Kunstmesse:Tauziehen um Sammler

Kunstmesse: An einem Strang zu ziehen, sieht anders aus: Dieses Diptychon von Christopher Kieling (Jahrgang 1988) trägt den Titel "Gaffa".

An einem Strang zu ziehen, sieht anders aus: Dieses Diptychon von Christopher Kieling (Jahrgang 1988) trägt den Titel "Gaffa".

(Foto: Artmuc)

Tipps zum Kunst-Leasing und persönliche Begegnungen: Die Bandbreite auf der Messe "ArtMuc" ist groß

Von Jürgen Moises

Es gibt immer einen Aspekt, den nur ich sehe, und einen anderen, den nur du sehen kannst. Und es gibt immer auch Aspekte, die keiner von uns sieht. Mit diesen, an ein chinesisches Sprichwort angelehnten Worten beschreibt Robert Weissenbacher seine Gemeinschaftsarbeit mit Sinan von Stietencron. Diese besteht aus einem an die Wand gemalten Fisch, der sich der Wahrnehmung tatsächlich äußerst vielgestaltig darbietet. Aus der Entfernung sieht man ihn nicht. Kommt man der Wand näher, setzt sich seine Erscheinung Stück für Stück zusammen. Aber wenn man ihm zu nah kommt: dann löst er sich wieder auf. Ein Zaubertrick? Nein, ein Computertrick. Denn die teilweise gemalte, teilweise projizierte Darstellung wird über Bewegungssensoren gesteuert und über ein selbst geschriebenes Computerprogramm.

Zu sehen ist der Riesenfisch als eine der ungewöhnlichsten Arbeiten auf der zweiten ArtMuc-Messe, die noch bis Sonntagabend auf der Praterinsel stattfindet. Von Malerei, Zeichnung, Skulptur über Fotografien und Videokunst bis hin zu rein digitalen Arbeiten sind hier alle Medien vertreten, auch stilistisch und qualitativ ist die Bandbreite wieder recht weit. Die meisten der rund hundert, vorwiegend aus München stammenden Künstler sind in Eigenregie hier. Sie alle mussten sich einer fünfköpfigen Jury stellen, der unter anderem die Kunsthistorikern und Verlegerin Dörthe Bäumer angehört. Das von ihr herausgegebene ArtMuc-Magazin ist Namensgeber für die Messe. Mehr als 1000 Künstler haben sich in diesem Jahr beworben, angeblich doppelt so viele wie im vergangenen Jahr. Eine Teilnahmegebühr mussten sie ebenfalls entrichten. Die Gebühr für eine der teilweise sehr gedrängt stehenden Ausstellungswände beträgt zwischen 400 und 600 Euro.

Mit Störpunkt, MuniqueArt, der Münchner Kunstgießerei, der B.O.A. Videofilmkunst GmbH, dem BBK, der GEDOK, dem Kulturreferat oder der Kunstakademie sind außerdem mehrere Galerien und Kunstinstitutionen auf der Praterinsel vertreten: mit Infoständen oder repräsentativen Arbeiten. Die Tatsache, dass die Kunstgießerei und B.O.A. keine aktuellen, sondern Metallskulpturen und Videoarbeiten aus den letzten Jahrzehnten ausstellen, gibt der Messe eine eigentlich ganz schöne historische Note. Im Gegensatz zu den Künstlern mussten sich die Galerien und Institutionen nicht bewerben, sondern sie wurden von den Veranstaltern Marco und Raiko Schwalbe angefragt. Man kennt die beiden auch als Initiatoren der Stroke-Messe, die erst vor zwei Wochen auf der Praterinsel lief.

Künstler wie der Zeichner Kyle Hendersson, die Fotografin Andrea Peipe oder der Maler und Grafiker Christopher Kieling waren auch schon auf der Stroke-Messe zu sehen, bei der der Schwerpunkt mehr auf der Urban-Art liegt. Was die Messen sonst voneinander unterscheidet? "Bei der ArtMuc zeigen wir mehr Einzelkünstler, und sie ist einen Ticken seriöser als die Stroke, bei der es mehr um das Event-artige geht", so Marco Schwalbe. Für die Seriosität sorgt in diesem Jahr jedenfalls die Klasse Anke Doberauer von der Kunstakademie mit ihrer Gemeinschaftsarbeit "Aura". Diese besteht aus einem gelben, einem roten und einem blauen Quadrat, jeweils umgeben von einer gleichfarbigen Aureole. Eine Hommage an Kasimir Malewitsch, und ein Akt der Verweigerung. Denn obwohl es eine Kunstmesse ist: "Verkäufliches" anbieten möchten die Studenten nicht. Sondern stattdessen: eine "Reflexion über das originale Kunstwerk im Zeitalter seiner unendlichen Reproduzierbarkeit".

Ein löblicher Gedanke, der aber aus dem Schutzraum einer Akademie-Klasse geboren ist. Ob man sich eine solche Verweigerungshaltung auf Dauer erlauben kann? Als Galerist ganz sicher nicht. Das zeigen die Werbetexte der "Burn-In"-Galerie oder der Kunstleasing-Agentur "Insachenkunst". Darin erfährt man, wie man mit Kunst "nachhaltige Werte für Unternehmen" schafft, oder dass sich Kunstleasing für Firmenevents "steuerlich absetzen" lässt. Das geht in der Anbiederung an potenzielle Kunden vielleicht doch etwas zu weit. Dann doch lieber zurück zu Malewitsch, oder, um den Glauben an die freie Kunst nicht völlig zu verlieren: einfach mit den vielen Künstlern reden. Und, das macht auch dieses Mal den eigentlichen Reiz der Messe aus: sich im persönlichen Gespräch erzählen lassen, wie etwa Frederik Eckenheim seine in Metall geätzten Porträtbilder erstellt, Anton Kammerl seine Filzfotografien oder Ines Seidl, Andrea Mähner und Daisuke Ogura ihre kleinteiligen Objekte. Was am Ende vielleicht ebenfalls zu der Erkenntnis führt, dass wie beim Riesenfisch die persönliche Annäherung die Wahrnehmung verändert.

ArtMuc 2015, noch bis Sonntag, 17. Mai, Praterinsel, www.artmuc.info

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