Tiefgründige Einblicke:Italien? Nein, Irschenhausen!

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Lia Schneider-Stöckl (links) und Ingrid Rückert präsentieren Wissenswertes über den Dichterfürsten, der 1910 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. (Foto: Hartmut Pöstges)

Was lockte den "Dichterfürsten und Nobelpreisträger" Paul Heyse in den Süden? Eine Ausstellung im Hollerhaus beleuchtet dessen Leidenschaften.

Von Stephanie Schwaderer, Icking

Paul Heyse ist in und um München vielen Leuten ein Begriff - weil eine stickige, staugeplagte Unterführung westlich des Hauptbahnhofs nach ihm benannt ist. Wer die aktuelle Ausstellung im Hollerhaus besucht, dürfte den Namen künftig mit ganz anderen Attributen verbinden: mit Geisteskraft, Poesie, Toleranz. "Paul Heyse - Dichterfürst und Nobelpreisträger" hat Galeristin Lia Schneider-Stöckl die Schau überschrieben, die sie in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Staatsbibliothek erstellt hat.

Wer den kleinen Ausstellungssaal in Irschenhausen betritt, sieht auf den ersten Blick, dass er es mit einem attraktiven Schöngeist zu tun bekommt. Eine große Schwarz-Weiß-Aufnahme zeigt Heyse als jungen Mann, wie ihn Adolf von Wilbrandt, der spätere Direktor des Wiener Burgtheaters, einst beschrieben hat. Wilbrandt gehörte im Jahr 1858 zu einem Freundeskreis, mit dem die Familie Heyse ihre erste Sommerfrische in Ebenhausen verbrachte. Später erinnerte er sich mit den Worten: "Paul Heyse strahlte in seiner ersten Blüte, die kaum zu überbieten war. Eben 28 Jahre alt und schon von Ruhm und Erfolg gekrönt, (. . .) schön, gesund, rastlos und mit Mutterwitz und Humor reich ausgerüstet. Sein von langem, schön fallendem Haar umflossener Kopf war ein Dichterkopf,und wenn seine Rede flutete, hörte jeder den Poeten."

Heyse, das hat Lia Schneider-Stöckl herausgefunden, schätzte vor allem die Landschaft und die Feste im Oberland. Sie ist dem gebürtigen Berliner, der als erster deutscher Schriftsteller 1910 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, schon seit einigen Jahren akribisch auf der Spur. Nicht zuletzt deshalb, "weil es da eine familiäre Bindung gibt", wie sie erzählt.

Ihre Urgroßeltern hatten - ebenso wie die Familie Heyse - Ende des 18. Jahrhunderts den Gardasee als Winterdomizil entdeckt. Sie eröffneten in Gardone Riviera, einst ein malerischer Fischerort, ein Fotostudio, und Heyses ließen sich dort gerne porträtieren. Diese Aufnahmen sind nun auch im Hollerhaus zu sehen und tragen maßgeblich zum Charme der Schau bei.

Die vielfältigen Informationen zu Heyses Leben und Werk hat Ingrid Rückert, Leiterin des Referats für Nachlässe und Autografen an der Bayerischen Staatsbibliothek, für eine viel beachtete Ausstellung in München vor einem Jahr zusammengetragen. Heyse hatte bereits in seiner Jugendzeit neben unzähligen Gedichten rund 180 Novellen, mehr als sechzig Dramen, acht Romane sowie Übersetzungen aus dem Italienischen, Französischen, Spanischen und Englischen geschrieben. "Er zählte zu den am häufigsten verlegten deutschen Autoren, dessen Werke in die wichtigsten europäischen Sprachen übersetzt wurden", sagt Rückert. 1854 wurde er von König Maximilian II. an den Hof nach München berufen, wo er als "Dichterfürst" in der Nachfolge Goethes gehandelt wurde. Bis zu seinem Lebensende 1914 blieb Heyse seinen Idealen der Solidarität und der Völkerverständigung treu. Der Bruch kam mit dem Ersten Weltkrieg. Danach galt seine Art zu schreiben als überholt. Und auch seine Geisteshaltung als toleranter Kosmopolit entsprach nicht mehr dem Zeitgeist.

Heyse geriet in Vergessenheit. Zu Unrecht, wie mittlerweile nicht nur die beiden Kuratorinnen finden. Im Allitera Verlag ist unlängst ein Heyse-Lesebuch mit dem Titel "Der Isar wilde Wasser brausen keck" erschienen. Der Herausgeber, Walter Hettche, wird im April im Hollerhaus zu Gast sein.

Begeistert ist Rückert von der Arbeit, die Schneider-Stöckl dort geleistet hat. Anhand von Texten, Fotografien und Landschaftsskizzen beleuchtet sie Heyses Liebe zum Isartal und zu Italien. Eine literarische Fundgrube ist die Gedichterzählung "Hochzeitsreise an den Walchensee". Heyse lässt darin ein junges Paar mit der Kutsche ins Alpenvorland fahren und darüber streiten, wo es denn nun schöner sei, im Isartal oder in Italien. Eine Frage, die an einem sonnigen Tag im Hollerhaus nach wie vor anregenden Gesprächsstoff liefern dürfte.

© SZ vom 26.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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