Deutsche Bank:39 Prozent Misstrauen

Jain and Fitschen, co-CEOs of Deutsche Bank, attend the bank's annual general meeting in Frankfurt

Die beiden Vorständschefs der Deutschen Bank: Anshu Jain (li.) und Jürgen Fitschen.

(Foto: REUTERS)
  • Auf der Aktionärsversammlung der Deutschen Bank wurden die beiden Co-Vorsitzenden Anshu Jain und Jürgen Fitschen nur mit jeweils 61 Prozent entlastet.
  • Das Votum der Anteilseigner hat keine Konsequenzen, gilt aber als deutliches Zeichen der Unzufriedenheit mit dem Führungsduo.
  • Der hektische Umbau des Vorstandes und die beschlossene Neuausrichtung der Bank werden von vielen Aktionären als verspätete und zu schwache Maßnahmen gesehen, um die Bank auf Erfolgskurs zu bringen.

Von Harald Freiberger und Meike Schreiber, Frankfurt

Eine solches Misstrauensvotum hat es für den Vorstand der Deutschen Bank selten gegeben: Nur jeweils 61 Prozent der Aktionäre entlasteten die beiden Co-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen am Donnerstag auf der Hauptversammlung. 39 Prozent der abgegebenen Stimmen sprachen sich dagegen aus. Üblich sind bei Hauptversammlungen in Deutschland Zustimmungsraten von 95 Prozent und mehr.

Schon eine Ablehnung von zehn Prozent gilt normalerweise als Ohrfeige. Doch in diesen Wochen ist bei der Deutschen Bank nichts mehr normal. Es ist nicht nur eine Ohrfeige, sondern eine schallende Ohrfeige - der Höhepunkt einer Entwicklung, die sich in den letzten Wochen aufgeschaukelt hat. Direkte rechtliche Konsequenzen hat die starke Ablehnung nicht. Für die Abberufung eines Vorstands ist der Aufsichtsrat zuständig. Allerdings gerät Paul Achleitner, der Chef des Kontrollgremiums, damit stark unter Druck. Wie lange kann er Fitschen und Jain noch halten?

Hektischer Umbau im Vorstand vergeblich

Fraglich ist auch, ob der Befreiungsschlag gelungen ist, den der Aufsichtsrat in der Nacht davor noch versuchte: Er hatte sich zu einem hektischen Vorstandsumbau durchgerungen, um die Führungsspitze zu schützen. So wird Rechtsvorstand Christian Sewing das Privatkundengeschäft von Rainer Neske übernehmen, der die Bank verlässt, weil er die neue Strategie nicht unterstützte - besonders den Verkauf der Postbank. Strategie- und Finanzvorstand Stefan Krause bekommt die Verantwortung für den Zahlungsverkehr und die konzerninterne Bad Bank. Seinen Vorstandsposten für Strategie übernimmt zusätzlich Jain. Vor allem seine Rolle strich der Aufsichtsrat so heraus. Das heißt auch: Er wird an der Umsetzung der Strategie gemessen werden.

Es ist seine letzte Chance. Achleitner streut gleich zu Beginn des Aktionärstreffens Asche auf sein Haupt: "Keine Frage, das öffentliche Bild der Deutschen Bank ist heute stark angeschlagen", sagt er. Mit Imagefilmen allein, wie sie vorher über die Leinwand der Festhalle liefen, lässt sich die Lage der Bank nicht mehr verschleiern: Aktienkurs und Reputaton sind am Boden. Die rund 9000 Aktionäre auf den Rängen sollen merken: Der Oberaufseher hat verstanden. Niemand könne zufrieden sein, positive Dinge seien von einer Vielzahl von Rechtsfällen in den Schatten gestellt worden. Es sei Aufgabe der Bank, "die unrühmliche Vergangenheit konsequent aufzuarbeiten".

Wut drinnen statt draußen vor der Tür

Hauptversammlungen der Deutschen Bank waren immer Hochämter des Kapitalismus - und der Kapitalismuskritik. Blockupy-Aktivisten störten in den letzten Jahren die Rede von Co-Chef Anshu Jain, Umweltschützer prangerten Agrarspekulationen an und kippten Gülle vor die Tür. Es ging laut und bunt zu, aber im Kern war es harmlos. Am Ende gab es immer eine satte Mehrheit für Vorstand und Aufsichtsrat.

