Segeln in Bayern:Meister der Flaute

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Idyllisch lässt es sich segeln auf den vielen Gewässern in Bayern. Wind ist allerdings eher Glückssache. (Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • In Bayern gibt es zahlreiche Segelreviere - aber auf vielen Seen ist der Wind eher ein rares Gut.
  • Am Chiemsee, dem Starnberger See und dem Ammersee sind etwa 80 Prozent der Segelschiffe im Freistaat registriert.
  • Jedem Revier eilt unter Seglern sein Ruf voraus - doch der ist nicht immer gerechtfertigt.

Von Karl Forster

Wieder mal ansegeln. Spätestens kurz vor Pfingsten kommt das Schiff ins Wasser, frisch gestrichen unter der Wasserlinie, frisch geputzt darüber. Und dann heißt es wie alle Jahre: raus an diesem Samstag zum Hafen von Bernried, kurzes Skipper-Meeting (eine Kreuz, einmal Vorwindkurs, Ziel, die Flagge zeigt an, ob links oder rechts herum, Spinnaker verboten). Warten auf dem Vorbereitungsschuss, dann wird's eng und immer enger an der Startlinie, und pünktlich nach fünf Minuten geht es los. Die "Triangel" kommt prima auf Backbordbug weg, ein schnelles Boot der 806 International Class, die Zahl steht für die Zentimeterlänge über alles. Der Skipper sieht eine Chance, auf steuerbord zu wenden, hat dann zwar kein Vorfahrtsrecht mehr, aber da ist ja auch kein Feind. Nach gut einer Stunde passiert er die Luv-Boje nahe Seeshaupt als erster. "Stellt schon mal den Champagner kalt!" Der Skipper der "Triangel" hat den Schärenkreuzer hinter sich übersehen.

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:Leinen los!

Der Wind ist Glückssache, aber das Panorama immer beeindruckend: In Bayern kann man auf zahlreichen Gewässern segeln.

Das war ein Fehler. Denn diese "30er Schäre" machte etwas eigentlich Unglaubliches. Sie segelte statt zurück Richtung Ziellinie und Bernried nach Westnordwest in die Bucht von Seeseiten. Was den Weg zurück fast verdoppelte. Aber während die "Triangel" auf Vorwindkurs mangels Wind immer langsamer wurde, bekam die schlanke Schäre am Ufer eine Thermikbrise, Landwind vom Feinsten, und zog am Ufer mit rauem Wind auf und davon. Nun gut, der Champagner wurde trotzdem getrunken auf der "Triangel". Zweiter ist auch nicht schlecht. Aber gewurmt hat's den Skipper trotzdem.

Segeln ohne Wind

Segeln in Bayern, das ist eben doch sehr viel anders als anderswo. Denn bei viel Wind kann's ja (fast) jeder. Aber wenn einer bei null Wind noch fährt, weil er am Rauch der Zigarette sieht, woher ein Lufthauch weht, kann man drauf wetten, dass er in Bayern den Umgang mit Wind und Welle gelernt hat. Auch wenn - und das ist eine aktuelle, eher bittere Erkenntnis - die Sprache solcher Bayerngewässersegler nicht mehr unbedingt bairisch klingt. Das liegt natürlich an den Zuagroasten, die auch auf dem Wasser für die Ausdehnung des Hochdeutschen oder Sonstwasfürdialekte sorgen. Das gute alte "Schmeiß den Schlammhakl eini" statt "Lass fallen Anker" ist ebenso auf dem Rückzug wie "gemma ummi" bei Wende oder Halse.

