Printmagazin:Aus dem Exil

Printmagazin: "39Null" heißt das Magazinprojekt von vier Südtirolern, die jetzt in Berlin leben und arbeiten. Erhältlich in Buchhandlungen oder unter www.39Null.com.

"39Null" heißt das Magazinprojekt von vier Südtirolern, die jetzt in Berlin leben und arbeiten. Erhältlich in Buchhandlungen oder unter www.39Null.com.

(Foto: oh)

Weil die Medien in ihrer Heimat Südtirol so eintönig sind, haben vier Exilanten ein eigenes Jahresmagazin gegründet: vom Berliner Wohnzimmer für das Vinschgau.

Von Lena Schnabl

So sieht es also aus, wenn man Magazine aus Liebhaberei macht, aus Liebe zu Themen, Bildern und Texten - und nicht wegen des Geldverdienens: Wenn wieder eine neue Bestellung für 39Null reinkommt, nimmt Chefredakteur Martin Santner ein Heft aus dem Karton, der in seinem Wohnzimmer in Berlin steht, packt es in einen Polsterumschlag, bringt es zur Post. Und ein, zwei Tage später lässt sich dann in einem ungewöhnlichen Blatt blättern: 39Null ist gemacht von Südtirolern, die aus den Bergen ins flachen Berlin gezogen sind und ihre Sicht auf die Welt darstellen.

"Am Anfang war es als Post von uns Exilsüdtirolern an die Südtiroler zu Hause gedacht", sagt Martina Wunderer, die Lektorin der Hefte. Das zeigt schon der Titel: Mit den Ziffern 390 beginnen die Südtiroler Postleitzahlen. Aus dem Vinschgau dort stammen alle vier Macher. Und ihnen fehlten Magazine "mit anspruchsvollem Inhalt und Erscheinungsbild", sagt Wunderer. Dazu komme die Monopolstruktur in den Medien: Die meisten Blätter in Südtirol stammen aus dem Athesia-Verlag, viel Abwechslung gibt es da nicht.

Also: Ein eigenes Magazin machen, die Layouterin gab den Anstoß dazu. Nun gibt es bereits drei Ausgaben von 39Null, monothematisch ist es, ein wenig wie das deutsche Dummy-Magazin. Und die Zielgruppe ist gewachsen: 39Null, übrigens per Crowdfunding möglich gemacht, ist nicht mehr nur ein Magazin von und für Südtiroler. Es gibt Vertriebspartner in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Und schon in der zweiten Ausgabe "Das Fremde" handelt längst nicht jeder Beitrag von der Heimat. Da bespricht ein Konfliktforscher das Phänomen Fremdheit, eine Bildstrecke zeigt die Grenzen Europas und eine Puertoricanerin erzählt die Geschichte ihrer Geschlechtsumwandlung.

Doch der Südtirol-Bezug bleibt. Es findet sich etwa eine Geschichte über die Diskriminierung von deutschsprachigen Südtiroler Kindern im Süditalienurlaub oder ein Dialektwörterbuch, in dem erklärt wird, dass "patschiifi" im Vinschgauer Dialekt für "gemütlich" steht und aus dem Rätoromanischen stammt. Eine Dichterin schreibt auf Ladinisch, der dritten Amtssprache Südtirols, über die Problematik ihre Lyrik zu übersetzen.

39Null erscheint in einer Sprachenmischung: Deutsch, Italienisch, Englisch. Wie in Südtirol üblich solle jeder in seiner Sprache sprechen und schreiben. So kommt es, dass Santner seine Fragen auf Deutsch stellt und der Interviewte auf Italienisch antwortet und so gedruckt wird.

Die Mischung aus Heimat und Restwelt, von Land und Großstadt und dem Kleinen im Großen behält 39Null auch in seiner dritten Ausgabe bei. "Macht und Ohnmacht" ist das Motto, das facettenreich ausgearbeitet ist. Da bespricht eine Autorin den katholischen Brauch der Muttersegnung anhand von Bildern im religionsgeschichtlichen Kontext. Frauen, die nach der Geburt ihrer Kinder nicht am religiösen Leben teilhaben dürfen, bis sie von dieser "Sünde" befreit werden - das dürfte manche Südtiroler ähnlich befremden wie deutsche Großstädter. An anderer Stelle schreibt Mary Scherpe über ihre Erfahrungen mit einem Stalker, der sie verfolgte. Sie setzte sich damals zur Wehr, indem sie einen Blog führte und bewusst aus ihrer Ohnmachtssituation hinaustrat. Ein Thema, das überall relevant ist, im Vinschgau wie in Berlin.

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