Israelischer Außenminister Lieberman:Letzter Hieb gegen Netanjahu

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Beim Abgang noch richtig Ärger machen, das liegt Avigdor Lieberman. Die Regierungsbildung in Israel wird nun kompliziert. (Foto: AFP)
  • Israels Außenminister Avigdor Lieberman hat seinen Rücktritt vom Amt groß inszeniert. Sein Ausscheiden macht auch seine nationalistische Partei Unser Haus Israel für Ministerpräsident Benjamin Netanjahu als Koalitionspartner unmöglich.
  • Netanjahu benötigt deshalb für seine angestrebte rechts-religiöse Regierung unbedingt die Sitze der Siedlerpartei.
  • Siedlerpartei-Chef Naftali Bennett verhält sich ähnlich aggressiv wie der scheidende Lieberman.
  • Liebermann setzt auf ein Scheitern von Netanjahus wackeliger Koalition.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Seine Auftritte sind gefürchtet, und auch beim Abtreten weiß er sich zu inszenieren: Lächelnd saß Israels Außenminister Avigdor Lieberman vor dem Publikum, um sein sofortiges Ausscheiden aus dem Amt zu verkünden. Dabei hatte es als sicher gegolten, dass er auch in der künftigen Regierung wieder seine Rolle als undiplomatischster aller Chefdiplomaten einnehmen würde.

Doch nun soll nicht nur damit Schluss sein, sondern - bis auf Weiteres - mit dem Regieren überhaupt. Lieberman kündigte überraschend an, seine nationalistische Partei Unser Haus Israel werde in die Opposition gehen. Seinem früheren Partner Benjamin Netanjahu hat er damit noch im Hinausgehen einen schweren Hieb versetzt.

Für Netanjahu, den glorreichen Sieger der Parlamentswahl vom 17. März, ist damit auf den letzten Metern die Bildung einer Koalition enorm kompliziert geworden. Maximal kann seine angestrebte rechts-religiöse Regierung nun nur noch auf 61 der 120 Knesset-Mandate kommen - und auch die sind noch nicht sicher, obwohl an diesem Mittwoch um Mitternacht die Frist zur Regierungsbildung ausläuft.

Drei Partner hat Benjamin Netanjahus Likud bislang mit teuren Zugeständnissen ins Boot geholt: die beiden ultraorthodoxen Parteien Schas und Vereinigtes Torah Judentum sowie die Kulanu-Partei des neuen Volkslieblings Mosche Kachlon. Doch für eine Mehrheit werden unbedingt noch die acht Sitze der Siedlerpartei des leidenschaftlich renitenten früheren Wirtschaftsministers Naftali Bennett gebraucht.

Das frei gewordene Außenamt dürfte Naftali gefallen

Das Einzige, was Bennett gefügig machen könnte ist die Aussicht, dass bei seiner Verweigerung wohl der Arbeitspartei-Chef Isaac Herzog vom Präsidenten damit beauftragt wird, sich an der Bildung einer Mitte-links-Regierung zu versuchen. Ganz gewiss aber wird er nun erst einmal sein Erpressungspotenzial genießen und die Forderungen hochschrauben. Bislang war er als Erziehungsminister im Gespräch, doch auch das frei gewordene Außenamt dürfte ihm gefallen.

Für Israels Partner im Westen hätte das den wahrscheinlich einzigen Vorteil, dass sie sich nach Lieberman nicht groß umgewöhnen müssten, denn auch Bennett betreibt die Politik als Kampfsport. Überdies hat er sicher noch beim Ausbau der Siedlungen ein paar Wünsche offen, die die neue Regierung international gleich ins Abseits katapultieren könnten.

Doch selbst mit Bennetts Beteiligung sind 61 Sitze für eine neue Regierung nichts anderes als der Garant ständiger Instabilität. Die ambitionierten Reformen, die zur Senkung der Lebenshaltungskosten führen sollen, lassen sich mit einer solch knappen Mehrheit kaum durchziehen. Außerdem gibt es im Regierungslager keinen Mangel an Abgeordneten mit extravaganten Ansichten, und jeder von ihnen könnte die Regierung platzen lassen, wenn die eigene Obsession nicht angemessen berücksichtigt sein sollte. So hatte sich das Netanjahu sicher nicht vorgestellt, als er noch den Wahltriumph genoss.

Bei diesen Aussichten darf Lieberman schon beim Abtritt an den nächsten großen Auftritt denken. Er rechnet mit einem schnellen Ende einer Koalition und einer Neuwahl, bei der er dann wie Phönix aus der Asche aufsteigen könnte. Mit Blick darauf hat er sich in der Opposition gleich einmal einen Platz rechts von der rechten Regierung gesichert und sich darüber beklagt, dass Netanjahu zum Beispiel "keinerlei Absicht hat, das Hamas-Regime zu stürzen". Seinen Ausstieg begründet er damit, dass "Prinzipien wichtiger als Posten" seien. Nun wolle er in der Opposition weiterkämpfen, verspricht er - "und ich weiß, wie man kämpft".

© SZ vom 06.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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