Kommentar:Die Macht des Schwarms

Der Konzern Tesla steigt in das Geschäft mit Stromspeichern für Privathäuser ein. Jeder soll seinen Solarstrom selbst zu Hause speichern können. Für die Energieversorger kann das zum großen Problem werden.

Von Markus Balser

Wenn sich Pionier Elon Musk in neue Abenteuer stürzt, geht es meist um große Dinge. Mit einem Internetdienst hat er das Bezahlen revolutioniert. Seine Elektroflitzer der Marke Tesla sollen den Weltmarkt für Autos aufrollen, die Raketen des Projekts Space-X den Mars als Ersatzplaneten für die Erde besiedeln. Das neueste Ziel des US-Milliardärs wirkt neben dem Roten Planeten wie eine ziemlich spießige Angelegenheit. Am Wochenende gab Tesla bekannt, dass der Konzern ins Geschäft mit Stromspeichern für Privathäuser und Unternehmen einsteigt. Das Versprechen von Musk: Jeder soll ab Sommer seinen grünen Solarstrom daheim speichern und auf autonome Versorgung umstellen können.

Doch tatsächlich könnte die Firma aus Palo Alto im Silicon Valley eine irdische Revolution anstoßen. Denn der US-Konzern forciert gerade das Ende des klassischen Energiemarkts. In dieser alten Welt produzieren wenige große Energiekonzerne gewaltige Mengen Strom in Atom-, Kohle- oder Gaskraftwerken. Über Tausende Kilometer Stromnetz bringen sie die in Haushalte und Unternehmen. Kunden zahlen dafür einen festen Preis. Ein System, das den Energiekonzernen bislang Milliardeneinnahmen bescherte - einfach, konkurrenzlos und dazu noch hoch profitabel.

Für die Energieversorger kann die Batterie für Zuhause zum großen Problem werden

Doch der Energiemarkt verändert sich radikal. Der Boom grüner Energien drängt Großkraftwerke reihenweise aus dem Markt. In der künftigen Energiewelt wird Strom immer häufiger dezentral in vielen kleinen Einheiten produziert. Mehr als eine Million Solarkraftwerke haben die Deutschen schon auf ihre Dächer geschraubt - Tendenz weiter steigend. Verbraucher werden damit immer häufiger selbst zu Erzeugern und Konkurrenten ihrer Versorger - und stellen so das gesamte Energiesystem nach und nach komplett auf den Kopf.

Bislang kennt die Autarkie der deutschen Stromrebellen jedoch eine kaum zu überwindende Grenze: Wenn die Sonne nicht scheint, müssen sie auf das Netz und den Strom der großen Kraftwerke zurückgreifen. Wenn die Sonne dagegen Strom im Überfluss produziert, haben sie kaum eine Möglichkeit, ihren eigenen Strom zu speichern, um ihn später selbst zu nutzen.

Genau das wollen die Amerikaner jetzt ändern. Dabei ist Musks Idee nicht mal revolutionär. Denn Stromspeicher sind schon seit ein paar Jahren ein großes Thema auf Fachmessen. Erste Anlagen sind auf dem Markt. Bislang jedoch sind sie schlicht zu teuer. Musk will den Preis der Anlagen nun mit seinem eigenen Produkt beinahe halbieren.

Für die klassischen Energieversorger wie Eon, RWE, EnBW oder Vattenfall steht damit ihre Zukunft auf dem Spiel. Gelingt es der Firma, Verbrauchern dabei zu helfen, sich noch stärker als bislang vom Netz abzukoppeln, erodiert ein großer Teil ihres Geschäftsmodells weiter. Ihre Großkraftwerke können sich dann in Zukunft kaum noch rechnen.

Schon seit Längerem arbeitet Tesla mit genau diesem Ziel im Geheimen an der Superbatterie für zu Hause. Ob sich der Kauf der gut 3000 Euro teuren Anlage für den Keller schon heute für Kunden lohnt, ist umstritten - und damit auch, wie schnell die Revolution voranschreiten wird.

Doch der Durchbruch gilt nur noch als Frage der Zeit. Die Rentabilität hängt vom Preis der Batterie ab, davon wie lange sie nutzbar ist und wie sich die Strompreise entwickeln. In Deutschland soll Tesla der größte Ökostromanbieter Lichtblick beim Verkauf und der Einbindung ins Netz helfen. Das Ziel: Die kleinen Anlagen zu einem Schwarm vernetzen und Energie abgeben, wenn sie andernorts gebraucht wird.

Die Unternehmen drängen damit in einen milliardenschweren Zukunftsmarkt. Der Anteil grüner Energie an der Stromversorgung wächst weltweit. Deswegen schwankt die Menge der verfügbaren Elektrizität immer heftiger. Händeringend suchen Netzbetreiber und Behörden deshalb in vielen Ländern nach neuen Mechanismen, die das Angebot stabilisieren können. Energiespeichern wird dabei eine Schlüsselrolle zukommen.

Profitieren will vor allem Tesla selbst: Als Produzent von Elektroautos hilft dem Konzern eine möglichst günstige Stromversorgung beim Verkauf der eigenen Fahrzeuge. Zum anderen hofft die Firma auf einen positiven Nebeneffekt. Denn der neuen, fünf Milliarden Dollar teuren Riesen-Batteriefabrik, die Tesla in Nevada baut, verschaffen die Zu-Hause-Batterien eine höhere Auslastung. Batterien wie Autos könnten billiger werden. Seine neueste Geschäftsidee stellte Musk mit einem Satz vor, der vor allem für sein eigenes Unternehmen gelten kann: "Damit die Zukunft gut wird."

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