TV-Kritik zu "1000 - Wer ist die Nummer 1":Manfred, freust du dich gar nicht?

ZDF-Show ´1000 - Wer ist die Nummer 1?"

"1000 - Wer ist die Nummer 1?" Die Moderatoren Kate Abdo (links) und Johannes B. Kerner feuern beim Hindernis-Parcours die Kandidaten an.

(Foto: dpa)

Noch ein Versuch, den Samstagabend als Sendeplatz für Shows retten: Bei "1000 - Wer ist die Nummer 1" müssen 1000 Kandidaten im ZDF Kleingeld zählen, durch ein Schaumbad rennen und auf einem Bein stehen. Doch weniger wäre in dem Fall mehr gewesen.

Von Dorothea Wagner

"Natürlich werden wir den ganzen Abend miteinander verbringen", sagt Moderator Johannes B. Kerner nach dem ersten Spiel zu den 1000 Kandidaten. Man kann das als Versprechen verstehen - oder als Drohung. 500 Kandidaten sind gerade ausgeschieden, nachdem sie über einen Heuballen gesprungen, durch ein Schaumbad gewatet und unter Netzen durchgekrabbelt sind. Sie waren zu langsam. Nach Hause fahren dürfen sie aber noch lange nicht.

Das Konzept der neuen ZDF-Unterhaltungsshow "1000 - Wer ist die Nummer 1", die am Samstag erstmals ausgestrahlt wurde, liest sich ein wenig wie eine Matheaufgabe, bei der Grundschüler die Einerfürsten, Zehnerkönige und Hundertekaiser lernen sollen. Bei der Sendung treten 1000 Kandidaten in zehn Runden gegeneinander an - die Spiele sind eine Mischung aus Intelligenztests, Geschicklichkeitsübungen und sportlichen Wettbewerben. Wer als Sieger übrig bleibt, gewinnt 100.000 Euro. Wer ausscheidet, muss im Publikum Platz nehmen. So einfach wie das klingt, ist das aber nicht.

Der Gewinner: erschöpft

Bereits bei der Aufzeichnung gab es zahlreiche Probleme. Ein 61-jähriger Teilnehmer brach beim Hindernisparcours in der ersten Runde des Wettbewerbs zusammen und musste in ein Krankenhaus gebracht werden; zudem sollen sich weitere Kandidaten bei dieser Runde verletzt haben. Auch wer das erste Spiel gesund überstand, musste seinem Körper noch einiges zumuten. Und obwohl die Redaktion spontan zwei Runden des Wettbewerbs kippte, zog sich die Aufzeichnung der Show bis in die Morgenstunden (3.30 Uhr) hin. Sogar Gewinner Manfred Grühn wirkt müde, als ihm Moderator Johannes B. Kerner schließlich die Kreditkarte mit 100.000 Euro in die Hand drückte. "Manfred, freust du dich gar nicht?", fragt Kerner.

Für die Probleme beim Dreh entschuldigten sich das ZDF und die Produktionsgesellschaft mehrfach bei den Kandidaten. Der Zuschauer bekommt am Samstagabend wenig von diesen Problemen mit. Der einzige sichtbare Hinweis sind die Gesichter der Kandidaten, die mit jeder Spielrunde leerer werden. Der medizinische Notfall beim Parcours, die technischen Probleme bei den Spielen: herausgeschnitten.

Das ZDF presste die acht Stunden Aufzeichnung in etwas mehr als zwei Stunden Show und nutzte die Sendezeit lieber für Gute-Laune-Videos von den Kandidaten. Aber egal, ob Kandidat Florian berichtet, dass er seiner Freundin mit dem Sieg einen Traum erfüllen will, oder ein Kinderarzt erzählt, dass er täglich gegen tausende Bakterien kämpft - die Teilnehmer haben nur wenige Sekunden Kamerazeit. Ist ja sonst auch schwierig, 1000 Kandidaten an einem Fernsehabend unterzubringen.

