Streit um Ausrichtung:Bizarres aus der AfD

  • Ein Intitiative für einen Mitgliederentscheid findet jetzt auch die Unterstützung von Parteichef Lucke und Hans-Olaf Henkel.
  • Der Entscheid soll Grundsatzfragen klären, die eigentlich auf dem Programmparteitag im November auf dem Plan stehen müssten.
  • In Thüringen wird ein kritisches AfD-Mitglied aus der Fraktion ausgeschlossen.
  • Henkel muss sich gegen Vorwurf der Faulheit wehren.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Seit dieser Woche will also auch Hans-Olaf Henkel den Mitgliederentscheid über die Ausrichtung seiner Partei. Der AfD-Spitzenfunktionär und Europaabgeordenete forderte auf seiner Facebook-Seite und bei Twitter: "Lassen Sie uns gemeinsam basisdemokratisch darüber entscheiden, welche politischen Positionen wir zukünftig vertreten wollen."

Er folgt damit der Empfehlung von AfD-Parteichef Bernd Lucke. Der hatte bereits vergangene Woche für den Mitgliederentscheid geworben. Was insofern interessant ist, als dass die Partei sich ja im November ein Grundsatzprogramm geben will - in dem diese Fragen eigentlich geklärt werden müssten. An diesem Freitag trifft sich der Bundesvorstand zu einer Sitzung.

Wer derzeit Streit sucht, in der Alternative für Deutschland wird er ihn finden. Es ist ein bisschen so wie vormals in der Piraten-Partei. Es wird unterstellt und geätzt, gemutmaßt und herumspekuliert, dass es den Gegnern der AfD eine Freude sein muss.

"Mitglieder verprellt und verstoßen"

Da ist auf der einen Seite der nationalliberal bis rechtsextrem schillernde thüringische Landes- und Fraktionschef Björn Höcke. Der hat mit seiner "Erfurter Resolution" den liberalen Flügel gegen sich aufgebracht. In der Resolution heißt es etwa: Die Partei passe sich "ohne Not mehr und mehr dem etablierten Politikbetrieb an: dem Technokratentum, der Feigheit und dem Verrat an den Interessen unseres Landes". Sie habe "Mitglieder verprellt und verstoßen, deren Profil unverzichtbar ist".

In den Augen der Unterzeichner der Resolution müsse die AfD eine "Bewegung unseres Volkes gegen die Gesellschaftsexperimente der letzten Jahrzehnte" sein. Gemeint sind Themen wie "Gender Mainstreaming, Multikulturalismus, Erziehungsbeliebigkeit". Und sie müsse eine "Widerstandsbewegung gegen die weitere Aushöhlung der Souveränität und der Identität Deutschlands" sein. Was einen klaren Bezug zur rechtsradikalen "Identitären Bewegung" hat, mit der Höcke zumindest sympathisiert.

Das Papier ist nicht weniger als eine innerparteiliche Kampfansage. Der rechtslastige Partei-Vize Alexander Gauland hat das Papier unterschrieben. Parteisprecherin Frauke Petry noch nicht, hält es aber für einen wichtigen Beitrag.

Henkel und andere vom wirtschaftsliberalen Flügel schlagen Mitte März mit einer "Deutschland-Resolution" zurück. "Reden wir nicht um den heißen Brei herum", heißt es darin schon im ersten Satz, "wer die sogenannte Erfurter Resolution unterschreibt, dem passt die Richtung der AfD nicht. Der will eine andere AfD, eine AfD der flachen Parolen und der schrillen Töne. Der will die Partei auf Provokation und Protest verengen. Der schlägt allen Parteimitgliedern ins Gesicht".

Und jetzt also der auch von Parteichef Lucke unterstützte Mitgliederentscheid. Die Ausrichtung ist auch hier klar: Die AfD soll sich lösen von den Höckes und Gaulands in der Partei. Es gehe darum, "ob die AfD fundamental-oppositionellen und isolationistischen Positionen als Plattform dienen soll", schreibt der Initiator Ronald Geiger von der AfD Baden-Württemberg. "Hierzu müssen wir klar Nein sagen. Solche Ideen stehen im Widerspruch zu unseren Programmen und politischen Leitlinien."