Diesmal ist es umgekehrt: Vor der Tür ist kaum etwas los, jemand verteilt ein paar Erdnüsse ("Peanuts"), auch drinnen überwiegen die ruhigen, sachlichen Töne. Aber das sind die viel gefährlicheren, die das Management ernst nehmen muss. Es geht ans Eingemachte. Aktionärsberater und Aktionärsschützer empfehlen, dem Vorstand und teils auch Aufsichtsrat die Entlastung zu verweigern - ein Novum in der Geschichte der Bank.

Aktionärsschützer Hans-Martin Buhlmann ruft Jain und Fitschen zu: "Ich möchte das T im Wort ,entlasten' durch ein S ersetzen und Sie entlassen." Markus Kienle von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger fragt: "Herr Jain, sind Sie die Lösung der Bank oder das Problem - oder beides?" Sie treffen damit auch die Stimmung der Kleinaktionäre: "Wer den Vorstand entlastet, dem ist nicht zu helfen", sagte schon morgens eine Frau.

Achleitner stärkt dem Führungsduo demonstrativ den Rücken. "Alle berechtigte und unberechtigte Kritik darf nicht davon ablenken, mit welchem Engagement und auch mit welcher Frustrationstoleranz sich die Vorstandsmitglieder einbringen", sagt er. Dafür gebühre ihnen und ihren Familien Dank. Es gibt dünnen Applaus.

"Meine Damen und Herren, wir wissen, dass Sie enttäuscht sind"

Jain hält seine Rede anders als im Vorjahr auf Englisch. "Weil jedes Wort zählt, wähle ich heute meine Muttersprache", sagt er. Für die Aktionäre wird die Rede simultan übersetzt, sie sehen nur, wie sich Jains Lippen bewegen. "Meine Damen und Herren, wir wissen, dass Sie enttäuscht sind. Jürgen und mir und den Vorstandskollegen geht es genauso", versucht Jain es mit einer kleinen Charmeoffensive, erntet aber nur ein paar Lacher im Publikum.

Er gibt zu, wichtige Ziele verfehlt zu haben. "Wir haben uns sehr viele geschäftliche Optionen offengelassen", sagt er. Das sei nicht durchzuhalten gewesen, weil die regulatorischen Anforderungen viele Geschäfte teurer machten. Als er vor drei Jahren antrat, wollte er anderen Großbanken Geschäft vor allem im Investmentbanking abnehmen. Während Institute wie die Schweizer UBS sich aus vielen Bereichen verabschiedeten, machte die Deutsche Bank munter weiter. Das drückte auf Gewinne und Aktienkurs. Es ist das Eingeständnis des Scheiterns.

Den Privatkundenvorstand Neske verabschiedet Jain mit warmen Worten: "Rainer, ich darf dir für deine wertvollen Beiträge und viele Jahre der Partnerschaft danken. Wir wünschen dir von Herzen alles Gute für die Zukunft." Neske steht kurz auf, die Aktionäre spenden ihm Applaus. Mit ihm geht das größte Gegengewicht zu den Investmentbankern im Vorstand.

Vertrauen verloren

Die Großaktionäre sind nicht glücklich mit den Personalentscheidungen. "Warum haben Sie erst so spät gehandelt", fragt Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment. Die Bank habe seit der Finanzkrise bereits "acht verlorene Jahre" hinter sich, und nun würden schon wieder "fünf unprofitable Übergangsjahre mit Restrukturierungskosten in Milliardenhöhe in Aussicht gestellt". Die Fondsgesellschaft, die 0,9 Prozent der Aktien hält, verweigert dem Vorstand die Entlastung.

Auch dem Aktionärsberater Hermes reichen die Veränderungen nicht. Das Führungsgremium müsse "weit über das gestrige Stühlerücken hinaus" umgebaut werden, sagt Hermes-Manager Hans-Christoph Hirt. Er entlastet den Vorstand ebenfalls nicht: "Wir haben das Vertrauen verloren."

Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz kritisiert, die neue Strategie sei bei Weitem nicht der große Wurf, sondern "von allem ein wenig, aber vor allem keine Vision". Man traue den Ankündigungen des Managements nicht mehr über den Weg.

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