Das Ziel: Neue Unterhaltung am Samstagabend

Die Aufmerksamkeit der Zuschauer will das ZDF mit der Unterhaltungsshow aber länger fesseln. "1000 - Wer ist die Nummer 1" ist ein weiterer Versuch, einen Nachfolger für "Wetten, dass...?" zu finden. Das erste Experiment war die dreistündige Sendung "Das Spiel beginnt", bei der Kinder gegen Prominente in Brettspielen wie "Mensch ärgere dich nicht" antraten. Das Problem des Formats: Die meisten Zuschauer holen diese Brettspiele selbst nicht mehr aus dem Schrank. Aus gutem Grund.

Es ist fraglich, ob das ZDF mit dem Konzept von "1000 - Wer ist die Nummer 1" tatsächlich Familien vor dem Fernseher versammeln kann. Dass die Show gemeinsam mit BBC Worldwide entwickelt wurde, merkt man ihr zumindest nicht an. Die Aufgaben für die Kandidaten erinnern an eine biedere Ausgabe von "Schlag den Raab" - die Teilnehmer bauen Kartenhäuser, beantworten Quizfragen oder stehen möglichst lange auf einem Bein. Zudem fehlt anders als bei "Schlag den Raab" die Identifikationsmöglichkeit: Die Zuschauer können nicht bei einem Kandidaten mitfiebern, der gegen den übermächtigen Stefan Raab um den Sieg kämpft. Stattdessen wuseln 1000 Teilnehmer über das Gelände. Das nimmt der Show viel an Spannung.

Tschüss, Kandidaten!

Auch weil es sonst kein Publikum im Studio gegeben hätte, muss die Zahl der Teilnehmer mit jeder Runde möglichst schnell reduziert werden. Deshalb müssen die Kandidaten unter anderem den Refraintext von Helene Fischers "Atemlos" richtig zusammensetzen. In der dritten Runde fragt Kerner die Teilnehmer, wie viele Arme die Monsterkrake in einer Tanzperformance hatte - schon sind nur noch 100 dabei.

Ein Vorteil sind die vielen Kandidaten nur für Johannes B. Kerner und Co-Moderatorin Kate Abdo: Sie können zu jedem Spiel die passenden kuriosen Teilnehmer vorstellen. Unter anderem kämpfen der Weltmeister im Dauerfernsehen (87 Stunden am Stück) und ein männliches Helene-Fischer-Double um den Sieg. Als die Kandidaten in der vierten Runde möglichst lange auf einem Sockel balancieren, erzählt der Moderator, dass gerade die Kandidatin mit der kleinsten Schuhgröße (35) und ein Mann, der den Kilimandscharo bestiegen hat, ihr Glück versuchen.

Mit dem Sektglas zum Sieg

Einzig die Finalisten Andreas Baamann und Manfred Grühn bekommen mehr Sendezeit, dürfen eine Persönlichkeit entwickeln. Der Zuschauer erfährt, dass Baamann als Lehramtsreferendar arbeitet, in seiner Freizeit als "DJ für elektronische Musik" unterwegs ist, und mit dem Gewinn sein Auto abbezahlen und den Rest anlegen würde. "Klingt ein bisschen langweilig, aber sehr vernünftig", flötet Moderatorin Abdo. Sein Kontrahent Grühn ist Inhaber eines Rollstuhlverleihs und erzählt, dass er einen Teil des Gewinns für das kostenlose Verleihen von Rollstühlen nutzen würde. Kerner ist begeistert: "Wow, stark."

In der letzten Runde müssen die beiden Finalisten Sektgläser stapeln - in den frühen Morgenstunden. Sie wirken schlaff. "Das kann noch relativ lange gehen", sagt Kerner. Mitten im Spiel dreht sich der spätere Sieger Grühn zu den Moderatoren und fragte mit hängenden Mundwinkeln: "Wie kann man denn das Spiel gewinnen?"

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