Palmyra vor der Zerstörung:Zivilisationsbruch als perverser Machtbeweis

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Als die Stadt noch von Touristen besucht werden konnte: Archivbild der Ruinen von Palmyra aus dem Jahr 2010 (Foto: REUTERS)

Die Kämpfer des Islamischen Staats haben die antike Oasenstadt Palmyra erobert. Den einzigartigen Kulturgütern droht die Vernichtung, weil dies der IS-Propaganda nützt. Dass Syriens Regime sich als Hüter der Kultur geriert, ist verlogen.

Kommentar von Paul-Anton Krüger, Kairo

Nimrud, Hatra - und jetzt Palmyra. Die beiden erstgenannten kulturhistorischen Stätten von Weltrang haben die Bilderstürmer des Islamischen Staates (IS) schon verheert. Nun ist ihnen auch noch die alte Oasenstadt in Syrien in die Hände gefallen, zweifellos eines der bedeutendsten und am besten erhaltenen Zeugnisse antiker Kulturen im Nahen Osten. Die Terroristen morden gnadenlos Menschen, die sich nicht ihrem wahnhaften Steinzeit-Islam unterwerfen. Mit derselben Skrupellosigkeit schleifen sie unwiederbringliches Menschheitserbe.

In Palmyra wird sichtbar, wie Zivilisationen sich gegenseitig befruchten können. Die jahrtausendealte Geschichte dieser Stätte, ihre unvergleichliche Schönheit, ihre Größe, ihre universelle Bedeutung und kulturelle Vielfalt - all das entlarvt, wie unmenschlich die Ideologie des Islamischen Staates ist, wie menschenfeindlich das Kalifat. Darin liegt allerdings auch der propagandistische Zweck der Zerstörung: Der absolute Zivilisationsbruch ist eine perverse Machtdemonstration. Er zwingt selbst die verfeindeten Seiten im grausamen syrischen Bürgerkrieg auf eine Seite: Rebellen, die gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad kämpfen, blieb nur die Hoffnung, dass dessen verhasste Truppen verhindern würden, dass alle Syrer ihrer gemeinsamen Geschichte beraubt werden.

Die Terroristen haben es nicht eilig

Das Regime hat unlängst schon diese Karte gespielt: Wer das kulturelle Erbe der Welt retten will, kommt an uns nicht vorbei, lautet die Botschaft aus Damaskus, während die Armee weiter Fassbomben auf Zivilisten wirft. Den Amerikanern, die sich mit ihren Luftangriffen von Gebieten des Regimes fernhalten, stellt sich die Frage, ob sie einen Versuch unternehmen sollen, die Dschihadisten an einem weiteren Frevel zu hindern. Die traurige Wahrheit aber ist, dass es dafür wohl schon zu spät ist.

Mögliche Zerstörung durch den IS
:Mossul, Hatra, Nimrud - und jetzt Palmyra

"Bloß die Dächer fehlen", Historiker sind begeistert von den gut erhaltenen Ruinen der syrischen Stadt Palmyra. Jetzt ist die einst bedeutende Metropole in den Händen der Terrormiliz Islamischer Staat. Wie anderen historischen Stätten zuvor droht ihr die Auslöschung.

Von Markus C. Schulte von Drach

Der Islamische Staat hat es nicht eilig, den Baal-Tempel oder das Tetrapylon von Palmyra zu sprengen. Für die Terrormiliz war die moderne Stadt Tadmur am Fuße der Ruinen das Ziel. Sie kontrolliert jetzt wichtige Verbindungsstraßen und Gasfelder, übernahm einen Militärstützpunkt und ein Gefängnis des Regimes. Die Ruinenstadt verspricht zudem wertvolle Antiquitäten, die sich zu Geld machen lassen.

Es bleiben wenig Möglichkeiten, die Extremisten zurückzudrängen. Luftangriffe taugen nicht, um sie aus den Ruinen zu jagen; auch sonst bewirken sie keine Wunder, das hat der Fall von Ramadi im Irak gezeigt. Sie entfalten Wirkung nur im Zusammenspiel mit schlagkräftigen Einheiten am Boden. Die Partner dafür aber fehlen zumeist in Syrien und oft auch im Irak.

Das syrische Regime ließ den IS gewähren - das rächt sich nun

Längst haben die Kommandeure des Islamischen Staates - erfahrene, militärisch ausgebildete Offiziere - ihre Taktik umgestellt. Sie lassen nicht mehr lange Konvois durch offenes Gelände fahren, wo sie ein leichtes Ziel sind. Die IS-Kämpfer sickern ein, suchen die Schwächen des Gegners, sprengen sich mit Autobomben Breschen durch die Verteidigung. Sie machen sich Sandstürme zunutze, die selbst modernen Drohnen die Sicht nehmen. Sie setzen darauf, dass sie länger durchhalten, denn der Tod im Kampf ist für sie geradezu erstrebenswert. Weder in Ramadi noch in Palmyra konnten die Regierungstruppen ihnen standhalten.

Politische Querelen, logistische Probleme und zynisches Kalkül verschärfen die Lage: Ramadi wurde seit Monaten belagert. Mächtige schiitische Politiker in Bagdad verhinderten, dass sunnitische Stämme in Anbar Waffen erhielten. Nennenswerte Verstärkung blieb aus. Nun können sie ihre Milizen schicken, was zuvor Premier Abadi, die Stämme und die USA zu verhindern suchten. In Syrien ließ das Regime den Islamischen Staat gewähren, solange er ihm gemäßigte Rebellen vom Hals schaffte. Das rächt sich nun in Palmyra.

© SZ vom 22.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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