Wissenschaftler:Jung und unabhängig

Der Hochschulverband fordert, Assistenzprofessoren zu berufen. Jungforscher sollen sich künftig zwischen zwei Wegen entscheiden müssen.

Von Roland Preuss

Der Deutsche Hochschulverband spricht vom "wissenschaftlichen Saatgut der Nation", das man künftig besser erkennen und fördern wolle. Und das man, um im Bild zu bleiben, früher auf zwei Anzuchtschalen verteilen müsse: diejenigen, die man weiterkultivieren will zu Professoren; und diejenigen, denen man den Weg des wissenschaftlichen Mitarbeiters anbietet, der als Wissenschaftsmanager arbeitet, Drittmittel einwirbt, Lehraufgaben übernimmt - oder in die Wirtschaft abwandert. Der Deutsche Hochschulverband (DHV) nennt es Y-Modell, eine entsprechende Resolution nahmen die Delegierten vergangene Woche auf der Jahrestagung in Mainz an. Der künftige Hochschullehrernachwuchs auf den sogenannten Qualifizierungsstellen soll zu Assistenzprofessoren berufen werden, die von vorneherein als unbefristete Stellen angelegt sind und weitgehende Unabhängigkeit beim Forschen gewährleisten; ihnen soll also ein echtes sogenanntes Tenure-Track-Modell geboten werden.

In dieser "neuen Personalkategorie Assistenzprofessur könnten Habilitanden, Juniorprofessoren und Nachwuchsgruppenleiter aufgehen", sagt DHV-Präsident Bernhard Kempen. Eingebunden werden soll der Assistenzprofessor in ein Mentorensystem, Auswahl und Verantwortung soll die jeweilige Fakultät übernehmen. Dienstaufgaben wie "wissenschaftliche Mitarbeit" sollen wegfallen, der Habilitand soll also keine Fußnoten mehr sammeln müssen.

Manche Professoren fürchten nun um ihre Mitarbeiterstellen

Damit allerdings würde den Professoren ein Teil ihres Einflusses genommen, persönlich den wissenschaftlichen Nachwuchs heranzuziehen, nämlich auf Mitarbeiterstellen, über die nur sie verfügen. Entschieden würde künftig kollektiv. Dementsprechend lebhaft sei die Debatte unter den DHV-Delegierten gewesen, berichteten Teilnehmer der Sitzung. Am Ende stimmten 48 Wissenschaftler für das Modell, 19 dagegen, bei 15 Enthaltungen. Eine sehr breite Unterstützung ist das nicht. Man habe Angst um die Stellen, die einem etwa als Lehrstuhlinhaber zur Verfügung stehen, hieß es nach der Sitzung.

Kempen war es dennoch wichtig, das Modell jetzt in die Diskussion zu werfen, denn die Debatte um den Umgang mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs ist lebhaft wie selten. Nachwuchswissenschaftler unterzeichnen zu Zehntausenden Protestresolutionen im Netz, die SPD drängt auf eine rasche Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, um die Unsitte der ausbeuterischen Zeitverträge einzuschränken; und auch Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) sieht Handlungsbedarf und hat Änderungen angekündigt. Jetzt ist die Zeit der Entscheidungen.

Wanka hatte auf der DHV-Tagung eine Initiative für ein bundesweites Tenure-Track-Modell angekündigt. Hierzu wolle sie auf die Länder zugehen und Geld vom Bund bereitstellen, sagte sie vor den versammelten DHV-Delegierten in Mainz, die nach eigenen Angaben mehr als 29 000 Wissenschaftler in Deutschland vertreten. Die Nachwuchswissenschaftler sollen von Anfang an eine feste Stelle erhalten, allerdings würden sie nach einiger Zeit evaluiert. Nur wer diese Probephase meistert, soll einen wirklich unbefristeten Posten bekommen, sagte Wanka.

Die Unterstützung der SPD-Fraktion hat Wanka, deren Bildungsexpertin Simone Raatz begrüßte den Vorschlag. Die Ministerin unterstütze damit die SPD-Forderung, qualifiziertem wissenschaftlichem Nachwuchs die Perspektive auf feste Stellen zu geben. Nun müsse schnell mit den Koalitionsfraktionen und den Ländern ein Konzept ausgehandelt werden. Nötig seien "mindestens 1000 zusätzliche Juniorprofessuren mit Tenure-Track-Option", verlangte Raatz.

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