Wahlkampf in Großbritannien:Die erstaunliche Verwandlung des Ed Miliband

Ed Miliband Launches Labour Party Election Manifesto

"Ich bin bereit": Die Botschaft von Labour-Chef Ed Miliband war eindeutig, er inszenierte sich als wirtschaftspolitische Stimme der Vernunft.

(Foto: Christopher Furlong/Getty)
  • Labour-Spitzenkandidat Ed Miliband macht im Wahlkampf durch einen gelungenen Auftritt Boden gut. Bisher galt er als steif und unbeholfen.
  • Bei der Vorstellung seines Wahlprogramms präsentiert er seine Partei als kompetent in Wirtschaftsfragen - eigentlich eine Domäne der Konservativen.
  • Er kündigt an, unpopuläre Reformen der aktuellen Regierung zurückzunehmen.
  • In der Labour-Partei gibt es nun wieder Hoffnung, Miliband könne die entscheidende Wende für die Unterhauswahlen am 7. Mai gelungen sein.

Von Christian Zaschke, Manchester

Ed Miliband war konzentriert. Er war souverän. Er wirkte staatsmännisch. Der Vorsitzende der britischen Labour-Partei war sogar witzig, als er am Montag in Manchester das Wahlprogramm seiner Partei vorstellte. Es war sein bester öffentlicher Auftritt seit Langem, und in der Labour-Partei besteht nun die Hoffnung, dass Miliband gut drei Wochen vor den Unterhauswahlen am 7. Mai eine entscheidende Wende gelungen sein könnte.

Zwei Dinge haben die Labour-Strategen zuletzt vor allem beschäftigt: Die Tatsache, dass die meisten Wähler der Konservativen Partei die größere wirtschaftliche Kompetenz zubilligen - und die Persönlichkeit des Chefs. Miliband wirkt bisweilen steif und unbeholfen, kürzlich musste er sich von einem Fernseh-Moderator die Frage gefallen lassen, ob er nicht einfach "ein Nord-Londoner Freak" sei.

Erstmals wirkt Miliband wie ein Aspirant auf das Amt des Premiers

Bei seinem Auftritt am Montag entschied sich Miliband für die Flucht nach vorn, er stellte die Wirtschaft in den Mittelpunkt seines halbstündigen Vortrags vor Labour-Aktivisten. Die Rede war durchdacht, aber nicht spektakulär - bis hierhin war Milibands Auftritt gelungen, wenn auch nicht so bemerkenswert, dass er als potenziell entscheidender Moment des Wahlkampfs zu werten gewesen wäre.

Anschließend beantwortete er eine halbe Stunde lang Fragen der Medien, und in diesen 30 Minuten war Miliband kaum wiederzuerkennen: Er sprach flüssig und voller Selbstvertrauen, er antwortete auf den Punkt und wirkte vielleicht erstmals in seinen viereinhalb Jahren als Labour-Chef wie ein Mann, der tatsächlich Premierminister des Vereinigten Königreichs werden könnte.

Noch vor einem halben Jahr verpatze er seine Parteitagsrede

Die politischen Kommentatoren in allen Lagern zeigten sich in ersten Reaktionen überrascht von Milibands Auftritt. Noch vor gut einem halben Jahr hatte der Labour-Chef seine letzte große Parteitagsrede vor der Wahl verpatzt. Er hatte besonders weltläufig wirken wollen und die einstündige Rede komplett frei gehalten. Dabei waren ihm jedoch zwei Kernaspekte schlicht entfallen: Er erwähnte weder das Thema Einwanderung noch das Staatsdefizit mit einem Wort. Der Spott war gewaltig, und die Stimmung in der Partei war in jenem Herbst des Jahres 2014 am Boden.

Nun trat Miliband erneut in Manchester auf. Das Staatsdefizit stand auf der ersten Seite des Wahlprogramms, und Miliband versprach, es in jedem Jahr bis 2020 zu senken und schließlich zu tilgen. Das Programm, sagte Miliband, sei "ein Schwur, unsere nationalen Finanzen zu beschützen". Für keines der Wahlversprechen müssten neue Schulden aufgenommen werden. Im Gegensatz dazu seien die Tories die Partei, deren Rechnung nicht aufgehe und deren Versprechen 20 Milliarden Pfund kosten würden, von denen niemand wisse, wo sie herkommen sollen. Miliband drehte das gängige Klischee einfach um. In seiner Darstellung stand Labour als Partei der wirtschaftlichen Vernunft da, und die Konservativen wurden zur Partei der unkontrollierten Ausgaben.

"Warum sollen einige die Vorzüge unseres großartigen Landes genießen, ohne dafür zu zahlen?"

Im Detail stellte Miliband Investitionen von 2,5 Milliarden Pfund in den nationalen Gesundheitsdienst in Aussicht, die vor allem über eine jährliche Steuer auf Immobilien finanziert werden sollen, die mehr als zwei Millionen Pfund wert sind. Eine Erhöhung der Strom- und Gaspreise soll bis 2017 ausgeschlossen werden. Der Spitzensteuersatz auf Einkommen von mehr als 150 000 Pfund im Jahr soll wieder auf 50 Prozent steigen. Die Tories hatten den Satz auf 45 Prozent gesenkt.

Zudem will Miliband den besonders umstrittenen, sogenannten non-dom status im Steuerwesen abschaffen. Derzeit müssen in Großbritannien lebende Ausländer nur das Einkommen versteuern, das sie im Land verdienen oder ins Land einführen. Diese Regelung gilt seit 1799. Wirtschaftsverbände warnen, die Abschaffung könnte ausländische Unternehmer vergraulen. Miliband hingegen sagt: "Warum sollen einige die Vorzüge unseres großartigen Landes genießen, ohne dafür zu bezahlen wie alle anderen auch?" Für diese Pläne erhielt er besonders lauten Beifall.

Miliband will Studiengebühren wieder senken

Nicht zuletzt will Miliband eine der unpopulärsten Entscheidungen der Koalitionsregierung teilweise rückgängig machen: Tories und Liberaldemokraten hatten 2010 die Studiengebühren auf 9000 Pfund pro Jahr verdreifacht. Miliband versprach, die Gebühr auf 6000 Pfund im Jahr zu senken.

Ursprünglich war vorgesehen, dass Miliband nach der Vorstellung des Wahlprogramms knapp 15 Minuten lang Fragen beantwortet. Offenbar spürte er aber, wie gut er in Form war und dass dies sein Moment sein könnte. Er nahm immer neue Fragen an, 30 Minuten lang, und ein Beobachter spottete, wenn das so weitergehe, werde Miliband irgendwann auch Fragen von Radio Andorra beantworten. An diesem Dienstag ist es dann an den Konservativen, ihr Wahlprogramm vorzustellen.

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