NSU-Prozess:Zschäpe sehnt sich nach Licht und Luft

Beate Zschäpe

Redet im NSU-Prozess erstmals mit den Richtern: Beate Zschäpe.

(Foto: dpa)

Beate Zschäpe sitzt während der Prozess-Pausen in einer Arrestzelle, ohne Frischluft, ohne direktes Licht. Nun spricht sie erstmals mit den Richtern - wenn auch nur über mögliche Hafterleichterungen. Diese zu gewähren, ist schwierig.

Von Annette Ramelsberger

Beate Zschäpe scheint sichtlich aufzutauen, seitdem ihr das Gericht einige Erleichterungen zugestanden hat. Sie wird nun nicht mehr täglich von Kameras begleitet, wenn sie den Gerichtssaal betritt. Auch die Prozesstage wurden reduziert. Und an diesem Mittwoch hat Zschäpe zum ersten Mal im Gerichtssaal direkt mit den Richtern geredet - wenn auch nicht über den Inhalt der Anklage, sondern über mögliche Hafterleichterungen.

Es ist ein erstaunliches Bild: Die Frau, die seit zwei Jahren beharrlich schweigt, steht da in einer Verhandlungspause neben ihrer Bank und unterhält sich lächelnd und fast launig mit dem Richter Peter Lang und seiner Kollegin Michaela Odersky, beide Beisitzer im 6. Strafsenat am Oberlandesgericht. Selbst aus der Ferne kann man erkennen, dass es um ihre Unterbringung geht. Sie zeigt zur Decke und beschreibt eine Kuppel. Es ist wohl die Beschreibung ihrer Arrestzelle. Dort sitzt sie jeden Tag morgens und während der Pausen, unterhalb des Gerichtssaals - ohne frische Luft, ohne direktes Licht. Nur durch einen Lichtschacht, auf dem eine undurchsichtige Plexiglaskuppel sitzt, bekommt sie Helligkeit.

Selbst der Gerichtssaal ist fensterlos

Neben Zschäpe steht Ralf Wohlleben, auch er in Untersuchungshaft und ebenfalls in einer der Arrestzellen untergebracht. Bei ihm sieht man immer wieder kreisrunden Haarausfall, ein Zeichen für psychosomatische Störungen. Nun steht auch er mit den Richtern zusammen, recht aufgeschlossen, scheint es. Die beiden haben Hoffnung, dass es bald mehr Licht und Luft gibt. Ob man denn nicht baulich was verändern könne, habe Zschäpe gefragt, so hört man. Doch das ist schwierig, nicht nur die Arrestzellen, auch der Gerichtssaal selbst ist fensterlos - ein Betonbunker aus den Siebzigerjahren. Aber offenbar ist das Gericht bemüht, die Hauptangeklagte verhandlungsfähig zu halten - vielleicht mit etwas mehr Hofgang in den Pausen.

Luft gibt es, aber keine Freiheit. Auch nicht für Ralf Wohlleben. Das Gericht hat gerade wieder auf eine Haftbeschwerde seiner Verteidigung entschieden, dass die Hauptverhandlung die Anklagevorwürfe gegen ihn bisher nicht erschüttert habe und er eine weit höhere Strafe erwarten müsse als die dann vier Jahre U-Haft, die er bis zum voraussichtlichen Urteil Anfang 2016 absitzen werde. Das ist ein Schlag ins Kontor.

Carsten S. spricht als einziger der Angeklagten umfänglich

Dagegen kann sich der Angeklagte Carsten S. durchaus Hoffnung machen, dass er nicht lange in Haft muss - obwohl er wie Wohlleben wegen Beihilfe zu neunfachem Mord angeklagt ist. Carsten S. , 35, spricht, als einziger der Angeklagten, umfänglich und intensiv. Der psychiatrische Gutachter Norbert Leygraf aus Essen sagte am Mittwoch, es gebe ernsthafte Anzeichen, dass Carsten S. zur Tatzeit "von seinem sittlichen und geistigen Entwicklungsstand her noch einem Jugendlichen gleichstand".

Carsten S. war 20 Jahre alt, als er die Tatwaffe Ceska an das Trio übergeben hat. Ihm könnte wie Wohlleben, der die Waffe vermutlich in Auftrag gegeben hatte, dafür eine lebenslange Haft drohen - wenn er als Erwachsener eingestuft wird. Als Jugendlicher drohen ihm dafür höchstens zehn Jahre. Psychiater Leygraf hat nun eine Reifeverzögerung festgestellt - auch wenn es schwierig sei, das nachträglich für die Zeit im Jahr 2000 festzumachen.

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