Ende der Primatenforschung in Tübingen:Falscher Jubel

Tierschützer halten es für einen großen Sieg: Ein renomierter Neurologe will in Zukunft auf Experimente an Affen verzichten. Doch den Primaten ist damit nicht geholfen.

Ein Kommentar von Patrick Illinger

Entnervt ist gar kein Ausdruck. Der Tübinger Forscher Nikos Logothetis ist nach Angaben seines Arbeitgebers, der Max-Planck-Gesellschaft, "an die Grenzen seiner physischen und psychischen Belastbarkeit getrieben worden", weshalb der anerkannte Neurowissenschaftler in Zukunft auf ein wichtiges Standbein seiner Arbeit verzichten will: auf Experimente mit Affen.

Der seit Monaten tobende Konflikt hat somit einen Höhepunkt erreicht, der Wissenschaftler weltweit erschüttert und Tierschutz-Aktivisten jubeln lässt. Nach Ansicht vieler Versuchsgegner ist eine wichtige Schlacht gewonnen im Krieg gegen Tierexperimente in der Forschung. Die Militär-Metaphorik ist dabei leider angemessen, denn die Mittel, mit denen in diesem wie auch in früheren Fällen gegen demokratisch legitimierte und streng regulierte Tierversuche vorgegangen wird, sind oft martialisch - und zum Teil kriminell.

Wo persönliche Anfeindungen bis hin zur Morddrohung Fakten schaffen, hat die Demokratie versagt. Das gilt ganz unabhängig von der Frage, ob in Tübingen Fehler passiert sind (ja, sind sie) und ob jeder einzelne Tierversuch in der Grundlagenforschung zwingend notwendig ist (wahrscheinlich nicht). Die menschenverachtende Wucht, mit der manche Tierschutz-Fundamentalisten ihre Ziele durchzusetzen versuchen, macht leider jede sachliche Meinungsfindung zunichte.

Besser, in Deutschland wird mit Affen experimentiert als in China

Ob den Tieren ernsthaft geholfen ist, wenn man einen Direktor eines deutschen Instituts erfolgreich zur Aufgabe gezwungen hat, darf zudem bezweifelt werden. Je mehr die entsprechende Forschung in hochentwickelten Ländern zurückgedrängt wird, umso stärker werden Experimente in Ländern wie China ausgeweitet. Regionen mithin, in denen das Leben eines Primaten nicht mit der gleichen Sorgfalt geschützt wird wie in Europa.

In Deutschland sollten jedenfalls weder Gangstermethoden noch die psychische Widerstandskraft einzelner Forscher darüber entscheiden, ob und wie an Tieren - in diesem Fall nichtmenschliche Primaten - geforscht werden darf. Ein breiter öffentlicher Diskurs ist dringend vonnöten. Dabei sind auch die Forschungsorganisationen gut beraten, aus dem Tübinger Debakel Lehren zu ziehen. Statt der üblichen, anfangs auch im aktuellen Fall gezeigten Wagenburg-Mentalität sollte vollständige Transparenz das Ziel sein. Sich darauf zu versteifen, dass die erschreckenden, effektheischenden Bilder aus dem Tübinger Labor illegal beschafft wurden, ist ebenso sinnlos wie die aus Justiz-Thrillern bekannte Anweisung an die Geschworenen, diese oder jene Zeugenaussage zu missachten. Auch darf es nicht sein, wie es schon vorgekommen ist, dass ein neues Tierhaus nachts eingerichtet wird, damit die Öffentlichkeit möglichst wenig mitbekommt.

Der Laboralltag muss transparent werden, ebenso wie die zweifellos großen Erfolge von Tier-Experimenten. Elektroden im Gehirn sind eben nicht reines Teufelszeug, sondern beispielsweise für Parkinson-Patienten ein enormer Fortschritt.

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