Im Kino: "Crazy Heart":Fliegen und fallen

Lesezeit: 4 min

Sofern er sich den Alkohol aus dem Leib gekotzt hat, und man ihn nicht bewusstlos neben dem Klo findet, kommt er noch ganz cool daher: Bad Blake hat viel verloren, aber ein Loser ist er nicht.

F. Göttler

Mein wirklicher Name, murmelt der Mann, wird auf meinem Grabstein stehen. Bis dahin bleibe ich einfach Bad ... Es klingt ein wenig müde, wie er das sagt, aber vor allem nach einer verdammt großen Portion Schlitzohrigkeit.

Bad Blake, 57 Jahre, Texaner, Wandersänger, mit seinem alten Suburban allein unterwegs auf den Highways, von seinem Manager per Telefon kurzfristig dorthin geschickt, wo man ihn noch hören möchte, mit seinem langsamen, traurigen Country-Blues, heute Santa Fe, New Mexico, wenige Tage später dann Phoenix, Arizona, in Bowlinghallen und dämmrigen Clubs, die Jungs in den Begleitbands hinter ihm sind nicht mal halb so alt wie er, und den Wirten dort ist strengstens untersagt, ihn mit Alkohol zu versorgen bei seinen Auftritten. Sie können, sagt einer von ihnen großzügig, aber gratis kegeln so viel sie wollen.

Was man an einem Namen hat, davon erzählt der erste Film von Scott Cooper, Crazy Heart, benannt nach einem Song von Hank Williams. Bad Blake, das sagt nicht unbedingt etwas über den Mann, über seinen Charakter und seine Seele, das ist, wie üblich in der amerikanischen Gesellschaft, erst mal ein Programm, ist Ambition, Image, Vision. Vorbilder für Blake waren unter anderen Waylon Jennings und Lefty Frizelle. T-Bone Burnett, der mit den Brüdern Coen - Oh Brother, Where Art Thou? - und mit Wim Wenders - Don't Come Knocking - gearbeitet hat, hat für die Songs des Films gesorgt gemeinsam mit Stephen Bruton, der lange bei Kris Kristofferson spielte.

Ein alternatives Country-Universum sei da in den Sechzigern entstanden, sagt T-Bone Burnett. "Wir gehen alle zurück auf 'Heaven's Gate', vor dreißig Jahren, auf Kris Kristofferson", ergänzt Jeff Bridges, der mit seinem grauen Blake-Bart dem Meister gleicht, "der all seine Musikerfreunde mitbrachte, und jede Nacht nach der Arbeit wurde gejammt. Das ist irgendwie die Geburt dieses Films."

Es steht wirklich nicht gut um Bad Blake, der Mann kommt zwar immer noch einigermaßen cool daher - sofern er sich zuvor den Alkohol aus dem Leib gekotzt hat und ihn sein Kumpel (Robert Duvall) nicht bewusstlos neben dem Klo findet -, und selbst wenn er die Wampe über dem Gürtel hervorquellen lässt, wirkt das immer noch irgendwie kokett. Aber eigentlich ist er ein Wrack, an Leib und Seele. Junkfraß und Alkohol, die permanente Unbehaustheit haben ihn extrem infarktgefährdet gemacht: "Funny how falling feels like flying ... for a while."

Blake hat viel verloren in seinem Leben - viermal verheiratet und geschieden, ein Sohn, den er über zwanzig Jahre nicht mehr gesehen hat, ein Ersatzsohn auf der Bühne, mit dem er lange spielte, der ihn dann hinter sich ließ und ein großer Star wurde. Nun soll Blake im Vorprogramm in seiner Show spielen und ihm ein paar neue Songs schreiben, eine Wiederbegegnung der besonderen Art. Tommy Sweet heißt der Junge, auch so ein Name als Programm, ihn spielt Colin Farrell.

