Hessisch für Anfänger:Babbelste mit?

Wer als Zugezogener in Frankfurt irgendwann mit "Ei, Gude wie?" begrüßt wird, kann sich glücklich schätzen: Er hat hessische Freunde gefunden.

Von Sebastian Krass

Babbeln: Ein Wort wie gemacht für das Frankfurter Mundwerk, weil es nur weiche Konsonanten hat und es keine Notwendigkeit gibt, Kiefer und Zunge mehr in Bewegung zu setzen als unbedingt nötig. Synonyme wie "sprechen" oder "sich unterhalten" erfordern ungleich mehr Aufwand.

Bällchen (Bällsche): Auswärtige wundern sich manchmal, wenn Frankfurter im Eiscafé bestellen: "Drei Bällchen in der Waffel, bitte." Aber so heißen Eiskugeln hier nun mal.

Batschkapp: Mit diesem lautmalerischen Wort bezeichnen Frankfurter eine Schiebermütze - und einen traditionsreichen Club. Dessen Gründer Ralf Scheffler stammt ebenso aus der Frankfurter Spontiszene wie Ex-Außenminister Joschka Fischer. In der alten Batschkapp in Eschersheim sind viele Bands im Karrierestadium zwischen Jugendzentrum und Stadion aufgetreten, zum Beispiel Nirvana, die Red Hot Chili Peppers oder Die Toten Hosen. Und unzählige pubertierende Jugendliche haben dort ihre ersten Pogo-Erfahrungen gemacht. Heute steht auf der Homepage der hübsche Satz: "Zutritt zu allen Discos & Partys erst ab 18 Jahren! Sog. 'Mama'-Zettel können wir leider nicht akzeptieren." 2013 ist die Batschkapp in den Stadtteil Seckbach umgezogen.

bei: Ersetzt in unverfälschtem Frankfurterisch oft die Präposition "zu". So geht man nicht "zum Arzt" oder "zum Eintracht-Frankfurt-Spiel", sondern eben "bei'n Dokter" oder "bei die Eintracht".

Bembel: Ein Krug aus Steingut, der außen meist mit blauen Mustern verziert und innen mit Apfelwein gefüllt ist. Gibt es in unterschiedlichen Größen: Fünfer, Siebener oder Zehner. Die Zahl zeigt an, wie viele Gläser Apfelwein in den Bembel reinpassen. Der Krug hält den Apfelwein schön kühl und erspart dem Kellner Laufwege.

Deutsches Turnfest - Bembel-Test

Gestatten, der Bembel.

(Foto: dpa)

Brickegickel: Ein goldener Hahn, der auf einem Denkmal auf der Alten Brücke thront. Um den Brickegickel rankt sich eine Sage aus dem Mittelalter: Der Baumeister, der sich verpflichtet hatte, die Brücke über den Main zu einem gewissen Zeitpunkt fertigzustellen, merkte irgendwann, dass er es nicht schaffen würde. In seiner Verzweiflung bat er den Teufel um Hilfe. Der sagte zu, stellte aber die Bedingung, die Seele des ersten Lebewesens zu bekommen, das über die Brücke geht. Der Baumeister willigte ein und der Teufel baute die Brücke flugs fertig. Am darauffolgenden Morgen schickte der Baumeister als Erstes einen Hahn über die Brücke. Der Teufel, der auf eine menschliche Seele gehofft hatte, war außer sich vor Wut, zerriss den Hahn in Stücke und pfefferte diese durch die Brücke, sodass zwei Löcher entstanden.

dem sei: Im Hochdeutschen mag es heißen: "Das ist sein Auto" oder "Das ist dessen Auto". In Frankfurt ist es ganz einfach "dem sei Audo".

Dippemess: Früher, also vor ein paar hundert Jahren, war die Dippemess wohl tatsächlich eine Fachmesse für Keramikwaren, darunter auch Töpfe, die in Frankfurt "Dippe" heißen. Ein paar davon gibt es auf der Dippemess auch heute noch zu kaufen. Vor allem aber ist sie eines der größten Volksfeste in der Rhein-Main-Region. Sie findet jeweils im April und im September im Osten der Stadt, auf dem Festplatz am Ratsweg, statt.

Dippegucker: Jemand, der gern nachschaut, was auf dem Herd so köchelt.

Ebbelwoi, auch Ebbelwei oder Äppelwoi: Frankfurter Apfelwein schmeckt ganz anders als französischer Cidre. Neulinge finden das erste Glas meist noch sehr speziell, das zweite schon weniger und ab dem dritten geht's dann eigentlich ganz gut. Der Alkoholgehalt liegt etwas über dem von Pils. Mit Mineralwasser gemischt (im Lokal einen "sauer Gespritzten" bestellen), ergibt sich ein erfrischendes Getränk. Es gibt Apfelwein auch mit Limonade gemischt, aber Vorsicht: "Süß Gespritzter" gilt bei Puristen als Sünde.

Vom Bembel ins Gerippte

Ebbelwei-Express: Eine bunt bemalte historische Straßenbahn, mit der man Stadtrundfahrten machen kann, inklusive Bewirtung an Bord.

