionellen koreanischen Dress unter Tränen die Geschichte ihrer Suche nach Freiheit erzählte.

Diskrepanzen in der Selbstdarstellung

Mitschnitte von Auftritten in der gleichen Woche und auch schon von Anfang 2014 zeigen jedoch, dass Kameras sie keineswegs immer nervös machen und dass sie von ihrer Kindheit auch in einer professionellen, mit Witzen gespickten Präsentation erzählen kann.

Und, wie Mary Ann Jolley, die einen Film über Park Yeon-mi gedreht hat, in einem Artikel für das Magazin The Diplomat festgestellt hat: Die Geschichte, die sie bei ihren Auftritten erzählt, ist nicht immer die gleiche. Die Details ihrer Kindheit in der Stadt Hyesan nahe der Grenze, des Hungers, der Flucht nach China und von dort in die Mongolei, der Tod ihres Vaters und andere Einzelheiten variieren mitunter. Ist das fragile Mädchen, das für die Freiheit durch die Hölle gegangen sein will, eine Erfindung?

Park Yeon-mi verteidigt die Diskrepanzen in ihrer Selbstdarstellung mit dem Hinweis auf ihr schlechtes Englisch und der Tatsache, dass sie erst 13 Jahre alt war, als sie Nordkorea verließ und ihre Erinnerungen deshalb nicht immer eindeutig seien. In ihrem Buch, das bei Penguin erscheinen soll, will sie alle Missverständnisse beseitigen und die Wahrheit berichten.

An der Unmenschlichkeit des Regimes gibt es keinen Zweifel

Die Glaubwürdigkeit einiger Flüchtlingen aus Nordkorea hat gelitten, seit bekannt wurde, dass Shin Dong-hyuk, ein Star unter ihnen, Details seiner Biographie verändert hatte. Dass die wesentlichen Punkte der Berichte von Shin Dong-hyuk und anderen Dissidenten stimmen, stellen Menschenrechtler und auch die Vereinten Nationen jedoch nicht in Frage. Auch an der Unmenschlichkeit und Freiheitsfeindlichkeit des Regimes in Nordkorea gibt es keinen Zweifel.

Auf ihrer Website beschreibt Park Yeon-mi sich wenig bescheiden als "das Gesicht und die Stimme ihres unterdrückten Volkes". Sie hofft auf und arbeitet für eine Wiedervereinigung der beiden Koreas. "Obwohl von außen alles aussieht wie immer, ändert sich von innen sehr viel", erklärte sie in einer ihrer Reden. In ihrer Generation, die nach dem Tod von Kim Il-Sung aufgewachsen ist, gebe es nur noch sehr wenige Verehrer des Herrscher-Clans. Sie wüssten hingegen sehr genau, dass das Regime der Grund für ihre Armut sei. Außerdem wüssten sie durch geschmuggelte Medien mehr über das Ausland als frühere Generationen und kauften auf Schwarzmärkten ein.

Beim One Young World-Treffen wurde Park Yeon-mi von UN-Sonderbotschafter James Chau mit den Worten begrüßt, die Polizei in Südkorea habe sie vor diesem Auftritt gewarnt: Sie könne sie nicht schützen. Bleibt zu hoffen, dass sich die Bedrohung durch das nordkoreanische Regime auch in Zukunft auf Propaganda-Videos beschränkt, in denen Nachbarn von den angeblichen sittlichen Entgleisungen der Familie von Park Yeon-mi erzählen.

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