Kfz-Versicherung:Wenn der Computer das Auto crasht

Selbstfahrendes Auto von Bosch

Die Entwicklung schreitet beim selbstfahrenden Auto rasend schnell voran. Die Versicherungen stehen dadurch vor einer Herausforderung.

(Foto: dpa)
  • Die Vorboten des autonomen Fahrens, elektronische Assistenzsysteme, sind schon da. Deshalb beschäftigen sich nun verstärkt auch die Versicherungen mit dem Thema.
  • Im ersten Schritt führen die modernen Technologien wohl zu günstigeren Versicherungsprämien, denn es gibt weniger Bagatellschäden.
  • Die Frage bei hochautomatisierten Fahrzeugen ist: Haftet künftig der Fahrer oder der Hersteller bei einem Unfall?

Von A. Gröger, H. Fromme, Köln

So wie auf dem Stuttgarter Rothebühlplatz sollte es nicht laufen. Ende März kollidierte dort nachts ein BMW-Testwagen, ein so genannter Erlkönig, mit einem Polizeifahrzeug. Der Fahrer des BWM war unterwegs, um ein Fahrerassistenzsystem bei Dunkelheit zu erproben. Der Wagen fuhr bei Grün über die Kreuzung, soweit okay, aber weder der Fahrer noch das Assistenzsystem bemerkten, dass von links ein Polizeiwagen mit Blaulicht und Martinshorn angerast kam - auf dem Weg zu einem Tatort; eine Bank war überfallen worden. Der Crash ist ein klares Anzeichen dafür, dass BMW an der Technik noch arbeiten muss.

Zwar sind völlig selbständig fahrende Autos für den Massenmarkt noch Zukunftsmusik. Dennoch beschäftigen sich Versicherer mit dem Thema, Vorboten sind ja schon da: Spurhalter, Einparkhilfe, Tempomat oder kamerabasierte Reaktionshilfen - kaum ein Hersteller produziert noch Autos ohne die praktischen elektronischen Assistenzsysteme, die in vielen Situationen autonom reagieren. Das hat Konsequenzen: "Es wird in Zukunft weniger Bagatellschäden geben", sagt Eric Schuh, Experte beim Rückversicherer Swiss Re, und die Entwicklung hat schon begonnen.

Versicherungsprämien werden wohl günstiger

"Die Schäden gehen allein durch Einparkhilfen zurück, die piepsen, wenn der Fahrer zu nahe an einen Poller, eine Parkhaussäule oder einen anderen Pkw kommt", sagt Schuh. Der größte deutsche Autoversicherer HUK-Coburg sieht das ähnlich. "Wir erwarten, dass die Schadenhäufigkeit durch die Nutzung von Fahrassistenzsystemen langfristig sinken wird", äußert sich Vorstand Klaus-Jürgen Heitmann. "Die Prämien sollten dann wohl ebenfalls günstiger werden." Bei der HUK-Coburg etwa sind derzeit etwa ein Drittel aller Schäden Parkschäden, die Zahlen werden zurückgehen.

Die intelligente Bordelektronik sorgt dafür, dass künftig öfter die Hersteller nach Unfällen in die Haftung genommen werden. "Es wird eine Verschiebung weg von der Kfz-Haftpflicht des Fahrers hin zur Produkthaftpflicht des Herstellers geben", glaubt Schuh von Swiss Re. Derzeit werden 90 Prozent aller Schäden durch menschliche Fehler verursacht. Dieser Anteil wird deutlich sinken.

Für die Versicherer bedeutet das erhebliche Einbußen. Sie nehmen jährlich 16 Milliarden Euro allein mit der Kfz-Haftpflicht ein. Haftpflichtprämien für die Hersteller dürften deutlich niedriger sein. Weil es sich bei der Kfz-Haftpflicht um eine Pflichtversicherung handelt, gilt sie immer noch als wichtiges Mittel für den Erstzugang zum Kunden. Ein massentaugliches autonom fahrendes Auto könnte sie überflüssig machen. "Dann würden nicht mehr die Fahrer, sondern nur noch die Hersteller in die Haftung genommen", sagt Schuh. Bis es soweit ist, wird es aber noch eine Weile dauern - mindestens.

Es wird noch viele Diskussionen geben

HUK-Coburg-Vorstand Heitmann glaubt erst gar nicht an komplett autonom fahrende Autos. Er verweist auf die Situation in den deutschen Innenstädten. "Menschen handeln irrational, sie rennen von einem Augenblick auf den anderen auf die Straße, sie bleiben zufällig stehen; all das behindert das Fahren von autonomen Pkw."

Die eingebaute Assistenz-Elektronik bringt auch neue Risiken: Fahrzeuge werden anfälliger für Cyberangriffe. Hacker können heute schon die Funksignale von Autoschlüsseln blockieren, Türen öffnen und Bremsen blockieren. "Hier wird die Versicherungswirtschaft noch diskutieren müssen", sagt Schuh. "Wir stehen der Diskussion aufgeschlossen gegenüber."

Experten haben noch andere Bedenken: Möglicherweise verlassen sich Fahrer durch Assistenzsysteme zu sehr auf die Technik und fahren deswegen unwillkürlich riskanter. Dann wird es wieder krachen, wie neulich auf der Kreuzung in Stuttgart.

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