Höcke scheint der Widerspruch nicht zu beeindrucken. Erst am Mittwoch dieser Woche ließ er einen internen Kritiker kurzerhand aus der Fraktion ausschließen. Das Vertrauensverhältnis der Fraktionsmehrheit zu Siegfried Gentele sei "nachhaltig zerrüttet", hieß es in einer Pressemitteilung der Fraktion. Eine konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit sei nicht mehr möglich.

Manche Fraktionsmitglieder sind "geschockt und fassungslos"

Manche Parteimitglieder haben von dem Rauswurf offenbar erst aus den Medien erfahren. Der Deutschen Presse-Agentur sagte ein AfD-Politiker, er sei "geschockt und fassungslos". Wenn jemand Kritik übe, sei es "ungehörig", darauf mit einem Rauswurf aus der Fraktion zu reagieren.

Gentele ist Fraktionschef Höcke zuvor deutlich auf die Füße getreten. Er zählt etwa zu den Unterstützern der "Deutschland-Resolution". Schon das dürfte Höcke als Affront gewertet haben. "Wenn ein Weg eingeschlagen wird, der zu sehr rechtslastig ist, führt uns das in einen tiefen Graben", begründet Gentele seine Unterstützung. Und legt Höcke indirekt nahe, sich doch bitte eine andere politische Heimat zu suchen. Wer Parolen der Rechten vertreten wolle, "soll sich einer solchen Partei anschließen und nicht die AfD als Plattform missbrauchen".

In der Thüringischen Landeszeitung griff Gentele seinen Fraktionschef direkt an: Der fahre "lieber durch Deutschland" und halte Reden, statt sich "um seinen Kreis-, Landesverband oder um die Fraktion zu kümmern". Auf der Homepage der Fraktion ist Gentele auf dem Gruppenfoto am Anfang der Seite inzwischen herausgeschnitten. (Zum Vergleich dieses Bildes hier. Ganz rechts Siegfried Gentele)

Weil Argumente in der Partei offenbar nicht mehr reichen, werden Parteifreunde inzwischen auch persönlich diffamiert. Hans-Olaf Henkel musste sich von seinem Fraktionskollegen im Europaparlament, Marcus Pretzell, Faulheit unterstellen lassen. "In Brüssel sehen wir Hans-Olaf Henkel leider fast gar nicht mehr, er fehlt an allen Ecken und Enden", sagte er der Bild. Pretzell ist allerdings gerade selbst gehörig wegen möglicher Steuervergehen unter Druck. Die Partei prüft gerade die Vorgänge. An diesem Freitag soll der Fall im Bundesvorstand besprochen werden.

Die Bild hat dennoch nachrecherchiert und herausgefunden, dass Henkel in diesem Jahr sechs der bisher sieben Sitzungstage des Industrie-Ausschusses versäumt hat. Henkel ist Vize-Vorsitzender in dem Ausschuss.

Partei-Vize Gauland, inzwischen zum Intimfeind von Henkel aufgestiegen, legte in der Bild nach: "An den Sitzungen des Bundesvorstands nimmt Olaf Henkel quasi nie teil, dafür schreibt er umso mehr E-Mails oder postet etwas bei Facebook", sagte er. Und weiter: "Ich habe keine Lust, im Internet danach zu schauen, was Olaf Henkel gerade denkt."

Henkel kontert, es gehe niemanden etwas an, wo und wie er seinen Urlaub verbringe. Was er von Petry und Gauland hält, hat Henkel Ende März auf Facebook für alle Welt zusammengefasst: "Hören Sie endlich damit auf, sich durch Ihr ständiges Geplappere mit Welt, BamS und Bild zu Lasten von Bernd Lucke zu profilieren und damit der Partei zu schaden!"

Die Schlammschlacht in der AfD wird wohl noch eine Weile fröhlich weitergehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: