Bad Tölz:Kleine Firmen groß im Geschäft

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Bad Tölz hat einige innovative Unternehmen. Das zeigt eine Tour mit Bundestagsabgeordnetem Alexander Radwan

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Auf dem Tisch im Konferenzraum liegt ein Zettel, vollgekritzelt mit chinesischen Schriftzeichen, gleich daneben ein Prospekt in englischer Sprache. Am Morgen hatte Thomas Ostheimer eine zehnköpfige Delegation aus China, Thailand und Sri Lanka zu Gast. Die Firma Attec Automation GmbH, die er vor 20 Jahren mit Andreas Estner gründete, habe ihre Kunden in der ganzen Welt, "wir treten nur auf dem ausländischen Markt auf", erklärt er. Am Nachmittag sitzt er einer Abordnung gegenüber, die eine weit kürzere Anreise hatte. Der CSU-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis, Alexander Radwan, hat sich mit dem CSU-Landtagsabgeordneten Marin Bachhuber, den Bürgermeistern Josef Janker (CSU) und Andreas Wiedemann (FWG) sowie Citymanager Falko Wiesenhütter am Dienstag auf eine Tour durch Bad Tölz begeben, um innovative Unternehmen kennen zu lernen.

Ostheimer nutzt die Gelegenheit, um zwei Dinge loszuwerden, die ihn fuchsen. Für seine Gäste gebe es in Tölz einfach "kein gescheites Hotel", moniert er. Und außerdem sei die Internetverbindung "da heroben eine Katastrophe". Die Antwort Jankers lässt nicht auf sich warten: "Da sind wir dran." Für Wiesenhütter lässt sich zumindest das Problem mit dem Internet rasch lösen, da es im Gewerbegebiet auf der Flinthöhe einen zweiten Anbieter gebe, der eine flottere Verbindung ermögliche.

CSU-Bundestagsabgeordneten Alexander Radwan im Gasthaus in Bad Tölz. (Foto: Manfred Neubauer)

Was genau Attec produziert, ist in der Kurstadt kaum bekannt. Beim Fußballspielen werde er von Freunden immer gefragt, was seine Firma mache, "das weiß kein Mensch", erzählt der Geschäftsführer. Spezialisiert hat sich das Unternehmen mit 20 Mitarbeitern vor allem auf die Planung, Konstruktion und Produktion vollautomatischer Hochregallager für die Lebensmittelbranche, vor allem für die fleischverarbeitende Industrie. Sie entwickelt dafür Hardware und Software, vom Bau von Schaltschränken bis zur Programmierung von Steuerungssystemen. Ostheimer lässt einen Film über ein solches Lager in Bangkok laufen, wo blaue Plastikkörbe zwischen hallenhohen Regalen wie von Geisterhand von links nach rechts, von oben nach unten transportiert, gekippt und wieder aufgerichtet werden. Auch das Münchner Hofbräuhaus hat Attec beliefert. In der Halle für Fleischverarbeitung in Ottobrunn steht ebenfalls ein Regallager des Tölzer Betriebs. Überdies ist Attec im Pressenbau tätig und kooperiert dabei mit der Firma Frey in Lenggries. Hergestellt werden etwa Düsen für Feuerwehrschläuche oder Kugeln für künstliche Hüftgelenke. Um Aufträge ist dem Geschäftsführer nicht bange. "Wir sind in der glücklichen Lage, von Kunden angesprochen zu werden", sagt er. Die kommen aus Asien, aus Russland, aus Lateinamerika. Das Unternehmen soll Ostheimer zufolge schlank bleiben, allerdings sucht er dringend Auszubildende, vor allem in der Elektrotechnik. "Wir würden gerne welche einstellen, aber das ist schwierig."

