FC Bayern in der Champions League:Kopfball-Party heilt die Bayern

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Jérôme Boateng (re.): Größenvorteile beim Kopfball

(Foto: AFP)

Sechs Tore gegen Porto, drei durch Kopfbälle - das drängt den Ärztestreit bei den Bayern in den Hintergrund und zeigt: Extreme Aufholjagden sind sogar ohne die Flügelzange Robben/Ribéry möglich.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Der Chefstratege war verletzt und hatte Pause. Arjen Robben stand vor Anpfiff an der Seitenlinie, er erzählte, warum das Risiko eines Einsatzes für ihn zu hoch sei; und er arbeitete den Ärztestreit um die plötzliche Demission von Doc Müller-Wohlfahrt, der den FC Bayern im Mark erschüttert hatte, noch einmal aus seiner privaten Perspektive auf ("Ich vertraue ihm zu hundert Prozent - das ist schon etwas Besonderes"). Dann gab Robben dem kämpfenden Personal noch eine taktische Empfehlung mit auf den Weg: "Nicht zu viel Herz, auch ein bisschen mit Kopf."

Es wurde dann sehr, sehr viel Kopf. Gepaart mit sehr, sehr viel Herz. Die ersten drei Treffer waren Kopfballtore, kühl angesetzt aus der Erkenntnis, dass die Porto-Abwehr am besten über die Flanken aufzureißen ist. Exemplarisch dafür die Rolle von Philipp Lahm, vom Kapitän, der aus der Zentrale nach rechts vorne in die Robben-Rolle versetzt wurde, um die Bälle in Serie in den Strafraum zu servieren.

Exemplarisch auch, dass im Revier der Porto-Riesen plötzlich der 1,74-Meter-Gigant Thiago den Kopfball-Reigen mit dem 1:0 eröffnete. Was wohl eher der wie narkotisiert wankenden Gäste-Abwehr zu danken war. Und weniger der Tatsache, dass Thiago jener spanische Arzt, der ihn in seiner einjährigen Wettkampf-Pause wegen seines Knieschadens behandelt hatte, nach dessen eigenem Bekunden mit (erlaubten) "Wachstumsfaktoren" behandelt haben will.

Wachstum jedenfalls war ein Thema in diesem ungleichen Duell, das einmal mehr zeigte, welch Unterschied es ausmachen kann, einfach mal die Kulisse zu wechseln. Erst sechs Tage zuvor hatte die Münchner Delegation in Portugal ein haarsträubendes Stolperspiel auf den Rasen gebracht. Und nun, im eigenen Haus, sollen dem dritten Tor insgesamt 26 direkte Pässe vorausgegangen sein, ehe Lewandowski vollendete. Ein Ausdruck jener Strategie, die Pep Guardiola aus Barcelona nach München mitgebracht hat: Nie den Gegner mitspielen lassen, ihm den Ball nehmen und ihn so an den Rand des Irrsinns treiben.

Die Münchner, das deutete Chef Rummenigge am Abend an ("Wir haben telefoniert, es war ein gutes Gespräch"), werden nun alles daranlegen, den Hausfrieden zu kitten und in Kürze eine versöhnliche Sprachregelung mit Müller-Wohlfahrt zu präsentieren. Ein solch heftiger Zwist, das lehrt die Historie dieses Vereins, setzt jedoch stets auch Energien frei, fördert eine Wagenburg-Mentalität, die wohl auch half, ins Halbfinale vorzuspringen. Ein Scheitern hätte den Doc-Konflikt potenziert, die Kopfball-Party aber bot intensive Ablenkung. Sportlich ist da die neue Erkenntnis, dass so ein Sechs-Tore-Festival sogar ohne Ribéry&Robben, ohne Ribrob, möglich ist.

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