Regisseur des ersten Franken-"Tatorts":"Nürnberg ist kein Vorort"

Franken-Tatort

"Was für eine hilfsbereite Stadt, ein Traum!": Regisseur Max Färberböck über Nürnberg.

(Foto: Julia Müller)

Ein bayerischer Regisseur für einen fränkischen "Tatort"? Geht das? Mit Max Färberbock sogar sehr gut. Im Interview spricht er über die grenzenlose Hilfsbereitschaft der Nürnberger - und warum sich die Waffe in seinem Film den Täter sucht, und nicht umgekehrt.

Von Olaf Przybilla

Der rote Teppich ist kein Requisit, mit dem sich Nürnbergs Stadtbevölkerung häufiger konfrontiert sieht. Am Sonntag aber muss es mal sein: Zwei Stunden vor dem ersten Franken-Tatort in der Geschichte der ARD wird der Teppich am Gewerbemuseumsplatz entrollt, Nürnberg darf dem Filmteam zujubeln. Mit dabei ist auch der Münchner Max Färberböck, der den Tatort als Regisseur verantwortet. Ein Gespräch über das Filmpotenzial Frankens und eine euphorisierte Stadt.

SZ: Wie haben Sie Nürnberg erlebt?

Max Färberböck: Üblicherweise stehen die Ampeln ja auf Rot, wenn man in Städten was drehen will. Was die Dreharbeiten im öffentlichen Raum oft ziemlich kompliziert macht. In Nürnberg war das anders. Was für eine hilfsbereite Stadt, ein Traum!

Die Ampeln standen da auf Grün?

Sogar als die Ampel einmal auf Rot stand, ganz konkret jetzt, als wir nämlich von der Autobahn zum ersten Mal rein in die Stadt kamen, hatte das noch was Positives: Wir standen da an einer Kreuzung direkt vor so einem recht markanten Waffengeschäft.

Vermutlich in Nürnbergs Südstadt?

Kann sein, Sechzigerjahre-Bauten ringsherum, ein altes Warenhaus, in der Nähe Hochleitungen. Dieses Waffengeschäft hat uns auf eine Idee gebracht. Mir ist ein Text von Jorge Luis Borges eingefallen, wie sich zwei Dolche an einer Wand hängend darüber unterhalten, wen sie sich als Täter aussuchen. Das war der Urgedanke: Da ist eine Waffe, die sich einen Täter sucht. Ich war anfangs nicht ganz sicher, ob ich gemeinsam mit Catharina Schuchmann auch das Drehbuch für diesen Tatort schreiben soll. Und ob unsere BR-Redakteurin Stephanie Heckner, die uns so vom Potenzial dieser Stadt vorgeschwärmt hatte, wirklich recht hat. Nach zwei Tagen Nürnberg war uns klar: Sie hat recht. Wir machen das.

Warum?

Wir haben Nürnberg als außerordentlich spannungsreiche Stadt erlebt. Und ich habe mich ehrlich gesagt gleich an diesen ersten Tagen gefragt, warum dort nicht schon viel mehr Filme gedreht wurden.

Was meinen Sie konkret?

Diese Stadt hat schon rein optisch außergewöhnliche Qualitäten für Filmemacher. Ihre Vergangenheit, die Brüche in der Historie, spürt man überall. Als Münchner war ich völlig überrascht von dem historisch großen Entwurf dieser Stadt. Und damit meine ich beileibe nicht erst die Nazi-Zeit.

Sondern?

Nürnberg war ja lange davor eine bedeutende Handelsmetropole. Von diesem bürgerlichen Stolz spürt man noch ganz viel. Der aber wird permanent kontrastiert mit der eher proletarisch geprägten neueren Vergangenheit und den Wiederaufbau-Versuchen nach dem Krieg. Erinnert mich sehr an Köln. Diese beiden Städte habe ich nie so richtig begriffen: Wie diese große Geschichte dieser Städte dann nach dem Krieg in einer Architektur mündete, die zum Teil gar nichts Großes mehr haben durfte. Die imposanten Sandstein-Bürgerhäuser, die es in Nürnberg gegeben haben muss, die gibt es ja nur noch selten. Sehr schade. Jetzt dominieren an vielen Stellen die Fünfzigerjahre und damit etwas Geducktes. Alles, was mal groß angelegt war, sollte offenbar runtergedreht werden.