Von den Fenstern der gut gelüfteten Hallen und lichten Büros der Firma Rollo Solar Melchiar GmbH geht der Blick überall hinaus auf Baumwipfel. Voriges Jahr hat das Unternehmen für seine 50 Mitarbeiter einen schmucken Neubau am Rande des Gewerbegebiets Im Farchet errichtet und rundum selbst noch einige Bäume gepflanzt. Seit 30 Jahren entwickelt und fertigt der Familienbetrieb Abdeckungen für Schwimmbäder, und das nicht bloß für das übliche rechteckige Becken in einem Freibad, sondern für alle möglichen Pool-Designs, von herzförmig bis blattförmig, alles vollautomatisch. Die Rollladen dafür bestehen aus PVC und neuerdings aus Polycarbonat, das hagelsicher, temperaturfest, farbbeständig und energieeffizient ist. Die Konstrukteure im Haus, die oben in einem Großraumbüro beisammen sitzen, tüfteln diese Schwimmbaddecken aus. "Es sind tolle Sachen möglich, man muss sich nur herantrauen", sagt Heide Melchiar, die mit ihrem Mann Roland das Unternehmen führt. Unten in den Hallen wird alles selbst gefertigt, sommers sogar im Drei-Schicht-Betrieb. Melchiar hat unter anderem Anfertigungen für den Dachterrassen-Pool auf Schloss Elmau geliefert, wo heuer der G 7-Gipfel stattfindet, oder für einen Villenpark in Sotschi, der für die Olympischen Winterspiele gebaut wurde. Wegen der Wirtschaftssanktionen sei das Geschäft mit Russland etwas eingebrochen, sagt Heide Melchiar. Dafür sei man dabei, auf dem schwierigen US-Markt Fuß zu fassen, wo weniger auf die Qualität als auf einen günstigen Preis geachtet werde. Im Ausstellungsraum im Erdgeschoss stehen zwei kleine Vorführbecken, allerdings ohne Wasser, weil es noch Winter ist. Die kleinen Bildschirme an einer Säule werden plötzlich schwarz: Sturmtief Niklas stoppt mit einem Stromausfall den Vorführfilm der Firma. So muss sich Heide Melchiar aufs Erzählen beschränken. Über die Schwimmbadabdeckungen könnten Leute mit bis zu 80 Kilo Körpergewicht laufen und bekämen allenfalls nasse Füße, sagt sie. Und dann kommt sie noch auf den wenige Tage zuvor gestorbenen Volksmusik-Entertainer Karl Moik zu sprechen. Der habe sich extra eine Abdeckung gekauft, "weil er zwei Hunde hat". Eine Sorge teilt die Firmenchefin mit Attec-Geschäftsführer Ostheimer: Auch bei ihr könnte das Internet-Tempo flotter sein.

Das Ziel der Politikerdelegation war das Tölzer "Gasthaus" mit eigener Brauerei und einem sanierten alten Kellergewölbe. (Foto: Manfred Neubauer)

Das "Gasthaus" nahe der Mühlfeldkirche ist die letzte Station der Tour. Aus diesem simplen Namen für ein Restaurant haben die beiden Inhaber Tino Kellner und Claus Hühnlein seit 2009 eine bekannte Adresse gemacht. Gleich neben den Gasträumen in Erdgeschoss haben sie ein kleines Sudhaus eingerichtet - mit dem Mühlfeldbräu bekam das vormals in der Bierherstellung traditionsreiche Bad Tölz wieder eine Brauerei. Maximilian Liebhart hat dort gerade seine Ausbildung zum Brauer beendet. Für ihn sei das "ein riesiges Privileg" gewesen, sagt er. Anders als in einer Großbrauerei sei er hier "viel näher am Produkt" und könne manches am Geschmack verändern. Jeden Monat gibt es ein Spezialbier. Amber Ale, Pils, Starkbier, Sommerweißbier, jetzt zu Ostern ein Weißbierbock. Bis zu zehn Hektoliter können in den Kesseln am Tag gebraut werden, der Jahresausstoß beträgt bis zu 10 000 Hektoliter. Den Kunden biete man Flaschen mit Schnappverschluss an, die sie sich wieder mit Bier auffüllen lassen könnten, sagt Kellner. "Das ist so wie früher." Im Kellergewölbe finden 60 bis 80 Gäste Platz, es gibt eine kleine Bühne für Kabarett und Konzerte. Die gebogene Decke besteht zur Hälfte aus Ziegelsteinen. Der Keller stammt aus dem Jahr 1812 und diente als Lager für eine Brauerei, bei der Renovierung vor sieben Jahren war er verschüttet und musste freigelegt werden. Gäste haben die beiden Inhaber stets, Jung und Alt, Kindergeburtstage, Feiern zum 80. Geburtstag, Hochzeiten, Firmenjubiläen. "Wir sprechen eigentlich alle an", sagt Kellner. Für Bürgermeister Janker ist das "Gasthaus" ein "Glücksfall für Tölz". Durch die Renovierung seien auch Häuser in der Nachbarschaft wieder saniert worden, das sei nun "ein richtiger Stadtteil". Auch Radwan gefällt's. Sein Resümee der Tour: "Wir haben viele Perlen bei uns und kriegen das gar nicht so mit."

© SZ vom 02.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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