Praunheim-Film "Härte" im Kino:Liebe ist kälter als der Tod

"Härte" von Rosa von Praunheim; Andreas Marquardt, Hanno Koffler

Andreas Marquardt (Hanno Koffler, links) ist die böse Zuspitzung des Männer-Klischees "außen hart und innen ganz weich".

(Foto: missingFILMS)

Mit der Wucht eines Straßenkampfs: In seinem schockierenden Film "Härte" porträtiert Rosa von Praunheim den Ex-Karatechampion und Ex-Zuhälter Andreas Marquardt - der von Vater wie Mutter missbraucht wurde.

Von Martina Knoben

Männer sind außen hart und innen ganz weich, wusste schon Herbert Grönemeyer - Andreas Marquardt wirkt wie die böse Zuspitzung dieses Klischees. Das ist kein liebenswert testosterongetriebener Durchschnittsmacho - wenn Marquardt, Ex-Karatechampion, Ex-Zuhälter, Ex-Häftling und -Inkassoschläger, aus seinem Leben erzählt, hat das die Wucht und Härte eines Straßenkampfs. Der Vater ein Sadist, der dem Sohn die Hand quetschte, bis mehrere Knochen brachen; Mutti aus der Hölle hielt schon den Sechsjährigen zu Sexspielen an, um mit ihrem Andy schließlich auch zu schlafen, da war er zwölf.

"Das Schlimme ist", sagt der erwachsene Marquardt, "ich wollte das. Ich fand das gut."

Rosa von Praunheim, Schwulenfilmer ("Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt") sowie Porträtmaler exzentrischer Figuren, vor allem Frauen ("Affengeil - Eine Reise durch Lottis Leben"), erzählt eine Lebensgeschichte wie von Rainer Werner Fassbinder erfunden: Liebe ist kälter als der Tod. . . Schockierend ist nicht nur der furchtbare Missbrauch eines Jungen, mindestens so schlimm sind die Macht- und Verführungsmechanismen, die von Praunheim so präzise notiert.

Muttis Imperativ "Dein Schwanz gehört mir!" bestimmt das Sexleben

Erst bindet die Mutter auf perfide Weise den Sohn an sich, dann manipuliert der Sohn labile Frauen, teils ebenfalls Missbrauchsopfer, um sie auf den Strich zu schicken. Sie tun es aus Liebe. Dabei bestimmt immer noch Muttis Imperativ "Dein Schwanz gehört mir!" Marquardts Sexleben - der Härteste der Harten ist impotent. Seine schlaffe Männlichkeit kompensiert der Zuhälter mit äußerster Brutalität; die Kombination von Enthaltsamkeit und Gewalt bindet die Frauen nur noch stärker an ihn. Das so unverblümt zu sehen, tut weh.

Die Offenheit, mit der Marquardt vor der Kamera von Missbrauch und Ausbeutung spricht, ist beeindruckend. Im Gefängnis hatte er erstmals über den Missbrauch mit einem Therapeuten geredet; mit diesem zusammen hat er auch ein Buch darüber geschrieben. Die Szenen aus Marquardts Jugend lässt Rosa von Praunheim nachspielen, erstmals hat der Regisseur mit professionellen Schauspielern gearbeitet.

Formal ist die Mischung aus Dokumentar- und Spielfilm gelungen; die inszenierten Szenen sind in düsterem 70er-Jahre-Schwarz-Weiß und strengen Studiokulissen gedreht, das garantiert das - unbedingt nötige - Mindestmaß an Distanz. Trotzdem sind diese Sequenzen kaum auszuhalten.

Liebe ist . . . daraus wird kein Kalenderspruch

Hanno Koffler spielt den jungen Andy als unsicheren, charmanten, gemeingefährlichen Typen. So voll von Ekel, Selbst- und Frauenhass ist dieser Mann, dass er jeden Moment explodieren kann. Seine Lieblingsprostituierte - und spätere Lebenspartnerin! - wird von Luise Heyer großäugig und mit erschütternder Komplexität verkörpert. "Härte" erzählt eben nicht vorrangig eine Missbrauchsgeschichte. Mehr noch sind es mehrere Liebesgeschichten - und die von Andy und seiner ehemaligen Lieblingsnutte hat womöglich tatsächlich ein Happy-End.

Wenn der Film vom geläuterten Marquardt erzählt, der nun ein Sportstudio betreibt, Kinder in Karate trainiert und eine Hilfsorganisation für Missbrauchsopfer unterstützt, lässt sich von Praunheim etwas zu sehr mitreißen.

Liebe ist . . . daraus wird dann aber doch kein Kalenderspruch. Was Menschen aus Liebe tun, was sie sich antun lassen, hat man selten so quälend realistisch gesehen. Furchtbar überzeugend ist schließlich auch Katy Karrenbauer als Andys Mutter. Mit ihrer rauchigen Stimme gibt sie den Vamp, der - mit subjektiver Kamera gefilmt - den kleinen Mann verführt. Es gibt am Ende doch Momente der Versöhnung im Film - glücklicherweise aber nicht mit dieser Monster-Mutter.

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