Wer nun die Wortkombination Bayern und Segeln hört, denkt natürlich zunächst an die drei großen Reviere, an den Chiemsee, den Starnberger See und den Ammersee, wo etwa 80 Prozent der im Freistaat registrierten Segelschiffchen liegen. Die drei Gewässer sind allerdings recht verschieden in ihrem Charakter. Der Chiemsee vermittelt, weil ziemlich rund, einen Eindruck, dem er seinen Spitzname verdankt: bayerisches Meer. Wer draußen auf dem Weitsee weilt, sollte des öfteren nach Westen schauen. Denn Sturm und Gewitter kommen hier oft recht überraschend, weil der Bernauer Berg den Blick auf die Wolkenbildung einschränkt. Des Sees Alleinstellungsmerkmal ist seine Fraueninsel, an der man anlegen und bei Fritzi einen der schönsten Biergärten der Welt besuchen kann (möglichst spät nachmittags, wenn die Touristen wieder geflohen sind).

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Der Starnberger See gilt nicht ganz zu Unrecht vor allem den Ammersee-Seglern als "Bonzensee", was weniger an den Seglern als an der oft schon recht protzigen Uferbebauung liegt. Wer maritim was auf sich hält, durchquert in längs, das sind von Ufer zu Ufer 19,45 Kilometer, in der Sprache der Segler also gut zehn Meilen. Der beste Wind weht auf Höhe Tutzing, die vornehmsten Segler sind im Bayerischen Yachtclub zu Hause, über den ein Kolumnist einmal schrieb, hier knirsche sogar der Kies vornehm und das Pudelchen werden mit Königinpastete gefüttert. Daraufhin war man beleidigt.

Pudel gibt es sicher auch rund um den Ammersee. Königinpastete eher weniger, dafür sehr seltsame Winde, die vor allem Langschläfer ärgern. Bei der großen Oktoberfestregatta beispielsweise, zu der die Starbootsegler aus der ganzen Republik und den benachbarten Ländern anreisen. Startschuss ist da oft um sieben Uhr morgens, weil da "die beste Südthermik" ist, so ein Ammersee-Spezialist vom veranstaltenden Herrschinger Segelclub (wo man übrigens auch mit großer Fröhlichkeit die Frotzeleien zwischen Bonzenseeseglern und Bauernseeseglern pflegt).

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Doch auch jenseits der großen Drei gibt es in Bayern wunderbare Reviere für den Segler, ob Einheimischer oder Gast, wenn auch nicht unbedingt für größere Einheiten. Da wäre im Westen der Forggensee zu nennen, ein Kunstgewässer, der Bändigung des wilden Lech geschuldet. Hier halst und wendet man mit Blick auf Schloss Neuschwanstein und auf den Tegelberg, einen Lieblingsberg der aerodynamisch mit den Seglern verwandten Gleitschirmpiloten.

Segler aus Bayern sind für alle Wetter gerüstet

Ganz im Osten wartet der Waginger See vor allem auf Jollen, die hier Konjunktur haben dank der ortsansässigen Mader-Werft, die in ihrer Geschichte den "Korsar" erfunden hat und die "Tempest", beides Boote, die großen Respekt bei den Seglern genießen, auch wenn ihnen die weltweite Verbreitung versagt blieb. Nahe dem Waginger See liegen Orte mit so seltsamen Namen wie Frühling oder Petting, und von hier stammt auch der Hohe Priester des Ingwers: Alfons Schuhbeck kochte in seinem Waginger Kurhausstüberl, bevor er die Münchner Innenstadt übernahm.

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Nicht vergessen sollte man natürlich zwischen den beiden Exponenten den Tegernsee (eigenes Mikroklima), den Staffelsee mit seinen sieben Inseln, den Wörthsee, wo der Finn-Dinghy-Weltmeister von 1981, Wolfgang Gerz, herkommt, und den Walchensee, der Surfers Liebling ist. Und dann gibt es noch ein paar, aber die werden nicht verraten.

Sicher ist nur, dass, wer irgendwo hier das Segeln erlernt hat, überall auf der Welt mittels Wind gut vorwärts kommt. Ob zwischen den Inseln der Ägäis, zwischen denen unter den Winden in der Karibik oder dort, wo man Lüttje Lage trinkt, im Norden der Republik, dort also, wo man "Gemma ummi" nicht versteht.

© SZ vom 20.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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