Geripptes: Vom Bembel ins Gerippte, das ist der Weg, den Apfelwein nehmen sollte, bevor er getrunken wird. Das Gerippte ist ein Glas mit einem speziellen netzartigen Muster. Die üblichen Größen sind 0,25 und 0,5 Liter, vereinzelt stößt man noch auf 0,3-Liter-Versionen. Geripptes ist auch der Spitzname für den "Westhafen Tower", ein Hochhaus, an dem vorbeikommt, wer vom Hauptbahnhof zum Main geht, und dessen Glasfassade an das Muster der Apfelwein-Gläser erinnert.

Grie Soß: Ist eine, wenn nicht die regionale Spezialität. Die "grüne Soße" basiert auf einer Mischung aus sieben Kräutern (Borretsch, Kerbel, Kresse, Petersilie, Pimpinelle, Sauerampfer und Schnittlauch), die man im Gemüseladen oder auf dem Markt als kleines Paket kaufen kann. Klein gehackt werden sie mit Schmand oder saurer Sahne und einigen anderen Zutaten vermischt. Über die Details der Zubereitung führen Fachleute erhitzte Diskussionen. Wenn man es halbwegs richtig macht, entsteht eine aromatische Soße, die meist mit Kartoffeln und hartgekochten Eiern oder Tafelspitz gereicht wird.

Gude/Gude wie/Ei, gude wie: Der Bayer sagt "Servus" oder "Griaß di", der Norddeutsche "Moin" und der Frankfurter "Gude", eine Kurzform von "Guten Tag". Die Ergänzung um ein "Wie" gibt dem Gegenüber die Möglichkeit zu antworten, wie es ihm geht - das wird aber nicht unbedingt erwartet. In der Langversion mit einem vorangestellten "Ei" signalisiert die Grußformel Freude oder Überraschung, das Gegenüber zu sehen. Wer als Zugezogener solchermaßen begrüßt wird, hat es also geschafft in der neuen Heimat.

Handkäs mit Musik: eine weitere Säule der regionalen Küche, die jedes Ebbelwoi-Lokal im "Kleine Gerichte"-Portfolio hat. Der für Hessen typische Sauermilch-Käse wird dafür in Scheiben geschnitten und in einer Mischung aus Essig, Öl und Kümmel eingelegt. Darüber wird ein kleiner Berg aus gehackten rohen Zwiebeln gestreut - die "Musik" im Gericht. Das Wort "Musik" ist übrigens ein schönes Beispiel dafür, wie sich der Klang des Frankfurterischen vom Hochdeutschen unterscheidet. Denn hier wird Musik auf der ersten Silbe betont, wie so ziemlich jedes andere Wort auch, zum Beispiel Cousin oder Chaussee.

Hibbdebach und dribbdebach: Diesseits und jenseits des Mains liegen die zwei Teile Frankfurts. Die Perspektive ist von der historischen Altstadt aus gedacht: Hibbdebach ist der nördliche Teil, dribbdebach ist im wesentlichen Sachsenhausen, der inzwischen größte Stadtteil Frankfurts, der besonders für die hohe Dichte an Ebbelwoi-Lokalen bekannt ist.

Kreppel: ein Stück Teig, in Fett gebacken, oft gefüllt mit Marmelade und bestäubt mit Puderzucker. Die Bayern nennen es Krapfen, die Norddeutschen Berliner und die Berliner Pfannkuchen. In Frankfurt ist es: ein Kreppel.

SGE: Jedes Kind in Deutschland kennt Eintracht Frankfurt - oder sollte sie kennen. Warum? Wo soll man da anfangen: Jay-Jay Okochas unfassbares Tor gegen Oliver Kahn, Anthony Yeboah, einst der beste Stürmer der Bundesliga (seine Fans sind die Zeugen Yeboahs), der serbo-hessische Trainer Dragoslav Stepanovic mit Trenchcoat, Schnäuzer, Zigarillo und einem Satz für die Ewigkeit: "Lebbe geht weider". Um nur ein paar Beispiele zu nennen. In Frankfurt ist oft nur die Rede von der "SGE", das steht für Sportgemeinde Eintracht Frankfurt.

Wäldchestag: ein spezieller Frankfurter Festtag, immer am Dienstag nach Pfingsten. Früher schlossen Geschäfte und Büros am Mittag und die Leute gingen "ins Wäldche", zu einem Jahrmarkt im Stadtwald. Der Charakter des Frankfurter Nationalfeiertags ist inzwischen weitgehend abgeschliffen. Aber das insgesamt viertägige Volksfest gibt es immer noch.

Wasserhäuschen: So heißen in Frankfurt Kioske oder Trinkhallen. Manche sind etwas windschiefe Hütten, die wie zufällig auf einer Verkehrsinsel stehen, manche sind kleine Prachtbauten, die repräsentativ am Eingang zu einem Park liegen. In Wasserhäuschen gibt es auch zu sehr früher oder sehr später Stunde Getränke, Snacks, Zeitschriften und anderes Lebensnotwendiges zu kaufen. Die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten hat die Wasserhäuschen allerdings um ihr Alleinstellungsmerkmal gebracht.

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