Keine Wahl, nirgends

Viel verloren, aber dennoch kein Loser - und das ist das Verdienst von Jeff Bridges, der auch als Bad Blake die Frechheit, die Zärtlichkeit, die Unschuld hat, die in seinem ersten großen Film bezauberten, The Last Picture Show, 1971. Er ist jener Sohn einer lost generation, der sich gerade noch davon machen konnte, er hat eine Menge eigenartiger Rollen überlebt, aber sich, angeleitet von jungen Leuten wie Bogdanovich und Coppola oder von alten wie Huston und Eastwood, eine eigene Aura geschaffen.

Besonders mit den Fabulous Baker Boys, die wie viele Künstler gefangen sind, sagt Bridges, in diesem Mythos, dass das Leiden die Quelle ihres Talents sei. Crazy Heart ist nun die Revision dieses Mythos, hier gibt es kein Drama und nirgends eine Wahl zwischen dem Leiden und dem Nichts, es gibt nur das Warten auf den nächsten Tag und dann doch wieder den Griff zur Flasche. Parallel zu Crazy Heart ist Jeff Bridges diese Woche auch in Männer, die auf Ziegen starren zu sehen, neben dem Oscar-Konkurrenten George Clooney, als nächstes wird er für die Coens den Marshall Cogburn spielen, in einem Remake von True Grit. Das war die Rolle, für die John Wayne den Oscar bekam.

Nach seinem wirklichen Namen hat die junge Lokalreporterin Jean (Maggie Gyllenhaal) in Santa Fe Blake gefragt, in einem Interview, das er ihr in seinem muffigen Motelzimmer gewährt, halb angezogen, vor dem nächsten Auftritt. Das Interview ist schnell vorüber, weil es mehr ist als ein Interview, sie kommt am nächsten Tag wieder, und noch einen Tag später ist er dann beim Frühstück in ihrem Haus, mit ihr und ihrem kleinen Sohn.

Zurückhaltung und Verzögerung

Man kann bei Bridges und Gyllenhaal schön sehen, wie das amerikanische Kino auf Zurückhaltung und Verzögerung baut, jene Gelassenheit, die Blicke transparent im Raum schweben lässt, und jene Befangenheit, als wollte man Worte und Sätze, kaum ausgesprochen, gleich wieder zurücknehmen. Ich habe eine Menge Fehler gemacht, sagt Jean, aber ich bemühe mich, sie nicht zweimal zu machen.

Crazy Heart wurde mit Country-TV-Geld finanziert und war ursprünglich direkt für den DVD-Markt gedacht, aber nun gibt es einen Kult um den Film und um Jeff Bridges, der am Sonntag eigentlich den Oscar für seinen Bad Blake abholen müsste - falls die Mitglieder der Academy nicht zurückschrecken vor allfälliger Nostalgie. Aber selbst die Ernüchterung am Ende ist doppeldeutig, Bad Blake schreibt tatsächlich einen Erfolgssong und ist nun im Tross der großen Shows dabei, er tritt auf den Platz vor der Halle, da stehen rechts die Tournee-Trucks und links ist eine Rampe, hinter der gleich die endlose Landschaft beginnt und die Leere, in die man sich verlieren mag.

CRAZY HEART, USA 2009 - Regie, Buch: Scott Cooper. Nach dem Roman von Thomas Cobb. Kamera: Barry Markowitz. Musik: Stephen Bruton, T-Bone Burnett. Mit: Jeff Bridges, Maggie Gyllenhaal, Robert Duvall, Ryan Bingham, Colin Farrell. Fox, 110 Minuten.

Im Video: Johnny Depp als Hutmacher im Wunderland, Jürgen Vogel als DDR-Volkspolizist, Jeff Bridges als Looser und George Clooney als Ziegenflüsterer - keine Frage, die Stars der neuen Kinofilme machen diese Woche so einiges durch.

Weitere Videos finden Sie hier

© SZ vom 04.03.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: