Bielefeld im DFB-Pokal:Experte für Risikofragen

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Womöglich wieder Bielefelds entscheidender Mann: Fabian Klos (links). (Foto: dpa)

Statt wie einst Versicherungen zu verkaufen, verunsichert Bielefelds Fabian Klos jetzt Erstligisten. Im DFB-Pokal gegen den VfL Wolfsburg soll der Drittliga-Stürmer das Finale gegen den BVB möglich machen.

Von Ulrich Hartmann, Bielefeld

Wenn Fabian Klos vor sechs Jahren geahnt hätte, dass man sein Gesicht nach einem schrecklichen Kopfballduell mal mit 13 Metallplatten und 26 Schrauben würde operieren müssen, dann hätte er sich womöglich gar nicht erst für eine Laufbahn als Profifußballer entschieden. Oder wenn er geahnt hätte, wie schmerzhaft so ein dramatischer Abstieg aus der zweiten Liga sein kann - dann wäre er als Amateurfußballer beim Fünftligisten MTV Gifhorn und als Auszubildender zum Versicherungskaufmann vielleicht lieber im Büro sitzen geblieben als sich hinauszuwagen in den Orkan des Profifußballs.

Allerdings hätte Fabian Klos dann auch den Bielefelder Zweitliga-Aufstieg 2013 und damit einige der schönsten Augenblicke seines Lebens verpasst; er hätte jüngst die Pokalsensationen gegen Hertha BSC, Werder Bremen und Borussia Mönchengladbach versäumt und stünde an diesem Mittwoch (20.30 Uhr/ARD) mit seinem Drittligateam nicht im DFB-Pokal-Halbfinale gegen den Bundesliga-Zweiten VfL Wolfsburg.

Auf Sicherheiten war Fabian Klos nie erpicht. Und man kann Menschen zwar gegen alles Mögliche versichern, aber nicht gegen emotionale Extremsituationen.

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Davon war nun zunächst nichts zu spüren, als Fabian Klos 2009 von Gifhorn zum VfL Wolfsburg wechselte, um dort zwei Jahre lang mit der zweiten Mannschaft in der vierten Liga zu spielen. Aber seit er 2011 zum Drittligisten Arminia Bielefeld gekommen ist, schlagen die Wellen hoch.

In Bielefeld hat Klos einen Beinahe-Abstieg (2012) und einen Aufstieg in die zweite Liga (2013) erlebt, die Brüche im Gesicht nach einem Kopfballduell mit Kaiserslauterns Mo Idrissou (Oktober 2013), den dramatischen Zweitliga-Abstieg in der Relegation gegen Darmstadt (2014), die jüngsten Pokalsiege gegen Berlin (4:2 im Elfmeterschießen), Bremen (3:1) und Gladbach (5:4 im Elfmeterschießen) sowie zuletzt eine fünf Monate andauernde Tabellenführung in der dritten Liga. "Ich kann behaupten, dass ich seit meinem Wechsel nach Bielefeld noch kein einziges Spiel gemacht habe, in dem es um nichts ging", sagt Klos.

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Er genießt die Aufregung auch deshalb, weil ihm nicht einmal mehr die Kopfballduelle Angst machen - Platten und Schrauben sind längst wieder draußen. Und in den nächsten Tagen kulminiert die Spannung sogar noch. Gegen Wolfsburg können die Bielefelder ins Pokalfinale einziehen und am kommenden Samstag mit einem Sieg gegen den Drittliga-Zweiten Holstein Kiel den Wiederaufstieg in die zweite Liga so gut wie perfekt machen. Nie hat Klos weniger bedauert, keine Versicherungen mehr zu verkaufen.

Die Vermittlung einer Police erfordert ja auch eine ganz andere Ansprache als jene, die Klos als Kapitän auf dem Spielfeld im Kreise seiner Arminia-Kollegen anschlägt. Er ist ein emotionaler Redner. "Ich denke mir da vorher nichts aus", sagt er, "leiere nichts Gespieltes herunter." Er habe wohl einfach ein Gespür dafür, die Mannschaft zu emotionalisieren.

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Er weiß aber auch, dass vor dem Spiel gegen Wolfsburg gar nicht viel gesagt werden muss. In diesem Spiel, in dem Bielefeld erstmals ins Pokal-Endspiel einziehen kann, werden eher seine Fähigkeiten als Mittelstürmer und Ballbehaupter gefragt sein. Der 1,94-Meter-Mann, der in 98 Drittligaspielen für die Arminia 50 Tore geschossen hat, bewies bei den drei Pokal-Überraschungen gegen Berlin, Bremen und Gladbach ein erstaunliches Selbstbewusstsein im Umgang mit Ball und Gegenspielern. "Das macht ja gerade Spaß: sich mit gestandenen Bundesliga-Stars zu messen", sagt Klos.

Folglich geht ihm vor dem Duell mit dem VfL Wolfsburg der Puls kaum hoch. Erstens habe man nichts zu verlieren, und zweitens besitze er auch keine emotionale Bindung mehr zum ehemaligen Arbeitgeber. "Ich spüre nur Vorfreude." Mit mehr Nervosität schaut Klos auf das Spiel am Samstag gegen Liga-Konkurrenten Kiel, in dem die Bielefelder jenes Trauma bewältigen könnten, das sie 2014 als Zweitligist in der Relegation gegen den Drittligisten Darmstadt 98 erlitten haben.

In der Nachspielzeit der Verlängerung des Rückspiels kassierten sie damals nach einem 3:1-Hinspielsieg in Darmstadt jenen Gegentreffer zum 2:4, der vor eigenem Publikum den Abstieg bedeutete. "Das war unglaublich tragisch", sagt Klos, "und auch wenn wir es eigentlich verarbeitet haben, können wir erst dann wirklich einen Haken daran machen, wenn wir die Rückkehr in die zweite Liga geschafft haben."

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Von mehr als der zweiten Liga träumt Fabian Klos, der mit 19 noch in der Bezirksliga spielte, mit seinen 27 Jahren allerdings nicht mehr. Klar will er es an diesem Mittwoch allen zeigen, immerhin werden ihm bei der Live-Übertragung in der ARD so viele Menschen zuschauen wie nie zuvor. Doch allzu ambitionierte Karrierepläne hatte Klos nie. "Ich bin immer gut damit gefahren, mir nur kurzfristige Ziele zu setzen." Das Pokalfinale in Berlin wäre so ein kurzfristiges Ziel. Es könnte den Aufstieg von 2013 noch übertreffen, als Klos und die Mannschaft vor 15 000 Fans auf dem Rathausbalkon tanzten.

© SZ vom 29.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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