Bayern-Niederlage in Leverkusen:Wie ein mäßig motivierter Außenseiter

Bayer 04 Leverkusen v FC Bayern Muenchen - Bundesliga

Bedient in Leverkusen: Bayern-Keeper Manuel Neuer.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Vor dem Champions-League-Halbfinale gegen Barcelona bietet Pep Guardiola eine kuriose Elf auf - doch für solche Spielchen ist Bayer Leverkusen zu stark.
  • Am Ende steht eine verdiente 0:2-Niederlage. Die Tore schießen Calhanoglu und Brandt.
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Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Nach Bayer Leverkusens 2:0-Sieg gegen den FC Bayern im Bundesliga-Topspiel am Samstagabend hieß der Verlierer Borussia Mönchengladbach. Die Borussen mussten zusehen, wie der Deutsche Meister ihren Konkurrenten im Kampf um den dritten Champions-League-Platz das Gewinnen leicht machte. Mit Blick auf das Spiel beim FC Barcelona hatten die Münchner eine exotisch besetzten Mannschaft aufgeboten, die sich aus ein paar mäßig motivierten Stars, Ersatzspielern, Junioren und Regionalligakickern, einem Rekonvaleszenten und einem peruanischen Altmeister zusammensetzte.

Den Leverkusenern war es recht, sie nutzten die Gunst der Stunde und ließen sich nach ihrem verdienten 2:0-Sieg pogotanzend vom wild applaudierenden Publikum feiern, als ob sie eine Weltauswahl bezwungen hätten. Auf der Gegenseite besangen die Münchner Fans sich selbst und die Herrlichkeit ihres Klubs. Im Stadion waren also alle zufrieden, am Niederrhein waren sie es vermutlich nicht.

Guardiolas kuriose Aufstellung

Der eine oder andere Besucher der BayArena war baff, als er die Aufstellung vernahm, die Pep Guardiola gewählt hatte. Klar, da waren auch die Spieler, mit denen zu rechnen war: Dante, Mitchel Weiser, Gianluca Gaudino, der große, alte Claudio Pizarro und natürlich der noch nicht ganz so große, 22 Jahre junge Rico Strieder mit der Empfehlung von immerhin fünf Regionalligaspielen. Aber da waren auch Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Mario Götze und Manuel Neuer - originale Weltmeister und Stammkräfte.

So viel Prominenz hatte keiner erwartet, nachdem Guardiola der Partie in Leverkusen die Wettbewerbsrelevanz abgesprochen hatte ("Bundesliga ist vorbei"). Doch wenn er dieses Spiel auch für überflüssig hielt, so kam es ihm doch immerhin insoweit gelegen, dass er Javi Martínez zum Saisondebüt verhelfen konnte. In der Jahresbilanz des Spaniers fanden sich bislang lediglich 30 Minuten Einsatzzeit im Supercup, den Rest der Saison hatte er der Genesung nach seinem Kreuzbandriss widmen müssen. Die Wettbüros hatten auf die ungewohnte Situation prompt reagiert. Sie lockten mit interessanten Quoten - mit einem Sieg der Bayern ließ sich diesmal tatsächlich Geld verdienen, ein eingesetzter Euro brächte 2,90 Euro zurück.

Aber die Wagemutigen mussten zügig erfahren, dass der ewige Favorit diesmal tatsächlich im Rang des Außenseiters agierte. Bayer Leverkusen übernahm ohne ehrfürchtiges Zuwarten die Spielkontrolle und setzte die Münchner in ihrer Deckung fest. Angstmomente - falls er noch imstande ist, solche zu empfinden - blieben Manuel Neuer allerdings weitgehend erspart. Ein knapp abgefälschter Kopfball von Innenverteidiger Ömer Toprak nach einer Ecke sorgte für etwas Aufsehen (10. Minute), der Treffer von Stefan Kießling zwei Minuten später war hingegen keiner Aufregung wert - abseits.

Die Leverkusener büßten aber bald ihre spielerische Vorherrschaft ein. Schweinsteiger und Lahm beruhigten das Spiel aus dem Mittelfeld heraus, und nachdem sich der stürmische Start der Hausherren sich beruhigt hatte, vertrieben sich beide Seiten die Zeit mit engen Kämpfen um den nächsten Ballbesitz in den Gebieten jenseits der Strafräume. Bayer ging dabei durchaus rau vor. Götze - von Karim Bellarabi quasi besprungen - und Martinez - vom immer eifrigen Stefan Kießling attackiert - bekamen es zu spüren.

Götze vergibt allein vor Leno

Offensiv regte sich bei den Bayern wenig. Außer in der 27. Minute: Da startete nach einem Steilpass plötzlich Götze zum Alleingang, der auch vor Bernd Leno nicht endete, doch nachdem er in weitem Bogen um den Torwart gekurvt war, fehlte ihm die Kraft für einen festen Schuss - Tin Jedvaj hielt den Ball vor der Linie auf. Aushilfs-Innenverteidiger Jedvaj, als Alleskönner ein kroatisches Pendant zu Philipp Lahm, hatte seinerseits noch eine gute Schusschance, als er freistehend im Strafraum in Szene gesetzt wurde, verfehlte aber um etliche Meter das Ziel.

Fazit zur Halbzeit: Die bunt gemischte Bayern-Elf hatte sich dank stabiler Defensivorganisation gegen den mutmaßlichen Favoriten recht ordentlich behauptet. Das reichte ihr bereits, für Glanz und Gloria fühlte man sich nicht zuständig. Bayer machte zu wenig aus dem potentiellen Besetzungsvorteil, Unruhe und Hektik im Spielaufbau verhinderten ein produktives Kombinationsspiel. Kurz nach der Pause hätte beinahe die Stunde des großen, immer lächelnden Pizarro geschlagen. Jedvaj konnte den raffinierten Peruaner nicht aufhalten, als er nach Gaudinos schönem Zuspiel auf ihn zulief. Eine kleine Täuschung genügte, und der Weg war frei. Aber Leno hatte mitgespielt und versperrte den Zugang.

Das Spiel drohte nun zunehmend ins vollendete Patt abzugleiten, da sorgte ein fern vom Tor angesiedelter Freistoß für Bewegung. Und was für ein Freistoß. Hakan Calhanoglu, Bayers ständiger Spezialist für die ruhenden Momente, beförderte den Ball aus 25 Metern so präzise in die Ecke, dass nicht einmal der lange Neuer eine Abwehrchance hatte (55.). Das 1:0 löste die Beklemmungen bei Bayer, das Leverkusener Spiel wurde nun leichter und fließender, die nächste Großchance hatten allerdings die Gäste. Der inzwischen eingewechselte Lukas Görtler, noch ein von Guardiola urplötzlich entdeckter Regionalligaakteur, hatte mit beherztem Einsatz Götze in Position gebracht. Doch der Weltmeister scheiterte kläglich an Leno. Nicht sein Abend.

Den Bayern konnte man nun nicht nachsagen, dass sie sich nicht um den Ausgleich bemühten. Sie waren durchaus feldüberlegen, aber ihre kreativen Mittel blieben begrenzt, daran änderte auch die Einwechslung des Künstlers Thiago nichts. Sein Beitrag brachte zwar noch ein Tor, aber es fiel auf der Gegenseite. Thiagos Ballverlust löste einen langen und wendigen und sehenswerten Lauf von Bellarabi aus, und dessen schönen Querpass vollendete der eingewechselte Julian Brandt mit einem satten Schuss in die Torecke zum 2:0 (81.). Nun war der Fall klar, beide Seiten brachten den Rest der Partie mit Anstand über die Zeit.

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