Aufstieg in die Premier League:Bournemouth feiert das Fußballwunder

Matt Ritchie of Bournemouth celebrates scoring his sides second goal Sky Bet Championship 2014 15; FC Bournemouth

Ein Treffer für die Ewigkeit: Matt Ritchie vom AFC Bournemouth bejubelt sein Tor zum vorentscheidenden 2:0.

(Foto: imago/BPI)
  • Der AFC Bournemouth steht vor dem sicheren Aufstieg in die englische Premier League.
  • Vor sieben Jahren stand der Verein kurz vor dem Aus und startete mit einer Hypothek von 17 Minuspunkten in die Viertliga-Saison.
  • Englands Presse feiert den Klub für seinen "märchenhaften" Erfolgszug.
  • Am letzten Spieltag müsste der Klub mit 19 Toren Unterschied verlieren, damit Middlesbrough noch in der Tabelle vorbeiziehen könnte.

Von Korbinian Eisenberger

Es dauerte nur Augenblicke, dann entlud sich auf dem Rasen von Bournemouth, was sich an Hoffen, Bangen und Leiden angesammelt hatte. Vom Grün war nichts mehr zu sehen. In Rot und Schwarz stürmten die Fans des AFC Bournemouth kurz nach dem Schlusspfiff das Spielfeld im "Goldsands Stadium".

Die Sekunden nach dem 3:0-Heimsieg gegen die Bolton Wanderers am Montagabend dürften in die Annalen der 116-jährigen Geschichte des Vereins eingehen, der 2008 nach Jahren der Misswirtschaft noch vor dem Aus gestanden hatte. Jetzt, sieben Jahre später, lächeln die Spieler des AFC Bournemouth mit Champagner-Gläsern von den Titelblättern der englischen Zeitungen. Die "Cherries" sind zum ersten Mal in die Premier League aufgestiegen. Theoretisch zwar noch nicht, aber praktisch allemal.

"So gut wie in der Premier League"

Vor dem 46. und letzten Spieltag in der Championship, der zweithöchsten englischen Liga, trennen Bournemouth drei Punkte vom Tabellendritten Middlesbrough. Der Uefa-Cup-Finalist von 2006 hatte bereits am Samstag durch ein Gegentor in der 94. Minute 3:4 gegen den früheren Club von Trainer Felix Magath, den FC Fulham, verloren. Am letzten Spieltag müsste Middlesbrough nicht nur drei Punkte, sondern zudem einen Rückstand von 20 Toren auf Bournemouth aufholen. Oder wie es der Guardian ausdrückt: "In Wirklichkeit ist Bournemouth so gut wie in der Premier League."

Für die englische Presse ist der Durchmarsch der Hafenstadt im Süden von England von der vierten bis in die höchste nationale Spielklasse ein dankbares Thema. Fast scheint es, als hätten die Zeitungen Ersatzhelden für ihre gescheiterten Europacup-Teams gefunden - in der Champions League hatte es keines der hoch ambitionierten Premier-League-Klubs von Manchester City bis zum FC Chelsea ins Viertelfinale geschafft. In den britischen Blättern füllt der Europacup deshalb seit Wochen nur noch die Randspalten. Genug Platz also, um sich mit dem AFC Bournemouth auseinanderzusetzen.

"Es passieren noch Wunder", schrieb die Daily Mail in ihrer Dienstagsausgabe und zitierte Harry Redknapp, der in den Achziger- und Neunzigerjahren 464 mal bei Bournemouth auf der Trainerbank saß: Der derzeitige Coach Eddie Howe verdiene es, Bürgermeister zu werden, befand Redknapp. Gewohnt wortgewandt titelte die Sun mit "Die Bourne Verschwörung" in Anlehnung an den gleichnamigen Action-Thriller. Und traf damit den Kern einer fulminanten Geschichte, die begonnen hatte, als der AFC Bournemouth eigentlich am Ende zu sein schien.

Sammelbüchsen für den Neuaufbau

Nach dem Abstieg in die vierte Liga stand der einstige Zweitligist vor einem gewaltigen Schuldenberg. Mehrere Spieler verließen Bournemouth, der Verein, längst bankrott, reichte Sammelbüchsen durchs Stadion. Die Fans auf den Rängen warfen Münzen und Scheine hinein, die Zuschauer auf den VIP-Sitzen überwiesen Spenden. Ein Neuaufbau sollte her, einer, für den die Bedingungen kaum widriger hätten sein können: Wegen Verstößen gegen die Lizenzauflagen bestrafte der englische Fußballverband (FA) Bournemouth vor Beginn der Saison 2008/09 mit 17 Punkten Abzug.

"Vor sechs Jahren lag der Verein auf seinen Knien", sagt Trainer Eddie Howe heute. "Wir hatten nichts. Eine Gruppe von Anhängern hat ihr Geld genommen, um den Club am Leben zu erhalten", so Howe. Schließlich, im Januar 2009, übernahm Howe das Traineramt und schaffte trotz der Hypothek den Klassenerhalt in der "Football League Two". Es war das erste kleine Wunder in der englischen Hafenstadt, aber nicht das letzte.

Ein Jahr später führte Howe den FC Bournmouth zum Wiederaufstieg, 2012/13 dann bis in die zweithöchste englische Liga. Es dauerte zwei weitere Jahre und 90 Zweitligaspiele, bis zu jenem Montagabend, an dem Marc Pugh, Matt Ritchie und Callum Wilson mit ihren Treffern jegliche Zweifel daran beseitigten, dass Bournemouth der insgesamt 66. Verein sein wird, der in der höchsten englischen Spielklasse um Punkte kämpft.

66. Team in der obersten Spielklasse

"Bournemouths märchenhafter Aufstieg aus den Untiefen der dritten Liga in die Premier League", wie die Sun bemerkte, ist einer, der an echte Fanliebe erinnert, und an Fußballer, die mit Herzblut bei der Sache sind. Tatsächlich aber verdankt der AFC Bournemouth seinen Erfolg zu einem Gutteil einem spendablen Geldgeber, wie man ihn auch in Leipzig kennt und schätzen gelernt hat. Immerhin steht RB Leipzig - vor wenigen Jahren noch in den Niederungen des Amatuerfußballs zu finden - dank seines Sponsors mittlerweile an der Schwelle zur Bundesliga und dürfte in Kürze das schaffen, was Bournemouth praktisch bereits erreicht hat. Auch im englischen Süden ist vor einigen Jahren ein Investor eingestiegen - Maxim Demin ist mittlerweile Besitzer des Klubs. Im Rampenlicht zu stehen, so der Guardian, sei zwar "nicht der Stil des russischen Ölmilliardärs, auch wenn sein Investment in die Infrastruktur und in den Kader eine Rolle gespielt" habe.

Durch den Aufstieg kann Bournemouth jetzt dank des neuen TV-Vertrags mit der Premier League knapp 170 Millionen Euro an fixen Mehreinnahmen einplanen. Lediglich Charlton Athletic, Bournemouths Gegner im Saisonfinale, könnte daran theoretisch noch etwas ändern - die Londoner schickten prompt eine vielsagende Warnung nach Südengland. "Bournemouth feiert, als ob sie eine 19:0-Niederlage im Valley (Charltons Heimspielstätte, d. Red. ) am Samstag schon sicher ausgeschlossen hätten", twitterte Charlton. Mit dem Zusatz: "Wir werden ja sehen ..."

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