Bahnindustrie:Schöne neue Züge

Die Hersteller hoffen in diesem Jahr auf mehr Aufträge - wenn China nicht querfunkt. Die deutschen Unternehmen müssen sich jedenfalls auf einen verschärften internationalen Wettbewerb einstellen, meinen Experten.

Von Daniela Kuhr, Berlin

Ein bisschen hat man den Eindruck, dass die Zughersteller sich selbst Mut machen wollen: Nach einem deutlichen Einbruch bei den Aufträgen im vergangenen Jahr erwartet der Verband der Bahnindustrie (VDB) nun wieder mehr Bestellungen. Vor allem im Regionalverkehr gebe es zur Zeit viele Ausschreibungen, sagte VDB-Präsident Martin Lange am Dienstag in Berlin. Da kämen mit Sicherheit einige neue Aufträge für die Zughersteller bei raus. Für Pendler und Bahnfahrer kann man nur hoffen, dass Lange recht hat.

Denn 27 Millionen Menschen nutzen täglich in Deutschland einen Regionalzug, eine S-Bahn oder eine Straßenbahn. Alle Fahrgäste wünschen sich, dass die Bahnen bequem, komfortabel und zuverlässig sind. Dafür zu sorgen - das ist die Aufgabe von Zugherstellern wie Bombardier, Siemens oder Alstom. Das heißt: je voller deren Auftragsbücher, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die Fahrgäste schon bald in schönen neuen Zügen Platz nehmen dürfen. Deshalb ist es eine gute Nachricht, wenn die Hersteller jetzt wieder mehr Bestellungen erwarten. Im vergangenen Jahr nämlich blieben viele Auftragsbücher leer. Der Umfang der Bestellungen von Zügen und Bahntechnik brach 2014 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als ein Drittel auf 9,5 Milliarden Euro ein. "Das ist enttäuschend", sagte Lange - auch wenn sich der deutliche Rückgang zum Teil damit erklären lässt, dass das Auftragsvolumen 2013 besonders groß war, nachdem die Bahn eine ganz neue Flotte von ICx-Zügen bei Siemens bestellt hatte, die 2017 zum Einsatz kommen sollen. Trotzdem habe sich die Bahnindustrie auch für 2014 mehr Aufträge versprochen, sagte Lange.

Der Umsatz dagegen kletterte vergangenes Jahr um 25 Prozent auf den Rekordwert von 12,5 Milliarden Euro. Grund dafür ist, dass die Zughersteller endlich Züge ausliefern konnten, die zuvor lange auf ihre Zulassung durch das Eisenbahnbundesamt hatten warten müssen.

Die zwei großen nationalen Zughersteller Chinas fusionieren - um international anzugreifen

Für dieses Jahr sind die Zughersteller einigermaßen optimistisch. Einen ersten Großauftrag für Züge des Rhein-Ruhr-Expresses im Wert von zwei Milliarden Euro gab es bereits. Zudem liefen mehrere Ausschreibungen im Regionalverkehr, vor allem in Baden-Württemberg, die sicher ebenfalls weitere Aufträge mit sich brächten, sagte Lange. Mit Sorge sieht er jedoch, dass die wegen der Ukraine-Krise verhängten Sanktionen Russland veranlassten, sich zunehmend nach China zu orientieren. Dort sei ohnehin gerade mit der Fusion der beiden führenden chinesischen Zugproduzenten China North und China South ein Unternehmen entstanden, das so groß ist wie die Bahntechniksparten von Siemens, Bombardier und Alstom zusammen. Die Zughersteller in Deutschland müssten sich daher auf verschärften internationalen Wettbewerb einstellen.

Derweil wird in der Branche über die Zukunft der Zugsparte von Bombardier spekuliert. Vergangene Woche hatte die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, der Konzern prüfe verschiedene Optionen, das Bahn-Geschäft zu Geld zu machen: etwa einen Börsengang oder einen Verkauf an einen Konkurrenten. Angeblich will Bombardier mit dem auf bis zu fünf Milliarden Euro taxierten Erlös seine schwächelnde Flugzeug-Sparte stärken. Am Wochenende hieß es jedoch, Bombardier-Chef Pierre Beaudoin habe zugesichert, die Eisenbahn-Sparte nicht komplett zu verkaufen. Das Gerücht, dass ein Teil der Sparte an einen großen Konkurrenten in Europa gehen könnte, etwa an Siemens, halten Insider aber für unwahrscheinlich. "Da hätte vermutlich auch das Kartellamt was dagegen", sagte einer.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: