Global Summit of Women:"Frauen müssen lernen, andere Frauen zu unterstützen"

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Will eine neue Zeit für Frauen einläuten: Irene Natividad, Organisatorin des Global Summit of Women (Mitte), hier im Jahr 2014 mit der französischen Ministerin für Frauenrechte, Najat Vallaud-Belkacem (rechts). (Foto: AFP)
  • Mädchen sind besser in der Schule, auch bei den Universitätsabschlüssen liegen die Frauen mittlerweile vor den Männern: Und doch verdienen sie immer noch weniger und haben seltener Chef-Positionen inne.
  • "Gemessen an ihrer Qualifikation und ihrem Können werden sie nicht ausreichend eingesetzt", sagt die US-Frauenrechtlerin Irene Natividad, die in diesem Jahr zum 25. Mal das Wirtschaftsforum "Global Summit of Women" veranstaltet.
  • Ihr Lösungsvorschlag: Nicht nur eine Frauenquote ist nötig, sondern auch weibliche Solidarität.

Interview: Alexandra Borchardt

SZ: Frau Natividad, Sie organisieren den Global Summit of Women jetzt zum 25. Mal. In Sao Paulo sind 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 63 Ländern dabei. Gibt es Dinge, die rund um dieses Wirtschaftsforum entstanden sind, an die Sie besonders gerne denken?

Irene Natividad: Im Kleinen denke ich da vor allem an eine Frau aus Indien, die auf dem Summit in Barcelona 2002 auf der Damentoilette aus ihrem Koffer heraus Pashmina-Schals verkauft hat. Daraus ist ein globales Netzwerk entstanden, sie hat heute Geschäftspartner in Japan und Island und einen Laden. Sie hat mir mal erzählt, dass sie deswegen ihren Sohn auf eine Privatschule schicken und ihrer Mutter eine Operation finanzieren konnte.

SZ: Und im Großen?

Natividad: Zum Beispiel sagt die frühere Frauenministerin aus Malaysia, der Summit hätte sie vor Jahren inspiriert, sich in der Regierung für eine Frauenquote einzusetzen. Heute hat Malaysia eine 30 Prozent Quote für Aufsichtsräte - als einziges Land im ganzen asiatisch-pazifischen Raum.

SZ: Was hat sich für Frauen weltweit in dieser Zeit zum Besseren gewandelt?

Natividad: Vor allem die Bildung. Bei den Universitätsabschlüssen liegen die Frauen mittlerweile vor den Männern, auch im Kampf gegen Analphabetismus bei Mädchen gibt es Fortschritte. Außerdem gibt es viel mehr Unternehmerinnen und Gründerinnen als vor 25 Jahren. Frauen sind fast überall auf der Welt die stärksten Antreiber beim Wachstum kleiner Unternehmen.

SZ: Und wo hat sich nichts bewegt?

Natividad: Zu viele Frauen bleiben immer noch in ihren Teenagerjahren auf der Strecke, müssen die Schule abbrechen, werden verheiratet. Was die akademische Ausbildung angeht, kann man sagen: Frauen sind überqualifiziert und unterbeschäftigt. Gemessen an ihrer Qualifikation und ihrem Können werden sie nicht ausreichend eingesetzt.

SZ: Überqualifiziert, wie meinen Sie das?

Natividad: Wir hatten mal geglaubt, Bildung sei der magische Schlüssel zum Erfolg. Das stimmt aber nur zum Teil. Frauen sitzen nicht in ausreichender Zahl an den Schaltstellen der Macht. In keinem einzigen Land schließt sich die Schere zwischen Männer- und Frauengehältern. Sie sind zwar die wichtigste Konsumentengruppe, aber das sehen die Unternehmen nicht.

Initiatorin des "Global Summit of Women"
:Hauptsache Nummer eins

Deutsche Frauen beschweren sich zu viel über ihre berufliche Situation, findet Irene Natividad. Die Amerikanerin hat den "Global Summit of Women" ins Leben gerufen. Von ihren Geschlechtsgenossinnen fordert sie mehr Verantwortung - von der Politik eine Quote. Diese sei das Eingangstor zur Macht.

Von Alexandra Borchardt

SZ: Es ist ja kein Geheimnis, dass Sie für Quoten sind - für eine Amerikanerin ist das sehr ungewöhnlich.

Natividad: Ja, es gibt einfach einen Business Case dafür, Vielfalt rechnet sich. Aber Quoten sind nur eine Sache. Es gibt kein einziges Land, dass die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gelöst hat. Nicht einmal die skandinavischen Länder haben das.

SZ: Das ist ja auch nicht so leicht. Wenn die Politik so etwas wie Elternzeit ermöglicht, landen die Frauen schnell in der Teilzeitfalle, was wieder schlecht für Karriere und Gehälterschere ist.

Natividad: Die Arbeitswelt muss sich ändern. Das ist eine Arbeitswelt, die von Männern für Männer gemacht ist. Frauen sind auf dem Arbeitsmarkt Einwanderer, die die Sprache und die Kultur nicht verstehen.

SZ: Aber Kultur und Sprache lassen sich ja nicht per Befehl ändern.

Natividad: Es sind kleine Schritte. Auf dem Summit tauschen sich zum Beispiel Unternehmen darüber aus, wie man diese Dinge verbessern kann. Wir zertifizieren Unternehmen, die besonders familienfreundlich sind. Wirtschaft, Regierungen und die Bürgergesellschaft müssen alle ihren Teil dazu beitragen, dass sich Dinge ändern.

SZ: Ist es nicht vor allem wichtig, die Männer einzubeziehen? Wieviele von den 1000 Teilnehmern sind denn Männer?

Natividad: Ach (winkt ab), kaum jemand. Wir haben ja ein Panel von männlichen CEOs, die über Erfolge in ihren Konzernen berichten. Aber haben Sie mitbekommen, was das im vergangenen Jahr in Paris für ein Theater gegeben hat?

SZ: Da hatte sich wohl eine Journalistin darüber beklagt, dass auf diesem Podium nur Männer saßen.

Natividad: Ja, über Twitter. Die Frau hatte ein Foto gepostet mit der Bühnendekoration von "Global Summit of Women" im Hintergrund und davor ein Podium mit sechs Männern und gefragt, ob wir denn keine Frauen gefunden hätten. 900 mal wurde das retweetet.

SZ: Aber auf Twitter machen sich ja gerne mal Einzelne wichtig.

Natividad: Frauen haben eine Verantwortung. Mir hat mal eine gesagt, warum erwarten Sie von mir, Wasserträgerin für andere Frauen zu sein, wo ich mich doch für meinen eigenen Erfolg schon genug anstrengen muss. Aber Frauen müssen lernen, andere Frauen zu unterstützen.

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