Wer Sie traf an den ersten beiden Tagen in Nürnberg, dem drängte sich der Eindruck auf: Sie waren nicht nur entzückt.

Schon richtig, und das lag wohl auch am Blick auf das Angebot in der Innenstadt. Da gibt es alle Marken, die der Markt so hergibt. Aber eben auch eine sehr breite Sparte mit irgendwelchen Billig-Shops. Und man hat den Eindruck: Da gibt es, wie soll man das sagen, ein ungelöstes Gefühl bei den Menschen. Bedingt wohl durch die riesige Vergangenheit dieser Stadt. Und die nicht ganz so große Gegenwart.

Ein ungelöstes Gefühl?

Wenn man sich nur mal damit beschäftigt, wie Franken an Bayern angegliedert wurde. Was die Franken mal für ein großer und stolzer Volksstamm waren. Und im Grunde ja bis heute sind. Und wie wirtschaftlich bedeutend diese Region war und ist. Im Nachhinein hab ich mir schon gedacht: Na ja, ein Wunder ist es nicht, dass die Franken das irgendwie merkwürdig finden, dass in einer so großen Stadt wie Nürnberg fast keine Filme gedreht wurden!

In Ihrem Tatort fällt der Satz: "Hier waren die Kaiser, da haben die sich da unten noch mit Knödeln beworfen."

Der Satz stammt von einem der Schauspieler, er fiel während einer Improvisation. Auf den Satz konnten und wollten wir dann einfach nicht mehr verzichten.

Das Klischee von Nürnberg wird dominiert von Butzenscheiben und Bratwürsten. Sie haben urbane Bilder gefunden.

Na ja: der Plärrer, das Justizgebäude, die Oper, der Bahnhof, die Fürther Straße mit ihren zugrunde gegangenen Weltunternehmen Quelle, AEG, Triumph Adler und diesen riesenhaften Verkehrsunterführungen - das haben wir alles schon bei unserer ersten Nachtfahrt quer durch Nürnberg gesehen. Da gibt es ja ganz offensichtliche Geschichten. Mal ganz abgesehen davon, dass das alles auch fotografisch viel hergibt. Da kommt man gar nicht erst auf den Gedanken, einen klassischen Heimatfilm zu drehen. Und als Regisseur will man natürlich dieses urbane Gefühl auch einfangen. Nürnberg ist kein Vorort. Nur weil die Stadt noch nicht diese Präsenz im Fernsehen hatte, ist sie ja nicht weniger groß.

Zur Person

Max Färberböck, 64, ist in Oberbayern aufgewachsen. Zunächst am Schauspielhaus in Hamburg beschäftigt wechselte er 1990 zum Film. Sein Kinofilm "Aimée und Jaguar" wurde mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet.

Wie skurril wirkte es auf Sie, dass eine Halbmillionenstadt die Leute vom Film beinahe wie Erlöser empfangen hat?

Ja, schon ein außergewöhnlicher Vorgang. So was habe ich noch nie irgendwo erlebt. Es gab niemanden, keine Institution, die irgendwelche Bedenken an uns herangetragen hätte. Es gab da ja vorab sogar Zweifel: Ob so ein bayerischer Regisseur für einen Franken-Tatort überhaupt geeignet ist? Aber das hat sich dann irgendwie erledigt. Die Polizei hat uns gleich Zettel für die Autos zugesteckt, mit denen wir überall parken durften. Hab ich so auch noch nie erlebt. Wir sind auch relativ spontan zum Justizpalast gefahren, um dort zu drehen. Der stellvertretende Oberlandesgerichtspräsident war mitten in der Arbeit, hat uns aber alles ermöglicht und auch noch angeboten, Kaffee über die Straße zu tragen. Es war eine einzige Freude, überall in der Stadt. Und klar: Das hat uns natürlich beflügelt.

Den Film durchzieht ein lakonischer Humor. Beeinflusst durch die Stadt?

Das ist schon mein Humor, glaube ich. Aber ich hatte den Eindruck, dass der mit der Stadt ziemlich gut zusammengeht. Das Indirekte, diese Lakonie der Franken, ihr Understatement ist mir irgendwie nahe. Schauspieler aus Franken tragen dieses Lakonische ja sowieso alle in sich. Da musste ich im Grunde nur noch draufhalten.

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