Neue Therapiemethode:Arzt nimmt erfolgreich Stuhltransplantation vor

  • Am Klinikum Starnberg werden nun Stuhltransplantationen vorgenommen.
  • Die Methode gilt als innovativ und soll bei immer häufigeren komplizierten Durchfallerkrankungen, Darmerkrankungen und chronischen Verdauungsbeschwerden helfen.

Von Blanche Mamer, Starnberg

Im Zentrum für Endoskopie in Starnberg hat Professor Martin Storr Anfang der Woche die erste erfolgreiche Stuhltransplantation vorgenommen. So heißt es knapp in der Ankündigung. Stuhltransplantation? Leichter Ekel ist die erste Reaktion. "Wir kennen den Ekelfaktor und gehen offensiv damit um", sagt der Mediziner. Dabei bringe die Stuhlübertragung von gesunden Spendern den Erkrankten sensationelle Erfolge. Komplizierte Durchfallerkrankungen, entzündliche Darmerkrankungen, chronische Verdauungsbeschwerden, Reizdarm oder auch Verstopfung nehmen immer mehr zu. Epidemiologen gehen davon aus, dass 15 Prozent der Bevölkerung an einer dieser Erkrankungen leiden. Oft helfen Antibiotika nicht mehr, die Patienten reisen von Arzt zu Arzt, ohne dass ihnen dauerhaft geholfen werden kann.

Für die Erkrankten, die nicht selten auch nervlich gestresst sind, stellt der fäkale Mikrobiomtransfer, wie die Therapie medizinisch korrekt heißt, eine Chance dar, langfristig gesund zu werden. Bei wiederkehrenden schweren Durchfallerkrankungen durch den Erreger Clostridium difficile ist sie sogar lebensrettend. Die Gesamtheit der Bakterien im gesunden Stuhl wirkt so, dass sich die geschädigte Darmflora wieder aufbauen kann.

Professor Storr hat sich seit Jahren mit dem Thema Reizdarm befasst. Erst für seine Doktorarbeit, am Klinikum rechts der Isar, dann in der Grundlagenausbildung, für die Habilitation und an der Universität Calgary. Bis Ende 2014 war er Oberarzt am Klinikum Großhadern. Dort hat er die Methode erprobt und weiterentwickelt und das Reizdarm-Telefon eingerichtet. Auch das hat er nun nach Starnberg umgeleitet, sodass alle ratsuchenden Patienten an den Starnberger See verwiesen werden.

Übergewichtige könnten durch die Methode abnehmen

Obwohl Storr schon seit Jahresbeginn im Starnberger Zentrum für Endoskopie praktiziert, hat es drei Monate gedauert, bis alle Behördengänge erledigt waren und die Genehmigungen für den ersten Mikrobiomtransfer vorlagen. "Optimalerweise stammt der Stuhl von einem nahen Verwandten des Erkrankten, den dieser meist mitbringt", sagt Storr. Der Spender wird sorgfältig untersucht. Er soll gesund sein und schlank, und es darf keinen Darmkrebs in der Familie geben. Die Spende wird aufbereitet, gereinigt und verflüssigt. "Aktuell haben wir die Spende bei einer Koloskopie in den Darm der Empfängerin eingebracht. Die Patientin hatte sich für diese Methode entschieden", sagt Storr. Dieses Verfahren verspreche eine 95-prozentige Heilung. "Die Darmspiegelung ist gut etabliert und für die meisten Patienten die erste Wahl", sagt Storr.

Alternativ wäre auch der Transfer des verflüssigten Stuhls über eine Nasensonde in den Dünndarm. Eine dritte Möglichkeit mit Kapseln zum Einnehmen will er demnächst anbieten. Prototypen der kleinen Kapseln liegen bereit. Sie werden für jeden Patienten hergestellt und in der Tiefkühltruhe aufbewahrt. Der Patient, der sich dafür entscheidet, nimmt sieben Tage lang jeweils sieben Kapseln ein. 85 Prozent der Patienten genesen, Nebenwirkungen sind nicht bekannt. Die Kapseln gelten als die Methode mit der größten Zukunft.

Weitere Anwendungen werden diskutiert. Zum Beispiel könnten Übergewichtige abnehmen, nachdem sie eine Stuhltransplantation von Dünnen erhalten haben. Das haben Experimente mit Mäusen ergeben. In der Tiermedizin gibt es die Therapie schon lange. Erstmals notiert wurde die Stuhlübertragung vor 2000 Jahren von chinesischen Medizinern. Vor 150 Jahren wurde sie von Beduinen angewandt, die bei chronischem Durchfall frischen Kameldung aßen.

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