"Tatort" aus Münster:Ehe, wem Ehe gebührt

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Boerne (Jan Josef Liefers) und Thiel mimen ein schwules Pärchen im Tatort "Erkläre Chimäre". (Foto: WDR/Martin Valentin Menke)

Boerne will an das Erbe seines schwulen Patenonkels, indem er einen Mann heiratet. Wie praktisch, dass ihm Thiel noch etwas schuldig ist.

TV-Kritik von Holger Gertz

Diese Tatort-Rezension wurde erstmals zur Premiere von "Todesschütze" 2015 publiziert. An diesem Sonntag zeigt Das Erste den Fall anstatt Anne Will, weswegen wir den Text noch einmal veröffentlichen.

Es gibt noch immer Debatten darüber, ob und wann Ernie und Bert aus der Sesamstraße endlich heiraten. Scheint eine Sehnsucht des Publikums zu sein: Was zusammengehört, soll zusammenfinden. Boris und Steffi waren in den Träumen des Publikums früher auch dauernd ein Paar. Und also ist es eine Erfüllung, dass in diesem Tatort der Gerichtsmediziner Boerne mitteilen kann, er habe den Ermittler Thiel endlich geheiratet.

Boerne hat einen schwulen Patenonkel aus Amerika, er will an dessen Erbe, da rechnet er sich als Schwuler bessere Chancen aus. Thiel (Axel Prahl) ist nicht begeistert von der Geschichte, kann aber nur grmmpff und mmpff sagen, weil Boerne (Jan Josef Liefers) ihm gerade per Luftröhrenschnitt das Leben gerettet hat, mit einem Messerchen und dem Plastikgehäuse eines Kugelschreibers zum Durchatmen, Werbekugelschreiber übrigens: Luftkurort Davos.

Thiel spricht auf einmal mit der Stimme der Staatsanwältin

Krank genug, dieser Opener? Na sicher, das Buch von "Erkläre Chimäre" stammt von Stefan Cantz und Jan Hinter, die es natürlich draufhaben, wenn sie in Form sind. Wortwitz, Timing. Die Münsteraner Episoden sind Familiengeschichten: Krusenstern und Alberich und der Taxifahrervater, das Personal ist immer dasselbe, das innere Gefüge wird nur in Nuancen verändert. In der Sesamstraße wurden schon mal die Nasen getauscht, hier spricht Thiel auf einmal mit der Stimme der Staatsanwältin.

Das Infantile ist Teil jeden Witzes, das Infantile kippt auch in Münster oft ins Alberne, aber in diesem Stück von Regisseur Kaspar Heidelbach ist alles ganz schön in der Waage. Die Nummer mit dem aufgeschnittenen Hals von Thiel korrespondiert mit dem aufgeschnittenen Hals eines Mannes, dessen Tod zu klären ist. Der Fall ist nicht zu kompliziert, er ist aber auch nicht so lapidar wie sonst manchmal, sie haben Christian Kohlund als Patenonkel noch mal ausgegraben, und mit dem Thema Homo-Ehe kann man, wie gerade zu beobachten ist, auch verkrampfter umgehen.

Wenn der Tatort aus Münster gut ist, ist er federleicht.

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Von Carolin Gasteiger und Jessy Asmus

ARD, Sonntag, 20.15 Uhr.

© SZ vom 30.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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