Street Art:Tor zum Paradies

Kunstwerk Blu

Foto: Lukas Barth

München hat jetzt ein Bild des italienischen Weltstars Blu. Der Künstler hat auf die Fassade einer Berufsschule einen riesigen Geldautomaten gemalt: als strahlende Vision.

Von Catrin Lorch

Italien, so heißt es, besitzt die meisten Originale von Blu. Auch auf die Fassade der Tate Modern in London hat der Street-Art-Künstler schon gemalt, der zudem die zweifelhafte Ehre hatte, dass eins seiner Werk auf den Mauern des Museum of Contemporary Art in Los Angeles sofort überstrichen wurde. Und jetzt hat München ein Bild des italienischen Weltstars: Sechzehn mal acht Meter misst seine Malerei auf der Fassade einer Berufsschule (). Das Riesenformat schwebt über einer Straßenecke, an der die prosperierende Metropole auf der Rückseite des Kunstareals vor dem Hauptbahnhof ausläuft; in ranzigen öffentlichen Bauten und öder Investoren-Architektur.

Blu hat die fahlen Braun- und Grautöne der Umgebung aufgenommen und rahmt damit eine umso strahlendere Vision: Ein Geldautomat öffnet sich wie das Tor zu einem Paradiesgarten. Das Licht, das hervorströmt, lässt ihn wie einen Altar oder Schrein erscheinen - nur, dass man sich hier keine Oblate oder Vergebung, sondern einen dicken, vor Ziffern strotzenden Euro-Schein abholen könnte. Geld, das ist unübersehbar die Botschaft, Geld ist da. Allein, der kleine Junge in kurzen Hosen, der gebannt vor dem Gerät steht, der ist zu klein, er wird nicht drankommen. Wobei - wenn einer so das rechte Ärmchen reckt, dann denken vor allem die Betrachter, die vielleicht kurz zuvor an den Bauten der NS-Zeit vorbeiflaniert sind, womöglich auch an den deutschen Gruß. Oder ist es so, dass man in München einfach gerne vor dem Mammon salutiert?

Die vieldeutige Botschaft ist formal eher im Stil von Murales umgesetzt, den politischen Wandbildern Lateinamerikas, die nur wenig mit der Kunst der plakativen Graffiti zu tun hat. Sprühdosen und Lackfarben verwendet der poetische, nachdenkliche Blu schon seit Jahren nicht mehr. Er arbeitet mit Wandfarben an Motiven, die an Buchillustrationen oder Karikaturen erinnerten - wären sie nicht so gigantisch groß. Dennoch hat Blu nur vier Tage auf der Hebebühne gestanden, sich zuletzt sehr beeilt, denn es sprach sich herum, dass er in der Stadt ist, und es ist ihm wichtig, sein Inkognito zu wahren, auch da, wo er legal arbeitet wie in München.

Denn wahrscheinlich ist das der größte Unterschied zur zeitgenössischen Kunst: Dass ein Maler wie Blu, der sich als Aktivist versteht, anonym bleibt. Er hält sich von Street-Art-Festivals fern und lehnt die meisten Auftragsarbeiten ab. Dass er in München arbeitete, hat Sebastian Pohl mit dem Kunstverein "Positive Propaganda" über Jahre angebahnt - Blu ist wählerisch, was das Umfeld seiner Arbeiten im öffentlichen Raum angeht. Dem prosperierenden München hat Blu jetzt ein Gemälde geschenkt, während er vor ein paar Monaten in Berlin dem hippen Kreuzberg eine Ikone nahm. Dort ließ er - selbstverständlich in einer Nacht-und Nebel-Aktion - die Bilder, die er sieben Jahre zuvor auf Brandwände entlang einer Brache malte, wieder überstreichen. Den Gentrifizierern des inzwischen angesagt und teuer gewordenen Viertels wollte er nicht die Kulissen ausgestalten.

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