Wissenschaftler:Ohne Panik Professor werden

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In München erforscht Philipp Maume unter anderem, warum sich das Kapitalmarktrecht in Deutschland nur schwer durchsetzen lässt. (Foto: Stephan Rumpf)

Der Jurist Philipp Maume plante schon eine akademische Karriere in Australien. Doch dann kam ein Angebot aus München. Konkret: ein Job-Modell, das nach dem Willen des Bundes Schule machen könnte.

Von Jakob Wetzel

Eigentlich hatte ich vor, in Australien zu bleiben", sagt Philipp Maume. Es hatte sich einfach alles gut gefügt. 2010 war er als Jurist mit Doktorgrad nach Melbourne gezogen, um sich dort fortzubilden. Es sollte nicht mehr sein als ein Aufenthalt auf Zeit, "ich wollte danach sehen, was sich in Deutschland ergibt". Doch dann kam eins zum anderen: Nach einer zweiten Promotion fand er eine Stelle an der renommierten Monash University; die Aussichten, in Australien eine Stelle als Lehrbeauftragter zu ergattern und schließlich Professor zu werden, waren gut. Und er lernte eine Australierin kennen, das Paar ist mittlerweile verlobt. Warum noch zurückkehren? Wenn man zu zweit sei, dann reiche ein "Mal sehen, was sich ergibt" als Perspektive nicht mehr aus, sagt der 36-Jährige. "Mal sehen" - diese Unsicherheit ist für junge Wissenschaftler in Deutschland ja üblich. Doch dann machte ihm die Technische Universität München (TUM) ein Angebot, das der Wirtschaftsjurist nicht ausschlagen konnte.

Viele Zeitverträge und ständige Unsicherheit - der Karriereweg junger Forscher kann zermürben

Seit dem vergangenen Wintersemester ist Maume "Assistant Professor" für Unternehmens- und Kapitalmarktrecht in München. Der Begriff stammt aus dem angelsächsischen Universitätsbetrieb, ein exaktes deutsches Äquivalent gibt es nicht. Maume erhielt eine der ersten Tenure-Track-Professuren, die an der TUM vergeben wurden: eine befristete Stelle, die nach spätestens sechs Jahren in eine Festanstellung auf Lebenszeit umgewandelt wird. Bedingung ist lediglich, dass er bestimmte, zu Beginn vereinbarte Kriterien erfüllt. Wenn er sich bewährt, wird er zusätzlich befördert, vom "Assistant" zum "Associate Professor" mit höherem Grundgehalt.

An der TUM existiert das Modell seit 2012. Bis heute hat die Universität 43 Tenure-Track-Professoren berufen. An der benachbarten Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) ist das Modell noch länger etabliert. In den Augen von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) gehören die Münchner damit zu den Vorbildern. Denn Nachwuchswissenschaftler bräuchten planbare und verlässlichere Entwicklungsmöglichkeiten. Im SZ-Interview im Januar sagte Wanka: "Befristete Verträge haben gerade in der Wissenschaft ihren Sinn, werden aber teilweise ausgenutzt." Und bei einer Tagung des Deutschen Hochschulverbands kündigte sie kürzlich an, sich bundesweit um mehr Tenure-Track-Stellen zu bemühen: Der Bund wolle Geld bereitstellen. "Wir brauchen dies für die internationale Wettbewerbsfähigkeit."

Bislang sind die Berufsaussichten für Nachwuchswissenschaftler in Deutschland geradezu zermürbend schlecht. Viele junge Forscher hangeln sich nach der Promotion panisch von Zeitvertrag zu Zeitvertrag. Oft werden sie mit Lehrveranstaltungen überladen, sodass kaum Zeit für eigene Forschung bleibt. Wem es doch gelingt, sich zu habilitieren, der hat geringe Chancen auf eine Professur, es gibt zu wenige Stellen. Wer leer ausgeht, landet auf dem Arbeitsmarkt, bestens qualifiziert, aber nicht immer leicht zu vermitteln. Dann sind die Forscher oft schon 40 Jahre alt.

Tenure-Track-Professuren sollen hier eine Alternative sein. Nur: Sie sind nach wie vor die Ausnahme. Das geht aus der noch unveröffentlichten, von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung geförderten Studie "Die Juniorprofessur" des Instituts für Hochschulforschung in Halle-Wittenberg hervor. Bei einer repräsentativen Umfrage Ende 2012 gaben hier nur etwa 15 Prozent der Juniorprofessoren an, dass sie per Tenure Track Aussicht auf eine unbefristete Anschlussprofessur haben. Besonders selten ist das Modell demnach in den Geistes-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften.

Dabei unterscheiden sich die einzelnen Konzepte - etwa an der TUM, den Universitäten Freiburg und Göttingen oder auch an der LMU - nur im Detail. Die Kriterien, denen die Professoren gerecht werden müssen, ähneln sich: Zentral sind herausragende Leistungen in Lehre und Forschung, gemessen zum Beispiel an Gutachten, an Publikationen oder daran, ob der Professor für seine Forschung Drittmittel einwerben konnte. Dazu kommen Maßstäbe wie Führungskompetenz, die Förderung von Doktoranden und ein Engagement in den Gremien der Hochschule. Beurteilt wird das alles nicht zuletzt von externen Wissenschaftlern.

Die Unterschiede stecken in den Details, zum Beispiel in der Länge der Evaluationsfristen oder im Gehalt. Die Unis in Göttingen und Freiburg etwa berufen hauptsächlich Tenure-Track-Juniorprofessoren mit dem niedrigen Grundgehalt der Stufe W1 - bessern allerdings zuweilen durch Zulagen nach. Andere setzen grundsätzlich eine Gehaltsstufe höher an, also bei W2. Und während beispielsweise die TU München und die Uni Freiburg bei bestandener Evaluation automatisch eine Beförderung auf die höchste Stufe W3 spendieren, gibt es diese Möglichkeit andernorts eher nur im Ausnahmefall.

"Tenure Track"-Modell: Wer sich sechs Jahre bewährt, dem winkt eine Anstellung auf Lebenszeit

Philipp Maume hat das Angebot der TU München derart überzeugt, dass er selbst seine Verlobte überredete, ihn zu begleiten. Sie ist ebenfalls Juristin, aber spezialisiert auf australisches Steuerrecht - in Deutschland eine schwierige Nische. Dennoch hätten sie den Umzug bislang nicht bereut. "In Deutschland Professor zu werden, das ist besser als irgendwo sonst auf der Welt." Nirgends seien Professoren in ihrer Forschung so frei. Bereits jetzt ist er gleichberechtigtes Mitglied im Professorenkollegium und keinem Lehrstuhl unterstellt. Überzeugt habe ihn nicht zuletzt, dass er voraussichtlich am Ort bleiben könne, sagt Maume. Er sei jetzt in einer Lebensphase, in der er Wurzeln schlagen und eine Familie gründen möchte. Während Universitätskarrieren Wissenschaftlern oft die Bereitschaft abverlangen, immer wieder umzuziehen, habe er dank Tenure Track eine langfristige Perspektive in München.

"Natürlich, eine gewisse Unsicherheit bleibt", sagt Maume. Er muss sich bewähren, sich reinhängen, richtig gute Arbeit abliefern. Aber damit könne er leben. Er wisse ja grob, was von ihm erwartet wird.

© SZ vom 07.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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